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Wie Schengen einst gedacht war

Reisen ist für viele Europäer eigentlich ein Kinderspiel. Grenze? Schon drüber weg. Zu verdanken ist das dem Schengen-Raum, dem die meisten Länder Europas angehören. Doch in der Flüchtlingskrise setzen immer mehr Staaten wieder auf Kontrollen.

Amsterdam (dpa) – Der Flüchtlingszustrom stellt die Solidarität der EU-Staaten auf eine harte Probe. Schuldzuweisungen hört man immer wieder, auch in Richtung Griechenland. Athen tue nicht genug für den Grenzschutz, heißt es – und die griechische Regierung verteidigt sich. Werden die vorübergehenden Grenzkontrollen von Ländern wie Deutschland nun noch viel länger dauern?

Der luxemburgische Ort ist zum Synonym für ein Europa ohne Grenzkontrollen geworden. Dort unterzeichneten 1985 die Regierungschefs von Deutschland, Frankreich und den Benelux-Staaten ein Abkommen, das Wartezeiten vor Schlagbäumen zwischen den EU-Mitgliedsstaaten verhindern sollte.

Welche Regeln gelten für die Reisefreiheit im Schengen-Raum?

Grundsätzlich können die Bürger in den 26 Ländern des Schengen-Raums ohne Grenzkontrollen reisen. Mit dabei sind die meisten Staaten der Europäischen Union sowie Norwegen, Island, die Schweiz und Liechtenstein. Kontrollen soll es nur in Ausnahmefällen geben, in der Vergangenheit etwa bei einer Fußball-WM oder einem G7-Gipfel.

Welche Ausnahmen gibt es?

Einschränkungen der Reisefreiheit sind nach dem Schengener Grenzkodex möglich, wenn «die öffentliche Ordnung oder innere Sicherheit» in einem Mitgliedstaat ernstlich in Gefahr ist. Verlängerungen sind möglich, aber insgesamt dürfen solche Kontrollen nach Angaben der EU-Kommission nach den Artikeln 24 und 25 höchstens acht Monate dauern.

Was muss im Mai entschieden werden?

Deutschlands kann seine Grenzen aktuell bis zum 13. Februar kontrollieren. Dann ist eine weitere Verlängerung um drei Monate möglich. Danach allerdings steht eine Grundsatzentscheidung an. Nur wenn das «Funktionieren» des Schengen-Raums gefährdet ist, sind längerfristige Grenzkontrollen für bis zu zwei Jahre möglich. Das regelt Artikel 26 des Schengener Kodexes. Die EU-Kommission wurde nun beauftragt, die «rechtliche und praktische Grundlage» für die Verlängerung der Kontrollen vorzubereiten.

Welche Länder kontrollieren ihre Grenzen wieder?

Sechs Staaten schicken derzeit wieder die Grenzschützer vor. Deutschland gehört dazu, ebenso Österreich, Schweden, Frankreich, Norwegen und Dänemark. Andere Länder wie Malta, Ungarn oder Slowenien kontrollierten im vergangenen Jahr ebenfalls kurzzeitig ihre Grenzen.

Hier und da wird Griechenland mit einem Ausschluss aus der Schengen-Zone gedroht. Geht das?

Nach Angaben der EU-Kommission ist die Antwort ein klares Nein. «Wir haben niemals über eine Aussetzung Schengens gesprochen noch über einen Ausschluss eines Mitglieds von Schengen gesprochen», sagt eine Sprecherin. «Beide Möglichkeiten gibt es nach den aktuellen Regeln nicht.» Übrigens hat Griechenland gar keine Landgrenze zu einem anderen Schengen-Staat – Flugreisende profitieren allerdings von der Mitgliedschaft im Schengen-Raum.

Tut Griechenland denn genug beim Grenzschutz?

Für Österreichs Innenministerin Johanna Mikl-Leitner lautet die Antwort klar: Nein. Es sei ein «Mythos», dass die griechische Küstenwache die Seegrenze nicht sichern könne. Die Athener Regierung sieht das anders. Der stellvertretende Minister für Bürgerschutz, Nikos Toskas, erinnert daran, dass manche griechische Insel nur ein paar Kilometer vor der türkischen Küste entfernt liegt. «Es ist sehr schwer, die Boote von der anderen Seite (…) zu stoppen, es sei denn, wir versenken sie oder schießen auf sie, was gegen unsere europäischen Werte wie unsere griechischen Werte ist. Das tun wir nicht.»

Rückendeckung bekommt Athen von Frontex-Sprecherin Ewa Moncure. Ihr sei «aktuell keine Möglichkeit bekannt», wie man Flüchtlinge in der Ägäis davon abhalten könne, nach Griechenland zu kommen, sagte sie der österreichischen Nachrichtenagentur APA. Sie erinnerte daran, dass Migranten nach internationalem Völkerrecht nicht einfach zurückgeschickt werden dürfen, sondern Anspruch auf ein Asylverfahren haben. «Auf See können wir nur Such- und Rettungsmissionen durchführen, für das Asylverfahren müssen wir die Migranten an Land bringen.»

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