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Kritik an EU-Flüchtlingspolitik

FDP-Chef Christian Lindner fordert, bei der Verteilung von Flüchtlingen innerhalb der EU mehr Rücksicht auf die Befindlichkeiten der osteuropäischen Staaten zu nehmen. «Die westeuropäischen Länder haben mehr Erfahrung und mehr Bereitschaft mit der Aufnahme von Menschen aus anderen Kulturen und mit anderen Religionen», sagte Lindner der Deutschen Presse-Agentur. Die osteuropäischen Länder seien über Jahrzehnte geschlossene Gesellschaften hinter dem Eisernen Vorhang gewesen. «Wir sollten sie also nicht überfordern mit unseren liberalen, westlichen, bunten Lebensmodellen.»

Erneut setzt sich der FDP-Chef in der EU-Flüchtlingspolitik von der Kanzlerin ab. Man dürfe die osteuropäischen Länder bei der Flüchtlingsverteilung nicht überlasten, mahnt Lindner.

Berlin (dpa) – EU-Ratspräsident Donald Tusk hatte vor Beginn des jüngsten EU-Gipfels die verpflichtende Umverteilung von Flüchtlingen in Frage gestellt und damit Protest der EU-Kommission und einiger Mitgliedsländer ausgelöst, darunter Deutschland. Er bestritt, im Sinne seines Heimatlands Polen und anderer östlicher Länder zu handeln, die sich gegen die Umverteilung wehren. Vielmehr appellierte Tusk an Polen, sich in der EU solidarischer zu verhalten.

Carsten Schneider (l-r, SPD), Erster Parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, Kerstin Andreae (Bündnis 90/Die Grünen), Daniel Günther (CDU), Ministerpräsident von Schleswig-Holstein, Moderator Sven Afhüppe, Chefredakteur Handelsblatt, Alexander Dobrindt (CSU), Vorsitzender der CSU-Landesgruppe im Deutschen Bundestag, und Christian Lindner, Bundesvorsitzender der Freien Demokratischen Partei (FDP), diskutieren am 29.11.2017 beim Deutschen Arbeitgebertag der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) in Berlin.

Lindner sagte der dpa, grundsätzlich benötige die EU «einen neuen Ansatz, eine differenzierte Betrachtungsweise: Die einen nehmen auf, die anderen leisten größere Beiträge bei der Kontrolle der Außengrenze.» Polen, Tschechien, Slowakei und Ungarn hatten kurz vor dem EU-Gipfel rund 35 Millionen Euro für ein von Italien geleitetes Projekt zur Grenzsicherung in Zusammenarbeit mit Libyen versprochen, das Flüchtlinge aus Afrika auf dem Weg nach Europa aufhalten soll.

Ob diese Mittel ausreichten, könne man noch nicht abschließend beantworten, sagte Lindner. Dringend nötig sei jedenfalls, die Außengrenzen mehr als bisher zu kontrollieren. Dazu sei wiederum wesentlich mehr Personal erforderlich. Lindner geht von einer Aufstockung von mindestens 15 000 Menschen aus. Zudem sei mehr und bessere Technik sowie eine bessere Organisation nötig. Das sei «ein Kraftakt, der über die aktuellen Mittelansätze hinaus reichen wird».

Der FDP-Chef unterstrich: «Nach meiner Überzeugung sollte der Schutz der Außengrenzen über eine eigene, mit hoheitlichen Befugnissen ausgestattete Behörde laufen und nicht über eine Agentur, die letztlich weisungsgebunden ist.» Das wäre eine echte, neue europäische Gemeinsamkeit.

Gerade Deutschland habe in der Flüchtlingspolitik «eine wichtige Rolle als Moderator und Brückenbauer». Aber aufgrund der Politik der offenen Grenzen 2015 seien die Fliehkräfte in Europa verstärkt worden. «Ich bin ja zutiefst davon überzeugt, dass die einseitig von Deutschland getroffenen Entscheidungen in der Flüchtlingspolitik mit dazu beigetragen haben, dass wir gegenwärtig ganz besonderen Bedarf haben, den Kontinent politisch zusammenzuhalten», sagte Lindner.

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