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Heavy-Metal-Festival: «Scheiß drauf, Wacken ist nur einmal im Jahr»

Weniger Metalheads, mehr Schlamm und immer noch Regen: Nach chaotischer Anreise ist das Heavy-Metal-Festival mit Verspätung gestartet. Frust unter zwangsweise Abgereisten, Freude bei den Glücklichen im Schlamm, die es aufs Gelände geschafft haben.

Schlamm ohne Ende, Verspätungen und viel Regen – das Heavy-Metal-Festival in Wacken wird in diesem Sommer von chaotischen Szenen begleitet. Anreise-Unterbrechung, erst keine Fahrzeuge, kurz vor dem offiziellen Start am Mittwoch dürfen dann gar keine weiteren Metalfans mehr auf das stark verschlammte und vom Regen aufgeweichte Areal in Schleswig-Holstein. Wer es dennoch auf den «Holy Ground» geschafft hat, wie die Fans die Äcker des Dorfes nennen, feiert. Viele gefrustete Metalheads haben da bereits die Heimreise angetreten, weil sie nicht mehr auf das Gelände durften oder sich unsicher waren, ob es noch klappt.

«Es gab auch Zeitpunkte, wo ich gesagt habe: Leute, ich fahre wieder heim, leck mich am Arsch, ich komme nächstes Jahr wieder», sagt Hans aus der Nähe von Bürstadt. Der Mann aus Hessen ist mit sieben Freunden auf dem Flugplatz «Hungriger Wolf» bei Itzehoe gestrandet – von dort sind die Metalfans mit dem Shuttle-Bus nach Wacken geholt worden. «Wie es zurückgeht, weiß man noch nicht.» Jetzt, wo er auf dem Gelände sei, habe er auch Bock auf das Festival.

Am Vormittag sind noch einige zu Fuß auf dem Weg zur Bandausgabe – trotz des am frühen Mittwochmorgen verkündeten absoluten Anreisestopps. Sie alle eint die Hoffnung, noch irgendwie reinzukommen. Doch auch ein Gefühl von Unsicherheit ist auf dem Gelände verbreitet, etwa bei Christian aus Husum. Mit Rucksack ausgestattet versucht er, zu seinen bereits angereisten Freunden aufs Gelände zu kommen: «Es ist kein geiles Gefühl, also da ist halt natürlich auch Enttäuschung und dann ist da ein bisschen Hoffnung.»

Joey und sein Kumpel aus Hannover entscheiden sich am Mittwoch hingegen für die Abreise, als sie von dem Einlassstopp erfahren. Es sei nicht sicher, ob sie überhaupt noch ein Band kriegen und aufs Infield kommen, sagt Joey. «Dementsprechend sagen wir uns, wir hauen ab, bevor das Ganze morgen abgeblasen wird und wir mit dem ganzen Trubel hier abhauen müssen.» Die Stimmung sei gedrückt. Sie hofften, dass sie den Ticketpreis noch erstattet bekämen.

Zahlreichen Angereisten gelingt es allerdings auch am Mittag noch, ein Bändchen zu ergattern. Michael aus Wedel ist einer von ihnen. Er ist am Mittwoch einen Tag eher als geplant angereist, hat seine ursprünglichen Pläne über Bord geworfen, um noch aufs Festival zu kommen: «Ich wäre morgen angereist, weil heute meine Frau Geburtstag hat», sagt er und ergänzt: «Die ist ziemlich sauer auf mich, weil wir den Tag eigentlich anders geplant haben.» Dass er jetzt noch ein Bändchen bekommen konnte, hebe aber die Stimmung – «auch am Geburtstag».

Nicht alle haben so viel Glück. Die Polizei schätzt, dass rund 50 000 Fans auf dem Gelände sind, etwa die Hälfte der Campingflächen sei belegt. Das wären 35 000 Menschen, die es nicht geschafft hätten. Denn die Veranstalter hatten 85 000 Besucher erwartet.

Auf Instagram entschuldigen sie sich am Mittwoch bei enttäuschten Fans. «Einige sind auf den Flächen, einige mussten leider zu Hause bleiben oder umdrehen», sagt Festival-Mitbegründer Thomas Jensen in einer Videobotschaft: «Es tut uns unendlich leid.» Die Verhältnisse seien in den sozialen Medien ja zu sehen. Gemeinsam könne derzeit nur über den Stream gefeiert werden. Nach Angaben von Mitbegründer Holger Hübner werde gerade geprüft, wie der Umgang mit den Tickets ablaufen kann. Details nennt Hübner dazu zunächst aber nicht.

In den Kommentaren unter dem Video mischt sich neben Verständnis für die Situation der Veranstalter auch viel Unmut: «Ich wäre dabei gewesen, wenn ich nicht nach Hause geschickt worden wäre, um dann zu erfahren, dass weiterhin Leute aufs Gelände kommen!», bemerkt ein Nutzer. Das sei das Allerletzte. Ein anderer Nutzer kritisiert die Organisation im Vorfeld: «Wer ein Festival in Norddeutschland auf dem Acker stattfinden lässt, sollte mit Regen planen und entsprechend reagieren können und nicht hilflos umherschwirren.»

Deutlich fröhlicher ist die Stimmung bei denjenigen, die es aufs Gelände geschafft haben – auch wenn sie sich bei der Eröffnung des eigentlichen Festivalgeländes erneut gedulden müssen. Mehr als zwei Stunden warten die Metalheads am Mittag auf Einlass. «Lasst uns rein», stimmen sie zwischenzeitlich an, während auf dem Gelände Bands ihre Soundchecks machen. Unter Regencapes gehüllt singen sie laut: «Aber scheiß drauf, Wacken ist nur einmal im Jahr.» Als sich die Tore schließlich öffnen, fallen sich Metalfans in die Arme. Lauter Jubel und das langgezogene «Wackeeeen» ertönt, viele stürmen voran Richtung Bühnen.

Wie es in Wacken in den kommenden Tagen weitergeht, bleibt abzuwarten. Die Veranstalter wollen das Programm des in der Nacht zu Sonntag endenden Festivals tagesaktuell veröffentlichen. Ursprünglich wurden insgesamt mehr als 200 Bands auf den neun Bühnen erwartet. Mit den Verspätungen zum Start begründeten die Veranstalter die Streichung von sechs Bands. Dabei handelt es sich unter anderem um Bands, die am Nachwuchs-Wettbewerb «Metal Battle» teilnehmen wollten.

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