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Atlético ermauert das Finale

Klar, jedes Mittel ist erlaubt und der Sieger hat immer Recht. Und wäre Atlético Madrid ein Underdog wie Leicester, man könnte sich auch nach einer Abwehrschlacht wie dieser mit ihnen freuen. Wenn aber eine Mannschaft mit geschätzten Schulden von 300 Millionen Euro und allein zwei Spielern, Antoine Griezmann und Koke mit einem Marktwert von über 100 Millionen, fast 90 Minuten mauert und davon 20 Minuten auf Zeit spielt, ist das nicht gerade eine Fiesta.

Bonjour tristesse: Arturo Vidal, Thomas Müller und David Alaba schleichen bedröppelt vom Platz.
Vom Pechvogel zum Strahlemann: Madrids Jose Maria Gimenez jubelt nach dem Spiel. Erst fälschte der südamerikanische Jungstar Alonsos Freistoß zum 0:1 unhaltbar ab. Dann verursachte er einen Elfer – und trotzdem reichte es für Atlético.

München – Er hatte keinen Bock, aber er kam trotzdem, gibt der traurige Held des Spiels unumwunden zu und muss das erste und einzige Mal an diesem Abend grinsen. „Der Fußball ist manchmal richtig … gemein ja, unfair kann man nicht sagen“, ringt Thomas Müller nach Worten. Mit seinem verschossenen Elfmeter hätte er das 2:0 noch in der ersten Hälfte machen und damit die Vorentscheidung erzwingen können. „Wir haben Madrid 90 Minuten klar beherrscht. Wir verschießen einen Elfmeter, das tut natürlich weh.“

Schlechtes Gewissen? Du meine Güte: „Man stellt sich dem Druck, beim Fußball kann’s passieren, dass er reingeht oder eben nicht reingeht, aber natürlich bin ich enttäuscht.“ Der Stachel sitze schon sehr tief. „Ich finde heute nicht so viele Worte, wir haben das gemacht, was wir uns vorgenommen haben, hatten auch nach dem 2:1 noch ein paar Situationen.“ Den Bayern-Bezwinger zu loben, fällt ihn heute schwer: „Heute war es eigentlich nicht so, dass das Konzept der Madrider aufgegangen ist. Es gewinnt nicht immer die bessere Mannschaft.“ Man könne sich nicht viel vorwerfen: „Wir haben zwei Fehler gemacht. Es ist ein anderes Ausscheiden als im letzten Jahr.“

Boateng: „Wir müssen uns vorwerfen lassen,
dass wir das Tor in Madrid nicht gemacht haben“

Einer, der auch einen Elfer verschossen hat, nach einem Foul außerhalb des Strafraums, lobt die Bayern trotz des eigenen Erfolgs: „Die erste Hälfte waren wir desorientiert“, gibt Torres zu, „die zweite war viel besser, wir haben ihr Spiel etwas erschwert. Das Tor hat uns mehr Ruhe gegeben. Aber es ist eine sehr, sehr schwierige Mannschaft.“

„Wir waren die bessere Mannschaft“, grummelt Boateng, der mit seiner Spieleröffnung den Konter zum 1:1 schuldlos eingeleitet hatte, „wir haben viele Chancen erarbeitet, hatten Chancen auf vier Tore. Wir müssen uns vorwerfen lassen, dass wir das Tor in Madrid nicht gemacht haben.“

Pep: „Ein Tor hat gefehlt“
Kühl, aber ein bisschen schmollend kommentiert Pep Guardiola sein letztes Championsleague-Spiel mit den Bayern: “Das ist nun mal der Fußball, du kannst das Beste geben und trotzdem verlieren“, weiß der Katalane. „In der zweiten Hälfte in Madrid und jetzt hier – es tut mir sehr, sehr leid für die Spieler, sie hätten es verdient.“ Woran hat’s gelegen? „Ein Tor hat gefehlt.“ Man habe nicht viel falsch gemacht. „Wir haben das Spiel gespielt, das wir spielen wollten, aber es hat eben nicht gereicht. Es ist letzten Endes egal, ob man besser spielt, das Ergebnis zählt.“

Gibt es der kleine Startrainer nun zu, dass er enttäuscht ist, das ersehnte Triple in München verpasst zu haben? Weit gefehlt: „Ich war sehr glücklich hier, die Bilanz machen Sie, die Öffentlichkeit“, tut er so, al ginge ihn das alles gar nichts an. „Wenn ich den Spielern irgendwas hinterlassen habe, bin ich glücklich.“ Gegen ein paar Pokale mehr, hätten wohl auch die Spieler nichts gehabt. Dreimal gegen spanische Mannschaften, die er kennt, im Halbfinale auszuscheiden, ist kein Meisterstück – das Finale 2016 hat er mit der Aufstellung in der vergangenen Woche vergeigt. Das zuzugeben, würde diesen Trainer ein Stück größer machen.

Ausgerechnet Müller: Pechvogel statt Held
Thomas Müller schlug nach seiner Schlüsselszene sauer auf den Rasen, Pep Guardiola schaute mit weitaufgerissenen Augen von der Bank aus zu. Der verschossene Foulelfmeter schmeckte den Bayern nach dem verpassten Endspiel in der Champions League besonders bitter.

Elfer gehalten, trotzdem ausgeschieden: Bayerns Torwart Manuel Neuer zieht nach dem Spiel sein Trikot aus.

Statt mit beim 2:1 (1:0) im Halbfinal-Rückspiel gegen Atlético Madrid für die frühe wie beruhigende 2:0-Führung zu sorgen, ebnete der Fehlschuss des Weltmeisters gegen Madrids Keeper Jan Oblak in der 34. Minute im Champions-League-Krimi den Weg der Spanier ins Finale. Denn erst nach dem Ausgleich von Antoine Griezmann (54.) schlug Robert Lewandowski (74.) zurück. Der Strafstoß hätte dem Spiel eine ganz andere Entwicklung geben können.

Dritter Fehlschuss im zehnten Versuch
Müllers dritter Fehlschuss beim zehnten Versuch vom Punkt in der Königsklasse war der schwerwiegendste. Und das vom Spezialisten für die entscheidenden und nervenaufreibenden Duelle, denn in K.o.-Spielen trafen Cristiano Ronaldo (44) und Lionel Messi (36) öfter als Müller (18).

Schoss den Freistoß zum 1:0: Xabi Alonso nach seiner vielleicht letzten Chance, die Championsleague zu gewinnen.

Ausgerechnet Müller! Die nach dem Hinspiel so heiß diskutierte Personalie sorgte am Dienstagabend für ein großes Thema. Anders als in Madrid vertraute Guardiola im Rückspiel den Bayern-Lieblingen. Im Gegensatz zur mit 0:1 verlorenen Partie vor einer Woche beförderte er neben Müller auch Franck Ribéry in die Startelf, wagte in der Defensive die Aufstellung des zuvor erst einmal nach über drei Monaten Wettkampfpause eingesetzten Jérôme Boateng.

Wie Messi für Barcelona
«Müller ist für Bayern wie Messi für Barcelona», hob der frühere Münchner Trainer Ottmar Hitzfeld die Bedeutung des WM-Torschützenkönigs von 2010 schon nach dem Hinspiel hervor. Aber man habe das Hinspiel nicht verloren, weil Müller nicht gespielt hätte, betonte Guardiola noch am Vorabend seines siebten Halbfinales in der Champions League. Beim Versuch, sein drittes Endspiel zu erreichen, spielte Guardiola in der Schlussphase an der Seitenlinie voller Leidenschaft fast schon mit.

Da lebte er den Fußball, den er so sehr liebt. Ganz im Gegensatz zu den immer wiederkehrenden Diskussionen um nicht die berücksichtigten Spieler. Die vielen Nachfragen und Rechtfertigungen nervten Guardiola nahezu ständig in seinen nunmehr fast drei Jahren in München. Schon beim 0:1 im Halbfinal-Hinspiel 2014 bei Real Madrid hatte Guardiola bis zur 74. Minute auf Müller verzichtet und Kritik abbekommen. Im Halbfinale 2015 in Barcelona wechselte er den Angreifer im Hinspiel beim Stand von 0:1 aus; das Spiel endete 0:3 – und wieder wurde auch gemäkelt.

Die letzte Patrone trifft nicht
Kurz vor Ende seiner Amtszeit in München traf Josep «Pep» Guardiola nun mit seiner «letzte Patrone», wie er es genannt hatte, nicht. Prägend ist die Zeit des 45-Jährigen in München trotz des verpassten Königsklassen-Triumphs, auch wenn die Bayern-Biographie des Katalanens vom dreimaligen Scheitern im Halbfinale gegen spanische Teams bestimmt sein wird.

Knapp 24 Stunden vor seinem «letzten Champions-League-Spiel hier in München» hatte Guardiola schon eine ganze Menge bilanzierende Sätze über seine Amtszeit beim Mia-san-Mia-Club gesagt. «Ich wurde hier wirklich immer sehr gut behandelt. In Deutschland wird ein bisschen anders Fußball gespielt, ich habe versucht, ein paar Dinge zu verändern, das ist natürlich nicht einfach. Ich habe hier aber auch viel gelernt, was mir in meiner weiteren Karriere helfen wird», schilderte Guardiola. Am Ende konnte er nur Madrids Coach Diego Simeone gratulieren.

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