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General vorm durchsiebten Haus

Und wieder besteigen wir ein stolzes Bergstädtchen, das den Besetzern tapfer Widerstand geleistet hat – mal erfolgreicher, 14 Jahre lang (1755-1769) als es Zentrum der korsischen Unabhängigkeit war. Mal weniger, als es von Sarazenen, Genueser oder Franzosen für deren jeweiligen Zwecke missbraucht wurde – zum Beispiel als Gefängnis für politische Häftlinge.

Panorama der Revoluzzer-Bergstadt Corte.
14 Jahre lang (1755-1769) war Corte tatsächlich Haupt- und Universitätsstadt eines unabhängigen Korsikas. Hier ließ Pasquale Paoli über die demokratische Verfassung der Insel abstimmen, hier trat jährlich der korsische Nationalrat zusammen.

Vom Parkhaus am Cours Paoli nehmen wir die gleichnamigen, steilen Treppen hoch zur Capella Santa Croce, einer Ordenskirche aus dem 17. Jahrhundert und biegen nach links ab, immer weiter bergauf. Die desolate Casa Palazzi am Weg ist ein seltenes Beispiel für repräsentative städtisch-italienische Architektur des 18. Jahrhundert in Korsika.

Originaleinschüsse von der Befreiungsschlacht
Auf der kleinen Place Gaffory, die wir zwangsläufig queren, zeigt die Statue von Géneral Jean-Pierre Gafforj (1704-53), dem militärischen Anführer der aufständischen Korsen, en avant, immer vorwärts, Richtung Zitadelle. Sein Wohnhaus im Rücken hat sich die malerischen Originaleinschüsse von den Freiheitskämpfen von 1750 bewahrt.

Gegenüber steht geduldig die Église de l”Annonciation, (15. bis 18. Jahrhundert), gestiftet von Ambrogio d‘Omessa, dem Bischof von Aléria. Eine jüngere Restaurierung hat dem Gebäude innen wie außen seinen ursprünglichen Charakter zurückgegeben.

In memoriam Getrude Stein
Wir überlegen lange, ob wir dem netten korsischen Maler in seiner Galerie die größere oder wenigstens die kleinere der beiden bunten Damen in Öl auf Holz, aufgetragen mit dem Farbmesser, abkaufen – in memoriam Gertrude Stein, die dem jungen und noch armen Ernest Hemingway immer riet: „Gerade, wenn man kein Geld hat, sollte man in Kunst investieren.“ Und der US-Meister der Shortstory investierte goldrichtig in den ebenfalls noch jungen und armen Picasso.

Gut, auch wenn die Figuretten ein wenig kubistisch an den Spanier angelehnt sind, mit solchen Wertsteigerungen dürfen wir hier nicht rechnen, auch wenn der Preis sehr moderat ist (160 die kleine, 240 Euro die größere Mademoiselle de Corte). Aber wir müssten Bargeld unten vom Automaten holen und Monsieur le Paintre will um 13 Uhr zur Siesta. Gewichtige Gegenargumente. Schau”mer mal …

Gruppenaufnahme vor der Zitadelle
Erst mal weiter rauf, runter müssen wir früh genug, noch einige Treppen zur gut besetzten Belle vue, der kleinen Aussichtsplattform mit Blick auf die mächtige Zitadelle und Dächer des Städtchens. Geduldig abwarten, bis auch der Letzte der Franzosen eine Gruppenaufnahme vor der Burg zustandebrachte – mit Ausfallschritt wie Ronaldo und kurzsichtigem Blick von oben aufs Display der kleinen Digi. Aber nein, es hilft nichts, sie bleiben vor ihrem Motiv stehen und ich muss erklären, dass ich „pour un tout petit moment“ die beiden Kleinode zusammen auf die kleine Festplatte bannen möchte: viel Verständnis von Seiten der fröhlichen Besatzer, fotografieren und fotografieren lassen.

Blick auf die mächtige Zitadelle und Dächer des Städtchens.

Wir machen oben rum einen Bogen um die Galerie zur Zitadelle und studieren aufmerksam die historischen Tafeln: Die befestigte Stadt im nördlichen Inselzentrum ist geographisch durch seine Schluchten und Berge geschützt. Corte hat zu allen Zeiten eine wichtige strategische Rolle gespielt. Schon im 9. Jahrhundert scheint hier ein befestigter Stützpunkt existiert zu haben. Ugo della Colonna soll von hier die Mauren vertrieben haben. Insofern erschien er den Genuesen als geeigneter Ort, um nach der Eroberung der Insel im 13. Jahrhundert von hier aus ihre Herrschaft abzusichern. Die Zitadelle ist die einzige ihrer Art im Inselinneren.

Uneinnehmbares Adlernest
Der Felsvorsprung wurde zuerst von den Feudalherren Korsikas, dann von den Genuesen und schließlich von den Franzosen genutzt. Vincentello d‘Istria, der Vizekönig von Korsika im Dienst des Königs von Aragon, ließ den Felsen in der heutigen Form eines „Nid d‘Aigle“, eines nahezu uneinnehmbaren Adlernestes, befestigen. Man steigt zu ihr auf einer Marmortreppe mit dem Edelstein aus dem Steinbruch von Restonica hoch. Das Ensemble samt Kapelle wurde unter Ludwig XV. umgestaltet, Ludwig XVI. ließ eine große Kaserne errichten.

Bürgerkönig Louis Philipp verstärkte den militärischen Charakter, ließ Häuser und Kapelle abreißen. Die enteigneten Bewohner wurden ins „Lubiacce“ umgesiedelt. Später wurde die Kaserne in ein Zentralgefängnis für politische Häftlinge umgewandelt. Hier wurden noch im Zweiten Weltkrieg unter italienischer Besatzung korsische Partisanen inhaftiert. 1962 zog die Fremdenlegion nach der Unabhängigkeit Algeriens ein. 1983 wurde das Ensemble an die Stadt Corte zurückgegeben. Heute beherbergt es das Museum Korsikas, den Fonds Régional d”Art Contemporain (FRAC), das l”Institut Universitaire de Technologie und das korsische Tourismusbüro.

Die Bonapartes im Hause Casanova
Wir schließen den Kreis Richtung Platz des Generals und passieren die Casa Arrighi de Casanova: In diesem Adelshaus der Familie des gleichnamigen Edelmannes ohne Schürzenjäger-Ruhm (15.-18. Jahrhundert) waren zwei Jahre lang die Eltern Napoléons, Laetitia und Charles Bonaparte, zu Gast. Charles Bonaparte spielte einen aktiven Part bei der Gründung der Universität von Korsika 1767 und war enger Mitstreiter von Pasquale Paoli. Joseph Bonaparte, der ältere Bruder des Kaisers, wurde hier 1768 geboren genauso wie 1778 Jean-Thomas Arrighi de Casanova, General des Kaiserreiches und Herzog von Padua.

Denkmal Pasquale Paolis.

14 Jahre lang (1755-1769) war Corte tatsächlich Haupt- und Universitätsstadt Korsikas. Hier ließ Paoli über die Verfassung der Insel abstimmen, hier trat jährlich der korsische Nationalrat zusammen. An den Wänden der Universität steht das Bekenntnis „So corsu ne so fieru“, „Ich bin stolz, ein Korse zu sein“ und am Eingang der Zitadelle der Schlachtruf „Terra corsa a i corsa“, „Korsika den Korsen“. Immerhin, seit 1981 ist Corte wieder Universitätsstadt, ob sie nochmal Hauptstadt wird, steht in den europäischen Sternen.

Geschlossene Galerie
Es ist 12.54 Uhr, die Galerie hat geschlossen. Wer von uns beiden jetzt Pech gehabt hat, wird sich erst in vielen Jahren erweisen. Zurück am Platz bestellen wir einen mehr als passablen Café au lait im Rücken des heldenhaften Génerals Jean-Pierre Gafforj – und wer schlürft hier seinen Jus d‘Orange zum Espresso? Richtig, unser aufstrebender Stern am Kunstmarkt. Na, selber schuld, denken wir und ich grüße demonstrativ, schon um letzte Zweifel auszuräumen, dass der Kunsthandel nicht an uns gescheitert ist. Die schicke Chefin trällert dazu ein korsisches Liedchen und freut sich über das umso üppigere Trinkgeld.

Der Weg nach unten führt vorbei an einer Statue der korsischen Nummer 1 im Revolutionsranking, Pasquale Paoli. Sagen wir es so, das schönste Plätzchen haben sie ihrem Verfassungsvater nicht eingeräumt. Da scheint den Cortesen der General mehr am Herzen gelegen zu sein. Es folgen noch eine Reihe Restaurants und ein paar schicke Bars, ehe sich der Kreis am Cours Paoli wieder schließt.

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