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Polens Elfer entscheiden

Urs ist am Boden: Bernhardiner-starke 45 Minuten, ein Geniestreich von Xherdan Shaqiri plus Powerplay in der Verlängerung reichen nicht, um die Polen niederzuringen – obwohl man Supergwiazd? Robert Lewandowski als Totalausfall bezeichnen muss. Vielleicht sollte Lewa weniger Helikopter fliegen und stattdessen mehr Emotionen in seine jeweilige Mannschaft investieren. Sei’s drum: Fünf coole Elfmeterschützen sichern Polen den Einzug ins Viertelfinale – Unglücksrabe Granit Xhaka verballert.

Xherdan Shaqiri artistisches 1:1.

„Diese Art von Spielen motiviert ungemein“, stimmt sich Grzegorz Krychowiak auf das Spiel ein, der in der 29. Minute eine Ecke frei in den Himmel köpft, „das ist wie ein Finale.“ Mal schauen. Immerhin, bei einem Sieg über die Schweiz würden die Polen bis zum Finale den Favoriten Frankreich, Weltmeister Deutschland, Spanien, Italien oder England aus dem Weg gehen.

Der nicht unumstrittene Schweizer Trainer Vladimir Petkovic – manchem Schwytzer schwytzelt er zu wenig.


Resümee der Keeper
Fast sprachlos, der Schweizer Trainer Vladimir Petkovic: „Ein bisschen war die Nervosität am Anfang zu groß, aber dann haben wir uns gefunden und gut gespielt.“ Trotz der Enttäuschung zieht er eine positive Bilanz: „Wir können daraus lernen“, sagt der Coach, der im Laufe der EM sogar bei den so genannten Deutsch-sprachigen Schweizern Sympathiepunkte sammeln konnte.
„Wir sind draußen und sehr enttäuscht“, sagt der Schütze des Tores des Turniers, „du kannst noch so ein schönes Tor schießen, wenn du draußen bist, bringt dir das auch nicht mehr viel“, bringt es Xherdan Shaqiri auf den Punkt.

„Bitträ fir uns“, sagt Schwytz-Keeper Jan Sommer. „Die Mannschaft hätte es verdient gehabt, den Schritt zu machen.“ Zu Beginn sei man vielleicht etwas zu ängstlich gewesen, dann aber habe man bis zum Schluss gefightet. „Sehr bitter.“
„Was für ein enges Spiel, was für ein Kampf, sie haben uns alles abverlangt, Robert Lewandowski hat uns sehr gut geführt“, überrascht Polens Keeper Lukasz Fabianski mit einer feinen Beobachtungsgabe.

Mit dem Anpfiff fast polnische Führung
Dumme Ideen der Neuzeit, witzeln die elf Freunde – Alternative für Deutschland, da stimmen wir zu, und bei der EM die Sekunden bis zum Anpfiff runterzählen. Ach kommt, macht doch Spaß! Dennoch, gleich die große Chance für Polen: Djourous Rückpass zu kurz für Sommer, der Keeper klärt vor Lewandowski, den Abpraller zirkelt Milik aus 16 Metern übers leere Tor (2.).

Schweiz spielt wie Albanien beim Schweizer Auftakt – die Roten stellen sich hinten rein und warten mehr schlecht als recht ab. Lewandowski holt sich links außen die Kugel von Lichtsteiner,Schär blockt den Schuss aus spitzem Winkel (6.). Kuba, sprich Blaszczykowski sucht Lewandowski auf der linken Seite, der polnische Goalgetter ballert aus 20 Metern unkontrolliert drauf (14.).

Regensburger Eckenvariante
Blaszczykowski holt auf seiner rechten Seite die erste Ecke: Interessante Variante, die man auch in Regensburg kennt – Grüße an Heiko Herrlich – Milik kurz auf Blaszczykowski, der serviert auf die Strafraumecke, aber Milik hat kein Maß, der Ball in den Himmerel, weiß der da oben, warum Schiri Mark Clattenburg (England) da eine Ecke entdeckt hat (19.).

Krzysztof Maczynski (Mitte) klärt die Situation.

Gut, auch die Eidgenossen bringen sich ab und an ins Spiel ein: Mehmedi erkämpftüber links die erste Ecke, Dzemaili puscht das Kunstleder leicht bedrängt aus sechs Metern übers Gehäuse (23.). und kaum eine Viertelstunde später schon die zweite Ecke – wieder Rodriguez von links, Schär köpft aus acht Metern zu Fabianski zurück (36.).
Schweizer möchten mitspielen

Kuba tunnelt Sommer
Und gerade als sich die Schweizer durchzuringen scheinen, an diesem Spiel aktiv teilzunehmen, spielen die Polen ihre eigentliche, die Konterstärke aus: Sie schnappen sich die nächste Schweizer Ecke, Grosicki, dessen Solos noch sehr gequält wirken, läuft durch mehrere polnische Abwehrreihen, flankt auf den zweiten Pfosten, den die Roten gleich mal ganz aufgegeben haben, Kuba steht da, hat Zeit, sich am Kinnbart zu kratzen und durch Sommers gespreizten Beine einzuschieben, 1:0 (38.).

Die Schweiz hat sich vorgenommen, das neutrale Fähnchen in der zweiten Hälfte höher zu halten: Shaqiri nimmt sich den Appell seiner Landsleute zu Herzen, mit seiner talentierten Mini-Bodybuilder-Statur mehr Druck auszuüben – seinen 20 Meter-Baller boxt Fabianski vorsichtshalber weg (51.).

Milik mal wieder umständlich
Weshalb Milik bei allen Kommentaren so gut wegkommt, man weiß es nicht: Mit seinen behäbigen, umständlichen Aktionen ist er bislang Garant für die gegnerische Mannschaft, nicht allzu sehr in Rückstand zu geraten – Lewandowski kontert über rechts, zugegeben, auch nicht gerade wie der Blitz, flankt auf den zweiten Pfosten, Milik verhaspelt den Rest (53.).

Der Schweizer Sportsfreund Schär grätscht Lewa um, die fällige Gelbe würde ihn fürs Viertelfinale aussperren (55.). So, jetzt das Ganze mal andersrum: Artur Jedrzejczyk hält gegen Lichtsteiner den Fuß drauf und wir ebenfalls Gelb geblendet (58.). Nach Foul an Lichtsteiner Freistoß in bester Rodriguez-Position – etwa 25 Meter vor dem Kasten: Der zirkelt ihn aufs rechts Torkreuz, Fabianski hebt die Kugel über die Latte (72.).

Shaqiris Kunstflugtor
Inzwischen eine Art Biedermeier-Powerplay der Schweiz: Nach Shaqiris Freistoß legt Xhaka für Djourou auf, sein Schuss wird geblockt, Seferovic knallt den Abpraller aus 14 Metern an die Latte (78.). Und das ist jetzt verdient, weil Polen außer lahmen Ansätzen und Zeitspiel nicht mehr viel auf der Pfanne hat: Rodriguez-Flanke auf die Strafraumkante, Shaqiri mit Sensations-Seitfallrückzieher unhaltbar für Fabianski ins rechte Toreck (82.).

Xherdan Shaqiri artistisches 1:1.

So, nach 95 Minuten ist erstmal Schluss – die Schweizer haben sich den Nachschlag redlich verdient, allein schon wegen Shaqiris Geniestreich. Zum Zuschauen ist diese Verlängerung erstmal kein Genuss: Polen beschränkt sich weiterhin aufs Abwarten und weder Lewandowski, noch Grosicki, geschweige denn Milik machen Anstalten hier ein Solo einzuspielen. Die Folge: 15 Minuten ohne nennenswerte Torraumszenen.

Das Elfer-Roulette muss entscheidem
Auch das vierte Viertelchen gehört dem Alpenvölkchen mit starker albanischer Unterstützung: Shaqiri hier, Shaqiri da, Shaqiri überall – auf Seferovic, der verlängert, doch Fehlanzeige am zweiten Pfosten. Klasse Flanke natürlich von Shaqiri aus dem rechten Halbfeld auf Derdiyok, Fabianski pariert dessen Köpfer aus 6 Metern (113.).

Und nochmal muss Derdiyok das Spiel abkürzen: Zweimal kann er Seferovics Flanke aus drei Metern nicht verarbeiten (118.). Und deshalb jetzt das Elfer-Roulette.

  • Liechtensteiner in die Mitte, 1:0
  • Lewandowski ins rechte Kreuz, 1:1
  • Xhaka Richtung Eckfahne, 1:1
  • Milik rechts auf Sommers Fäuste, von dort ins Netz, 1:2
  • Shaqiri locker rechts unten, 2:2
  • Glik ins linke Eck, 2:3
  • Schär mit einem Heber rechts halbhoch, 3:3
  • Kuba ohne Nerven, verlädt Sommer, halbhoch rechts, 3:4
  • Rodriguez cool links unten, 4:4
  • Krychowiak nagelt den Entscheidungstreffer ins Kreuz, 4:5 …

Summa summarum: Die Polen gewinnen nach starker erster Halbzeit und starken Elfmetern insgesamt schmeichelhaft mit 6:5.

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