Denpasar (dpa) – Der Mount Agung auf der indonesischen Ferieninsel Bali ist ein Vulkan wie aus dem Bilderbuch: mehr als 3000 Meter hoch, ein fast perfekt geformter Kegel. Und jetzt steht über dem Gunung Agung, wie er in der Landessprache heißt («Wunderbarer Berg»), auch noch eine riesige Rauchwolke. Seit Tagen brodelt, dampft und spuckt er heftig vor sich hin. Ob er gewaltig ausbrechen wird – und wenn ja, wann -, weiß im Moment niemand. Aber die Sorgen sind groß.
Wie ist die aktuelle Lage?
Höchst bedrohlich. Der Agung ist schon seit mehreren Wochen ziemlich aktiv. Im September wurde schon einmal jederzeit mit einem Ausbruch gerechnet. Dann beruhigte sich die Lage. Jetzt gilt wieder Alarmstufe Rot. Die ersten Eruptionen gab es schon. Indonesiens Katastrophenschutzbehörde warnt, dass eine «größere Explosion» unmittelbar bevorsteht. Die Gegend rundum wurde auf zehn Kilometern zu Sperrzone erklärt. 100 000 Anwohner wurden aufgefordert, sich in Sicherheit zu bringen.
Und wie viele Leute sind der Aufforderung gefolgt?
Nicht einmal die Hälfte. Geschätzt wird, dass bis zu 70 000 Leute immer noch da sind. Viele fürchten, dass geplündert wird und Tiere gestohlen werden, wenn sie gehen. Die Angst um den Besitz ist im Moment noch größer als die ums eigene Leben.
Wann bricht der Agung heftig aus?
Der «Big Bang» kann nach Meinung von Experten jederzeit passieren – oder auch überhaupt nicht. Die Vulkanologin Jacqueline Salzer vom GeoForschungsZentrum (GFZ) Potsdam sagt: «Prinzipiell ist auch möglich, dass er sich erst mal wieder beruhigt.» Wahrscheinlich ist das aber nicht. Die größte Sorge ist, dass der Berg wieder einschläft, die Anwohner zurückkehren und es dann plötzlich knallt.
Wie war das beim letzten Mal?
Beim letzten großen Ausbruch 1963 dauerte es mehrere Wochen, bis es nach den ersten kleineren Eruptionen zur Katastrophe kam. Damals, nach 120 Jahren Ruhe, glaubten viele sogar schon, der Vulkan sei erloschen. Dann aber kamen mehr als 1100 Menschen ums Leben – eine der schlimmsten Katastrophen der vergangenen Jahrzehnte.
Was wäre bei einem Ausbruch zu erwarten?
Vor einem halben Jahrhundert wurden den meisten Opfern sogenannte pyroklastische Ströme zum Verhängnis: Wie auf einem Luftkissen glitt ein heißes Asche-Gas-Gemisch den Hang hinunter – enorm schnell, bis zu 400 Kilometer pro Stunde. «Man hört das nicht kommen», erklärt Salzer. «Und man sieht es wegen des eingehüllten Gipfels nicht oder erst, wenn es schon zu spät ist.» Hinzu kommen sogenannte Lahars: eine gefährliche Mischung aus Lava, Geröll und Regenwasser, die als Schlamm- und Schuttstrom talwärts rast.
Was würde passieren, wenn sich das heute wiederholt?
Dazu gibt es im Prinzip zwei Ansichten: Die einen meinen, dass die Behörden in Indonesien so gut vorbereitet sind wie noch nie auf einen Ausbruch zuvor. Andererseits ist das Gebiet rund um den Agung viel dichter besiedelt als in den 1960er Jahren. Und viele Bewohner sind trotz aller Warnungen immer noch dort.
Wie groß ist die Gefahr für Touristen?
Nicht besonders groß. Der Agung liegt mehr als zwei Autostunden von Balis Urlauber-Hochburgen wie Kuta oder Ubud entfernt. Von den mehr als fünf Millionen Touristen, die pro Jahr auf die Insel kommen, sehen ihn die meisten deshalb nur aus der Ferne. Allerdings gibt es auch welche, die nun erst recht zum Agung kommen, um Fotos und Videos zu machen. Ein Franzose sagte dem Lokalsender Metro TV: «Das ist eine Gelegenheit, die man nur einmal im Leben bekommt.»
Wie viele Urlauber hängen aktuell fest?
Mehrere Tausend. Mit dem Flugzeug kommt derzeit überhaupt niemand aus Bali weg. Nach Angaben des Deutschen Reiseverbandes halten sich aktuell auch mehr als 5500 deutsche Urlauber auf Bali auf. Die meisten davon haben längere Aufenthalte gebucht und wollen nicht sofort weg.
Welche Bedeutung hat der Berg für die Einheimischen?
Für gläubige Hindus, die große Mehrheit der Inselbevölkerung, ist der Agung der Nabel der Welt – der Ort, wo die Götter wohnen. Der Legende nach entstand der Vulkan, als der hinduistische Gott Pasupati den Berg Meru zerteilte, die spirituelle Achse des Universums. Auf der Südwestseite, in etwa 900 Metern Höhe, befindet sich die wichtigste hinduistische Stätte der Insel: Pura Besakih, ein Komplex aus 22 Tempeln.