Essen (dpa/lnw) – Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat am Freitag in Essen an die wichtige Rolle des früheren Stahlkonzerns Krupp als Rüstungsproduzent im Nationalsozialismus erinnert. «Ohne die sogenannte Waffenschmiede des Reiches wäre im Zweiten Weltkrieg die Aufrüstung der Wehrmacht und die Vorbereitung des Krieges nicht möglich gewesen», sagte Steinmeier bei einem Festakt anlässlich des 150-jährigen Bestehens der Villa Hügel, des früheren Wohnsitzes der Industriellenfamilie Krupp.
Das Haus Krupp sei nicht nur Auftragnehmer des nationalsozialistischen Staates gewesen, so das Staatsoberhaupt. Bereits zuvor sei es aktiver Förderer der NSDAP gewesen. «Bei der Finanzierung Adolf Hitlers und seiner Partei war Gustav Krupp ab Februar 1933 stark engagiert.» Adolf Hitler sei ein gern gesehener Gast bei Krupp gewesen. «Auch daran ist zu erinnern, und auch an die ausgebeuteten und geschundenen Zwangsarbeiter, die mithalfen, jenen mit Blut und Tod erkauften Reichtum zu erhalten und zu vergrößern, für den die Villa Hügel eben auch steht.»
Das Ruhrgebiet, die Stadt Essen und ihre Einwohner hätten einen hohen, schrecklichen Preis bezahlt. «Kaum eine andere Region in Deutschland war nach dem Krieg so zerstört. Und so ist die Villa Hügel ein Erinnerungsort für eine Geschichte, die einer ganzen Region wirtschaftlichen Fortschritt und Wohlstand gebracht hat, aber auch schweres Leid und Tod.»
Steinmeier lobte, dass die Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung eine unabhängige Untersuchung in Auftrag gegeben hat, die das Verhältnis ihres Namensgebers zum Nationalsozialismus umfassend analysiere. Dies finde er vorbildlich. «Nur so können wir wirklich aus der Geschichte lernen», sagte er.
Steinmeier bezeichnete die Villa Hügel als einen «großen Schatz, ein Kapital, aus dem man immer wieder Neues machen» könne. Ein «schöpferisches, anregendes und auch aufregendes Industriedenkmal» sei die Villa dann, wenn man aus der Erinnerung auch Mut und Zuversicht für eine Zukunft schöpfe, die man sich noch nicht ausmalen könne.
«Das ehemalige Wohnhaus der Familie Krupp ist heute ein Industriedenkmal», sagte die Kuratoriumsvorsitzende der Krupp-Stiftung, Ursula Gather. «Es steht für Unternehmertum, Ingenieurskunst, Arbeit und Wohlstand, und daneben für fatale Allianzen zwischen Staat und Wirtschaft, für Waffenproduktion, Zwangsarbeit, Zerstörung.» Die Villa bedeute aber auch Neuanfang, Öffnung, Wirtschaftswunder, Stiftungsgründung. Bis heute sei sie in Nordrhein-Westfalen einer der meistbesuchten Orte für Touristen aus aller Welt.
Die Krupp-Stiftung hat im Jubiläumsjahr ein umfangreiches Veranstaltungsprogramm rund um das Gebäude geplant. Zum Auftakt gibt es sechs Wochen lang eine audiovisuelle Installation, die Vorder- und Rückseite der Villa mit Licht und Musik bespielen wird.
Der Komplex hat insgesamt 8100 Quadratmeter Wohnfläche und 269 Zimmer und könnte damit als «größtes Einfamilienhaus Deutschlands» bezeichnet werden. Anlass für das Jubiläumsjahr ist der Einzug von Stahlbaron Alfred Krupp und seiner Familie in das neuerbaute Anwesen im Januar 1873. Die Villa ist seit 1953 für die Öffentlichkeit zugänglich.