Saint-Denis (dpa) – „Wir haben das Spiel kontrolliert“, findet Polens Trainer Adam Nawa?ka, „es gab Momente, in denen die deutsche Mannschaft die Initiative ergriff, aber nur, weil wir das wollten, damit wir unsere Konter setzen konnten. Ich bin wirklich zufrieden mit dem Spiel.“
„Ich denke insgesamt ist das Unentschieden gerecht, in der Defensive haben wir gut gespielt, aber im letzten Drittel haben wir wenige Lösungen gefunden. Ich glaube wir müssen jetzt mit dem einen Punkt mal leben.“ Es habe zwar einige Chancen für Polen gegeben, aber dennoch habe Manuel Neuer keinen Ball halten müssen. Wir haben halt wenige Chancen rausgespielt. Polen hat das gut gemacht. Wir haben häufig auch etwas abgebrochen, wen wir hätten können schnell durchbrechen.“ Viel sei über links gelaufen, weil Benedikt Höwedes rechts eher defensiv orientiert sei. Aber auch wenn Nordirland nach dem Sieg die deutsche Mannschaft in arge Bedrängnis können kann: „Wir werden uns qualifizieren.“
„Die haben mehr Ballbesitz, aber wir hatten mehr klare Situationen als Deutschland“, findet Robert Lewandowski. „In der Gruppenphase ist es das Wichtigste, das wir beide weiter kommen.“ – „Wir hatten unsere Chancen, leider haben wir keine genutzt“, sagt Jakub Blaschikowski, „aber man muss auch sehen, dass die deutsche Mannschaft das Spiel kontrolliert hat.“ Erreicht habe man noch gar nichts, es stehe noch das letzte Spiel gegen die Ukraine aus.
Sonst kommen wir nicht weit
„Wir müssen mal zum Abschluss kommen, spielen im ersten Drittel ganz gut, kommen nicht am Gegner vorbei, das müssen wir ändern, sonst kommen wir nicht weit“, orakelt Jérôme Boateng. „Wir haben kein 1:1-Duell gewonnen nach vorne, wir können froh sein, dass wir 0:0 gespielt haben.“ Dass Deutschland in einigen Situationen Glück hatte, dem schließt sich auch Manuel Neuer an. „Aber wir treffen bald auf Mannschaften, die uns mehr Räume geben.“
„Klare Torchancen herauszuspielen, davon hatten wir zwei drei zu wenig“, kritisiert Toni Kroos, „die Bälle waren zu einfach weg, zu viele technische Fälle.“ – „Ich finde, dass wir es nicht geschafft haben, das Spiel zu kontrollieren, das ist sonst unsere Stärke“, fasst Mats Hummels das Geschehen zusammen. „Polen ist ein schwerer Gegner, nichtsdestotrotz müssen wir eine Schippe drauflegen.“
Gruppensieg-Anlauf zweiter Teil
Sieben Monate nach der Terrornacht von Paris trennte sich die deutsche Fußball-Nationalmannschaft bei der Rückkehr ins Stade de France vom Dauerrivalen Polen 0:0. Den angepeilten Gruppensieg kann das Team von Bundestrainer Joachim Löw nun erst am Dienstag im Pariser Prinzenpark gegen Nordirland klarmachen. Mit Hilfe anderer Teams kann der Sprung in die K.o.-Phase aber schon vorher perfekt sein – der neue EM-Modus macht es möglich.
Für die deutsche Mannschaft, bei der Mats Hummels ein erfolgreiches Comeback gab, war es eine spezielle Rückkehr ins Stade de France. Dort hatte sie am 13. November vergangenen Jahres die schlimmen Terroranschläge von Paris hautnah miterlebt hatte. Entsprechend hoch war das Sicherheitsaufkommen im Risikospiel. 1200 Ordner und mehrere tausend Polizisten waren im Einsatz, die gefürchteten Ausschreitungen waren bis zum Anpfiff ausgeblieben.
Defensive gestärkt
Auf dem Rasen spielte das vor 73 648 Zuschauern keine Rolle. «Polen ist die stärkste Kontermannschaft, die ich in den letzten zwei Jahren gesehen habe. Wir müssen besser strukturiert sein als gegen die Ukraine», hatte Löw gefordert. Und seine Mannschaft setzte die Marschroute um. Druckvoll und dominant agierte die mit zehn Weltmeistern angetretene DFB-Auswahl, durch schnelle Balleroberungen wurden die Polen in die eigene Hälfte zurückgedrängt. Allerdings fehlte oftmals der geniale Moment, um das polnische Bollwerk auszuhebeln. So gab es bereits zum achten Mal in den letzten zehn großen Turnieren kein Sieg im zweiten Spiel.
Die Defensive präsentierte sich unterdessen deutlich gefestigter im Vergleich zum vor allem in der ersten Halbzeit orientierungslosen Auftritt gegen die Ukraine (2:0). Hummels kehrte dabei erwartungsgemäß für Shkodran Mustafi 26 Tage nach seinem Muskelfaserriss in der Wade zurück ins Team. Der 27-Jährige benötigte einige Minuten, um wieder in den Wettkampfrhythmus zu kommen. Erst verlor er einen Zweikampf gegen seinen zukünftigen Bayern-Kollegen Robert Lewandowski. Dann foulte er den polnischen Superstar. Später kämpfte sich der Weltmeister aber in die Partie, stand gut und blockte mehrmals erfolgreich die Konterversuche des extrem tiefstehenden Kontrahenten ab.
Guter Beginn der Deutschen
In der ersten Halbzeit erarbeitete sich die deutsche Mannschaft ein deutliches Übergewicht. Der Unterhaltungswert des Spiels war aber gering. Ein Kopfball von Mario Götze (4.), der als sogenannte «falsche Neun» wieder den Vorzug vor Mario Gomez erhielt, und ein Schuss von Hector (6.) waren die ersten Annäherungsversuche. Gefährlicher wurde es in der 16. Minute bei einer Großchance des omnipräsenten Toni Kroos, nachdem sich Thomas Müller stark gegen den Dortmunder Lukasz Piszczek durchgesetzt hatte. Nur knapp verfehlte der Mittelfeldchef das Tor.
Es fehlte allerdings die nötige Konsequenz und auch mitunter die Ideen gegen eine dicht gestaffelte polnische Mannschaft. Auch weil Mesut Özil, der zum 75. Mal für Deutschland auflief, und Götze wieder einen schweren Stand hatten. Auf der Gegenseite geriet das Tor von Manuel Neuer, der erneut Bastian Schweinsteiger als Kapitän vertrat, nicht einmal in der ersten Halbzeit in Gefahr.
Schrecksekunde Sekunden nach Wiederanpfiff
Das änderte sich schon nach 22 Sekunden in der zweiten Halbzeit. Nach einer Hereingabe von Kamil Grosicki musste Arkadiusz Milik den Ball nur noch über die Linie drücken, doch der Ex-Bundesligaprofi verfehlte den Ball nur knapp mit dem Kopf. Der Angreifer hatte Deutschland schon beim 2:0 der Polen in der EM-Qualifikation im Oktober 2014 mit seinem Führungstor geärgert.
Die deutsche Mannschaft antwortete auf die Schrecksekunde mit einer eigen Chance. Nach feinem Zuspiel von Kroos schießt Götze aber genau auf Torhüter Lukasz Fabianski, der den verletzten Wojciech Szczesny vertrat (47.). Löw hatte im zweiten Durchgang seine Offensive umgestellt und Müller nach vorne beordert. Es entwickelte sich ein offeneres Spiel, in dem die Polen gefährlich blieben. So musste Abwehrchef Jérôme Boateng gegen Lewandowski in höchster Not klären (59.), auch Milik ließ eine weitere Gelegenheit liegen (68.). Für Deutschland vergab Özil eine Großchance von der Strafraumgrenze (69.).