Wiesbaden/Kiel (dpa) – Ob als mysteriöser Nebelwerfer, geschickter Greifer oder ausgebuffter Jäger: Oktopoden faszinieren Forscher und Laien gleichermaßen. Das mag auch daran liegen, dass sie unter den wirbellosen Tieren zu den intelligentesten zählen. Mit zahllosen Saugnäpfen an ihren acht Armen können sie beispielsweise super Beute festhalten. Oder Futter aus engen Gefäßen herauspulen.
Diese Fähigkeit machte Krake Paul aus dem Sealife Aquarium in Oberhausen bei der Fußball-Weltmeisterschaft 2010 berühmt. Als Tier-Orakel sagte er alle Spiele der deutschen Mannschaft sowie das Endspiel korrekt voraus. Paul war ein Octopus vulgaris (Gewöhnlicher Krake). Ihm und allen anderen Kraken ist der 8. Oktober als Welt-Oktopus-Tag gewidmet.
Oktopoden verwenden ihre Arme nicht nur zum Beutegreifen, sondern auch, um sich über den Meeresboden zu bewegen. Wenn es auf der Flucht schnell gehen muss, pressen sie außerdem das Atemwasser ruckartig aus ihrem Körper und nutzen den Rückstoß. Über Pigmentzellen (Chormatophore) können sie ihre Körperfarbe- und musterung blitzschnell an die jeweilige Umgebung anpassen. Als Abwehrstrategie stoßen sie – wenn nötig – eine Tintenwolke aus einer Drüse aus, um Feinde zu verwirren.
Kraken sind Einzelgänger und fressen vor allem Krebse, Muscheln und Krabben, die sie mit ihrem scharfen Schnabel aufknacken. Die Weichtiere haben gut entwickelte Sinnesorgane, besitzen ein leistungsfähiges Gehirn und sind lernfähig.
Die Oktopus-Populationen sind nach Einschätzung von Experten derzeit nicht grundsätzlich in Gefahr. Von einigen Kopffüßern sei bekannt, dass sie relativ gut mit wechselnden Umweltbedingungen zurechtkommen, erklärt der Meeresbiologe Henk-Jan Hoving vom Geomar Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung in Kiel. «Es wird ihnen zugeschrieben, potenziell zu den Gewinnern des Klimawandels zu zählen.» Allerdings müsse noch stärker erforscht werden, für welche Arten dies zutrifft.
Noch sei nicht sehr viel darüber bekannt, wie der Klimawandel die Populationen der Cephalopoden (Kopffüßer) konkret beeinflusst, erklärt Hoving. Für einige Regionen gebe es die Hypothese, dass Oktopoden im Nahrungsgeflecht den Platz von Fischen übernommen haben, deren Populationen unter der Überfischung leiden. «Kopffüßer sind Opportunisten und sehr variabel, was die Beute angeht.» Deswegen könnten sie, wenn nötig, auf diverse Beutetiere umschwenken.
Über das Leben von Cephalopoden in der Tiefsee wissen Forscher nach wie vor sehr wenig. Dieser Lebensraum sei der größte, aber am wenigsten erforschte auf der Erde, betont Hoving.
Wissenschaftler arbeiten jedoch nicht nur daran, mehr über das Leben der Kraken zu erfahren – sie nehmen die achtarmigen Multitalente auch als Vorbild, um neue Dinge herzustellen. Beispielsweise entwickelte ein Team aus den USA nach dem Vorbild der Oktopus-Arme einen Handschuh, mit dem man Objekte unter Wasser sicher greifen und festhalten kann. An den Fingern sei er mit Saugnäpfen sowie kleinen Laserscannern ausgestattet, die Entfernungen messen, hatte die Gruppe um Michael Bartlett (Virginia Tech) im Fachjournal «Science Advances» berichtet. Damit ließen sich Objekte unterschiedlichster Form und Materialien im Wasser zuverlässig greifen.
Obwohl bald wieder eine Fußball-Weltmeisterschaft ansteht – ein neues Oberhausener Kraken-Orakel als Nachfolger von Paul wird es wohl nicht geben. Eine solche Aktion sei nicht geplant, teilte Sealife mit.