NorwegenTouren

Mit Baby auf eigene Faust nach Spitzbergen

Ein Erfahrungsbericht über Mut, Stillen am Gletscher und zutrauliche Wildtiere

Das ist Spitzbergen: Unendliche Weite, tiefe Eindrücke einer gigantischen Landschaft, die sich magisch in die Seele einbrennen. Unbeschreibliche Farbenpracht, Blumen in allen Variationen, die auf grünem Moos plötzlich inmitten dem Steingeröll und dem kargen Dauerfrostboden erblühen, Wind und Sonne, endlose Moränenfelder und treuherzige Rentiere. Dazu eine Kulisse von spitzen, schneebedeckten Bergen und dem Schäumen des eisigen Meeres, das eine ständige Atmosphäre von Frische herbeizaubert.

Man hat sofort einen Eindruck der Größe der Schöpfung und der Kraft des Lebens, welche sogar in der trostlosesten und kältesten Gegend der Erde einen prachtvollen Traum entstehen lassen kann. Ich durfte zusammen mit meiner einjährigen Tochter und meinem Lebensgefährten die Hoch-Arktis erleben, auf Svalbard, jener alten Inselgruppe der Walfänger und Trapper, nur noch etwas über 1000 Kilometer vom Nordpol entfernt.

Begeisterung und Inspiration

Und davon möchte ich berichten, als Inspiration für all diejenigen Frauen und besonders junge Mütter, die glauben, sie könnten eine kleine, private Expedition dorthin nicht schaffen, beziehungsweise überstehen.

Schon seit etwa zwei Jahren verlagerte sich mein Lebensbereich mehr und mehr nach Norden. Angesteckt von der Norwegen-Begeisterung meines Lebensgefährten Peter, lernte ich dieses wunderschöne Land zunächst von der Seite ausgedehnter Fahrten kennen, die gigantische Fjordküste, die lieblichen Flußtäler, die endlos weiten Hochebenen in den Fjellen und in der Finnmarksvidda, die Lofot-Inseln, die erhabene Größe der Hardanger-Vidda und ihren Abbruch nach Westen, Jotunheimen, all die Sehenswürdigkeiten, die wohl kein Nordlandreisender links liegen läßt.

Schließlich wagten wir den Schritt, gänzlich nach Norwegen zu ziehen, wo wir nun auf einer ziemlich autarken Farm in den Wäldern Sørlands leben.

Gehen wir wirklich mit einem kleinen Kind nach Spitzbergen?

Im Mai 2000 wurde nun unsere Tochter Mira geboren, ein paar Monate später, also im Herbst, kam Peter plötzlich mit ein paar Bildern und gänzlich entrücktem Blick ins Zimmer und sagte: “Sieh einmal her, ich habe hier Bilder von Spitzbergen entdeckt. Unglaublich schön! Wollen wir nächsten Sommer nicht dorthin fahren? Wir kennen diese Insel noch nicht…” Peter ist Musiker, und Musiker sind immer etwas verrückt. Doch bei ihm kommt auch noch dazu, dass er einmal beschlossene Pläne auf Biegen und Brechen auch ausführt. Schon in diesem Moment war mir also klar, dass eine Spitzbergen-Tour unvermeidlich sein würde. Und ich sollte es wahrlich nicht bereuen, dass ich ihm diesen Plan nicht ausreden wollte, denn schon allein die Vorbereitungen machten mich fast schon zu einem anderen Menschen.

Eisbären-Warnung auf Svalbard`s wenig befahrenen Straßen
Eisbären-Warnung auf Svalbard`s wenig befahrenen Straßen. Bild: Sonja Mende

Vorbereitung: Ein sehr hilfreiches Buch und Schießtraining

Mutter mit Baby in der Trage und Gewehr
Schieß-Training, hier bereits in der Finnmark. Bild: Sonja Mende

Das Abenteuer begann schon damit, dass  wir uns in das äußerst ausführlich geschriebene Handbuch “Spitzbergen” von Andreas Umbreit einlasen und von der Gewaltigkeit Svalbards (wie die Inselgruppe auf Norwegisch heißt  – “kalte Küste”) mehr und mehr fasziniert wurden.

Auch wurde rasch klar, dass eine Spitzbergen-Reise auf eigene Faust, so wie wir es gewöhnt sind, nur mit ziemlichem Aufwand möglich sein wird, zumal wir stets einkalkulieren mussten, dass wir dann im Sommer 2001 ein einjähriges Mädchen dabei haben würden, die ein Großteil der Strecken getragen werden muss.

Das allererste Hindernis, gerade für mich als pazifistisch orientierte Frau, war, dass ich Schießen lernen musste, denn es ist auf Svalbard Pflicht, bei Touren außerhalb der wenigen kleinen Siedlungen eine großkalibrige Waffe mit sich zu führen. Dieses arktische Archipel wird nicht umsonst “Land der Eisbären” genannt.

Überleben im Land der Eisbären

Es ging dabei ja überhaupt nicht darum, einen Eisbären zu töten, denn die unter Naturschutz stehenden Raubtiere dürfen nur im äußersten Notfall erschossen werden, es drehte sich vielmehr darum, innerlich eine Sicherheit im Umgang mit der Wildnis (und eben auch dem Raubtier) aufzubauen, wozu die Waffe nur einen kleinen Teil beitrug. D

as Meiste kam vom bewussten Gewahrwerden der Natur, ihrer Schönheiten, aber auch der Gefahren. Unermüdlich trainierten wir verschiedene Schwierigkeitsgrade von Rucksack-Touren, wobei ich schon zur Übung stets die Tochter in der Rückentrage bei mir hatte und gleichzeitig versuchte, die Waffe in jeder Situation rasch durchzuladen und auf ein bewegliches Ziel in Anschlag zu bringen.

“The polar bear attacks without warning!”

Bereits in der ersten Information, die wir vom Gouverneurs-Büro von Svalbard (Sysselmann) anforderten, wurde dieser Punkt in einer Broschüre “The polar bear attacks without warning!” deutlich betont. Peter begann nun bereits ein dreiviertel Jahr vor der Tour sich auf den Norwegischen Waffenschein vorzubereiten, und ich folgte ihm einige Zeit später und beantragte ebenfalls die Waffenlizenz, ging regelmäßig zum Schießen und lernte Schritt für Schritt, dass das Mitsichführen eines Gewehres bei den vorbereitenden Trainings-Gängen durch unsere Wälder in Sørland, eine gewisse Sicherheit mit sich brachte, denn es prägte sich mehr und mehr ins Bewusstsein ein, dass ein angreifender Eisbär eine tödliche Gefahr darstellt, deren Ernstfall schon in der Vorbereitungsphase ordentlich trainiert werden will.

Letzte Vorbereitungen: GPS, Genehmigungen, sturmsicheres Zelt und eine Lösung für den Müll

Peter besorgte ein neues GPS Gerät, studierte die Karten und kümmerte sich um eine Touren-Genehmigung beim Gouverneur, denn manche Touren sind auf Spitzbergen genehmigungspflichtig, beginnt doch wirklich unmittelbar nach dem letzten Haus der größten Siedlung Longyearbyen die völlig unerschlossene und weglose arktische Wildnis mit Geröllfeldern und Dauerfrostboden, mit Matsch und Flussdurchwatungen.

Da bei Wanderungen keinerlei Müll zurückgelassen werden darf, mussten wir auch einkalkulieren, alle schmutzigen Windeln von Mira wieder mitzunehmen, das Zelt musste auf Sturmsicherheit geprüft werden, da es hieß, auch mitten im Sommer könnte man von Schneestürmen überrascht werden. Ebenso musste ausprobiert werden, ob der Kocher bei eiskalter Witterung auch funktioniert, ob die Wander-Gummistiefel durch Anpappen von Plastik-Verlängerungen für Durchquerungen raschfließender Schmelzwasser-Flüsse zu benützen waren. Als reine Vegetarier kümmerten wir uns auch vermehrt um die Essbarkeit der nordischen Pflanzen, um im Falle einer Notsituation einfach für alles vorbereitet zu sein. Die Liste der Vorbereitungen füllte zwei Seiten.

Start in der Finnmark, nach Tromsø und Longyearbyen

Vater mit Kind in Nordwegen
Mein Lebensgefährte beim Wandern in Nordnorwegen mit Tochter auf den Schultern. Bild: Sonja Mende

Doch schließlich wurde es Sommer. Wir starteten im Juli, um zunächst zwei schöne Wochen in der Finnmark zu verbringen, wo in den herrlichen Landschaften nochmals alles getestet wurde. Wie sehr sehnte ich mich in diesem Moment nach der “Mückenlosigkeit” Svalbards.

Nach der Ankunft am Flughafen gab’s erst einmal ein verwunderliches Stück Zivilisation. Es wartete tatsächlich ein Transferbus, der alle Flug-Gäste von der Ankunftshalle bis in die nur drei Kilometer entfernte Siedlung brachte. Da wir beide Musiker sind und die Gelegenheit nutzten, am wohl nördlichsten Konzertflügel der Welt ein Konzert zu geben, hatten wir für die Tage unseres Aufenthalts eine spezielle Künstler-Unterkunft zur Verfügung bekommen, ein wahrer Luxus in einer Gegend am Ende der besiedelten Welt, in der es sonst nur einige ultrateure Hotelbetten oder frostige Camping-Möglichkeiten gab.

Longyearbyen, die Perle der Arktis

So konnten wir am Ankunftstag in Ruhe jenes kuriose Dorf Longyearbyen bestaunen, das einst aus einer reinen Kohlebergwerk-Siedlung hervorgegangen war und sich – durch hohe Subventionen des norwegischen Staates – inzwischen zu einer Perle der Arktis gemausert hat.  Hallenschwimmbad und Hotel, Supermarkt und Touristik-Büro, Outdoor-Laden und  Postamt: alles ist vorhanden. Es macht nachdenklich, wie sich eine Gegend entwickelt hat, in der es Anfang der 80er Jahre angeblich noch nicht mal möglich war, sich privat ein Butterbrot zu kaufen.

Das Konzert am Abend war ein großer Erfolg. Wir hatten volles Haus und bekamen große Komplimente der Besucher, teils Einheimische, teils Touristen, die unsere besinnliche, meditative Musik als phantastische Ergänzung zu den grandiosen Natur-Erlebnissen betrachteten.

Balanceakt mit Kind auf dem Rücken

Svalbard beim Anflug aus der Flugzeug-Perspektive
Svalbard beim Anflug aus der Flugzeug-Perspektive. Bild: Sonja Mende

Tagsdarauf unternahmen wir die erste längere Wanderung zum Longyear-Gletscher, der am Ende des Tals geheimnisvoll funkelte. Unsere Wandergummistiefel gingen bis zum Knie, doch reichten sie gerade mal aus, um den vielarmigen Fluß zu durchqueren, der gleich hinter dem letzten Haus der Siedlung das Schmelzwasser von einem Seitental hereinbrachte.

Tiefe, ausgefressene Rinnen voller Geröll ließen mich mit der Tochter auf dem Rücken das Balancieren von Stein zu Stein lernen, bis wir schließlich drüben ankamen und uns zwischen einigen Grasmatten und Geröllhalden auf den nächsten Fluß zubewegten, der uns von der Endmoräne des Gletschers trennte.

Machbar: Wickeln in Eiseskälte

Schneehühner zwischen Geröll und Gras
Schneehühner zwischen Geröll und Gras. Bild: Sonja Mende

Zwischendurch sagte Mira plötzlich “Bääh”, was bedeutete, dass sie ein größeres Geschäft in der Windel hatte. Zwischenrast, Baby ausziehen, zum Glück stürmte es nicht eiskalt, Baby-Popo mit Hilfe des kalten Flußwassers reinigen (was Mira inzwischen von der Finnmark her gewöhnt war), neu wickeln, weiter geht’s… Vorbei an einem alten, stillgelegten Bergwerk, trafen wir plötzlich eine Vogelmutter mit neun Küken. Es waren Fjellrypen, wie das norwegische Wort für diese Art von Rebhühnern lautete. Die Vögel kamen ganz zutraulich näher, sahen im Menschen keinen Feind.

Mira war ganz begeistert und eine halbe Stunde lang nicht von den Vogelküken wegzubringen. Es folgte nun ein etwas beschwerlicher, da völlig wegloser Anstieg über die Moräne, um dann die gesamte Gletscherzunge in grandioser Schönheit überblicken zu können. Ein Trupp Wanderer, dem wir begegneten, war ebenfalls gut bewaffnet. Auch im Longyeartal sind schon sehr spontan Eisbären aufgetaucht.

Am nächsten Tag führte uns eine Unternehmung ins Advents-Tal, dessen Name nicht von der Weihnachtszeit, sondern von einem Schiffsnamen “Adventure…” herrührt. Hier war ein – sogar mit Auto befahrbarer – Weg vorhanden, ursprünglich auch für eines der Kohlebergwerke angelegt.

Rentiere und die EISCAT

Rentier im Adventsdalen
Rentier im Adventsdalen. Bild: Sonja Mende
Viele äsende Rentiere kamen ganz nah heran, und wir bewunderten wieder die Zutraulichkeit dieser Tiere, die keinerlei Angst zeigten. Die Tiere hatten sich bereits einen dicken Winterspeck angefressen, würden sie doch während der monatelangen Polarnacht keinerlei Fressbares finden.
Das Tal brachte uns einen enormen Eindruck von der Gewaltigkeit jener Kräfte, die in den verschiedenen Peroiden der Eiszeit jene langgestreckten Täler ausgeschmirgelt hatten, die nun in unübersehbarer Länge den braunen Schmirgel und die Geröllfelder beherbergten.
Weiter oben auf einer Bergkuppe stand EISCAT, jene Europäische Solar-Forschungs-Station, die mit gigantischen Parabolantennen hier in der Pol-Nähe in den Äther lauscht. Von dort aus gab es wieder einen unübertrefflich schönen Blick auf den breiten Adventsfjord , auf dessen anderer Seite wiederum riesige Gletscherzungen ins Meer ragten.

 

Gletscherblick beim Stillen
Unvergesslich: Mit dem Baby unterwegs in Nordnorwegen zu sein, ermöglicht einen Gletscherblick beim Stillen. Bild: Sonja Mende

Gletscherblick beim Stillen

Die Sonne schien an diesem Tag immer wieder, sodaß die Farben ständig wechselten und nahezu unwirkliche Nuancen bildeten. Fast illusionär, fast nicht von dieser Welt – und von atemberaubender Schönheit.

Für den nächsten Tag planten wir eine mehrtätige Tour durch das gänzlich unerschlossene Bjørndalen (Bären-Tal) zu einem anderen Gletscher, um von dort zu einer der vielen verlassenen Siedlungen an der Küste zu gelangen. Wir teilten das Gepäck gut auf. Ich packte Tochter und alle Kleinkind-Utensilien auf den Rücken, Peter den Rest, einschließlich Zelt und Kocher.

Das Bärental ist einer jener Landschaftsstriche, die für Svalbard-Verhältnisse ungewöhnlich grün sind, denn die überall seitlich herabströmenden Schmelzwässer haben viel Löss, Lehm und Tonerden ausgewaschen, so dass ein recht fruchtbarer Boden genug Halt für verschiedenste arktische Vegetation gab. Blumen, deren leuchtende Farbe einen unvergleichlichen Schönheits-Tupfer in dieser kargen Gegend boten, überraschten uns an allen Ecken und Enden. Vor allem sind das rote Steinbrech und der hellgelb schimmernde Polarmohn zu erwähnen. Etwas unangenehm war, dass offensichtlich Unmengen von Rentieren dieses fruchtbare Tal als Äs- und somit auch Toiletten-Platz ausgewählt hatten. Da die arktische Kälte alle Hinterlassenschaften gut konservierte, lagen überall auf den schönsten Tundra-Matten die Losungen von vielen Jahren herum, was uns lange nach einem geeigneten Zeltplatz suchen ließ.

Übernachtung im Bjørndalen. Mira spielt mir allem Herumliegenden
Übernachtung im Bjørndalen. Mira spielt mir allem Herumliegenden. Bild: Sonja Mende

Regen in der arktischen Wüste

Wir kamen an diesem Tag zwar sehr langsam voran, behindert durch ständiges Geröll, die Schwere der Rucksäcke einschließlich der ständig griffbereiten Waffen, die teils recht sumpfigen Gebiete, die durchwatet oder umgangen werden mussten, doch war uns das eher recht als unangenehm, denn wir bekamen die Schönheit dieses Tals erst durch die Langsamkeit richtig mit. Schließlich hatten wir kein festes Ziel und ausreichend Zeit.

Während des Tages verschlechterte sich das Wetter jedoch mehr und mehr. Hatten wir tags zuvor noch wolkenfreien Himmel genossen, so kam nun immer stärkerer, eiskalter Wind auf und brachte einen ziemlich unangenehmen Sprühregen mit sich, der sich manchmal wie Nadelstiche in die Haut einbrannte. Die Gegend gilt geographisch als “arktische Wüste” zählt, weil es selten Regen gibt, dennoch hatten wir das große “Glück” einen solchen zu erleben. Also Regenkleidung an, Tochter gut in den Winter-Anzug einpacken und schließlich das sturmsichere Röhrenzelt aufstellen. Als das Zelt schließlich stand, hörte auch der Regen fürs erste auf.

Miras Spielzeug

Peter kochte Essen auf dem Spiritus-Kocher, ich spielte mit Mira und der Natur. Man glaubt nicht, wie unsinnig jedes “Spielzeug” für Kinder hier erscheint, wo die tollsten Spielsachen einfach im Gelände herumliegen, vor allem all die Steine in verschiedensten Farben und Formen, die jedes einjährige Mädchenherz zu freudigen Äußerungen veranlasst, wenn man sie der Mama zuwerfen darf und sie wieder zurückzuwerfen versucht.

Wasserschwierigkeiten gibt es auf Spitzbergen nie, denn überall rauschen Schmelzwässer von den Berghängen herab. Allerdings sind diese oft durch ausgeschwemmten Schmirgel recht unansehnlich braun, was die Qualität aber nicht schmälert, das Wasser schmeckt dann eher wie recht mineralreiches Heilwasser.

Für die Nacht hätten wir eigentlich eine militärische Zelt-Alarmanlage gebraucht (Stolperdrähte mit selbstauslösenden Böllern), um vor eventuellen Eisbären-Begegnungen rechtzeitig gewarnt zu werden. Schließlich waren wir hier in völliger Wildnis und trotz noch relativer Nähe zur Siedlung absolut auf uns selbst gestellt. Mit rascher Hilfe in Notfällen war nicht zu rechnen, und die Anschaffung eines Iridium-Satelliten-Telefons war einfach zu teuer gewesen.

Auf das gewichtsintensive Zusatz-Gepäck der Alarmanlage hatten wir nun verzichtet und stattdessen beschlossen, abwechselnd in der Nacht zu wachen. Peter wachte zuerst, während ich bereits im Zelt meine Tochter stillte, die bereits nach wenigen Minuten einschlief und sich seelig neben mich in den Schlafsack kuschelte. Wie sehr doch kleine Kinder das Ungewöhnliche lieben!

Eisige Sturmböen und eine durchwachte Nacht

Landschaft des wunderbaren Bjørndalen, im Hintergrund die nahe Küste
Landschaft des wunderbaren Bjørndalen, im Hintergrund die nahe Küste. Bild: Sonja Mende
Allerdings wurde das Wetter immer schlechter, eisige Sturmböen brachten die Kälte ins Zelt, und trotz sehr guten Winterschlafsacks fror ich etwas, so konnte ich kaum ein Auge zudrücken, während Peter draußen seine Kreise zog und die vielen Rentiere und Vögel beobachtete, die von der nahen Küste kamen.
Gegen drei Uhr früh wollten wir wechseln, doch ich kam schon gegen 1.30 Uhr aus dem Zelt gekrochen und ließ Peter neben Mira in den Schlafsack schlüpfen, die ärgerlich über die nächtliche Störung knaunzte. Sie war warm und gut eingepackt. Sie fühlte sich pudelwohl! Dann setzte ich meinen Trapperhut auf, schulterte meine Büchse und fühlte mich tatsächlich ein wenig wie jene abenteuerlichen Fallensteller, die in Spitzbergen auch während der Polarnacht auf Jagd gehen und wohl dabei extremste Erfahrungen mit der Natur machen können.
Die tiefe Ruhe der Nachtstunden (es war ja die ganze Zeit taghell!) war sehr bereichernd. Da ich ja keinesfalls einschlafen durfte, setzte ich mich nicht hin, sondern wanderte ebenso meine Kreise um das Zelt herum, bewachte meine kleine Familie und amüsierte mich köstlich über Peters Schnarchen, das mit dem Möwen-Geschrei aus der Ferne eine schon mystisch zu nennende Geräuschkulisse ergab. Die Zeit verging, der Regen ließ nach, aber in den Morgenstunden klarte es auf und es wurde schneidend kalt, obwohl die Sonne durchkam.
Gegen 6 Uhr war ich hundemüde und weckte meinen Mann wieder auf, der verschlafen aus dem Zelt kam, aber durch die Sonnenstrahlen inspiriert sofort leuchtende Augen hatte. Ich schlief, zwar angestrengt, aber doch mit einem sehr wohltuenden Gefühl ein, denn immerhin hatte ich etwas geschafft, was die wenigsten jungen Mütter sich zutrauen, ein arktisches Trekking auf eigene Faust mit Kleinkind.
Wir gingen dann eher als ursprünglich geplant zurück, aus Sicherheitsgründen, gelangten also nicht an die Küste auf der anderen Seite des Bergrückens, denn das Wetter brachte im späteren Verlauf sogar eisigen Sturm und Schnee in den oberen Lagen mit sich. Der Erfahrungswert – gerade dieser Tour – war jedoch enorm.

Mein Fazit

Ohne Zeitdruck gerade soweit zu kommen, wie es die Situation (mit Baby) zulässt, wie es das Wetter und die eigenen Kräfte erlauben, wie es die landschaftlichen Verhältnisse gestatten, das ist eine Art des Rucksack-Reisens, die mich die Umgebung äußerst intensiv erleben ließ und mich teilweise völlig in diesen gigantischen Weiten der Arktis aufgehen ließen.

Man muß sich in Spitzbergen als Alleinreisende also nicht an eine Reise-Gruppe anschließen, die für teures, sehr teures Geld von den ansässigen Agenturen per Boot in entfernte Winkel des Archipels gebracht wird, um dort auf übliche touristische Weise ein paar Fotos zu schießen und dann wieder heim ins Hotel geschippert zu werden. Nein, man kann die Herausforderungen der Natur durchaus selbst angehen, wenn man/frau sich eingehend vorbereitet und mit den zu erwartenden Gefahren auseinandersetzt.

“Wer einmal auf Svalbard gewesen war, der kommt als völlig veränderter Mensch zurück!”

Ich bin überzeugt, dass dies nicht unsere letzte Spitzbergen-Reise gewesen ist. Die Inselgruppe ist riesig groß – und wir haben vorort sehr viel Erkundigungen eingeholt, was das nächste Mal alles zu erleben sein wird. Es gibt ein Sprichwort hier: “Wer einmal auf Svalbard gewesen war, der kommt als völlig veränderter Mensch zurück!” Ich kann diesem Satz nichts hinzufügen. Er ist einfach wahr. Die Arktis hat einen tiefen Eindruck in meiner Seele hinterlassen!

Ich wünsche besonders den Frauen unter den Lesern dieses Artikels, und ganz besonders der Müttern, die sich immer in der Bewegungsfreiheit eingeschränkt fühlen, dass sie den Mut aufbringen, zu einer Tour wie dieser einfach JA zu sagen. Ihr werdet sehen: Es geht auch mit Baby, wenn man nur wirklich will!!

Mira streichelt einen Eisbär.(Hier handelt es sich aber um eine Fotomontage, der Bär stand ausgestopft im Sysselmannskontor)
Mira streichelt einen Eisbär.(Hier handelt es sich aber um eine Fotomontage, der Bär stand ausgestopft im Sysselmannskontor). Bild: Sonja Mende

Über die Autorin

Sonja Mende, geb. 1966 in Selb, Oberfranken, Heilpraktikerin und Gesangsinterpretin auf mehreren meditativen CDs, z.B. “Wings of Love”, “Excalibur”, “The Elements in You”, “Tai Chi Flute Trances” und einige mehr.

Zusammen mit H. P. Neuber gibt sie Konzerte im caritativen Bereich in Deutschland und Norwegen. Die beiden Musiker haben im deutschsprachigen Raum insgesamt zirka 80 CDs bei verschiedenen Labels veröffentlicht, dazu einige mystische Romane für Kinder und Erwachsene.

Interessenten wenden sich bitte an die “Michaels-Verlags-Auslieferung”, Peiting, an den “Kreuz-Verlag”, Stuttgart oder an “Weton-Wesgram”, Oud-Beijerland, Niederlande, und fragen jeweils nach Büchern und CDs von NEUE DIMENSION (bei Michaels) von HANS PETER NEUBER (bei Kreuz-Verlag) und nach PARZZIVAL-Records (bei Weton-Wesgram). Viele der Natur-Eindrücke der beiden Musiker sind auf diesen CDs musikalisch manifestiert.

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