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Friede nur mit Wahrheit

Auf dem Balkan wird wieder gezündelt. Ulrike Lunacek, Europaparlamentarierin aus Österreich, äußert sich im eol-Interview zu den aktuellen Konflikten in Kosovo.

Die Europaparlamentarierin Ulrike Lunacek als GuestStar bei der erfolgreichen kosovarischen Sitcom Kafeneja Jonë (“Unser Café


Das heutige Bosnien ist ein Produkt verschiedener internationaler Akteure wie UN und EU, die nach dem Bürgerkrieg in den 1990er Jahren ein komplexes Staatsgebilde aufbauten, um das Land mit seinen drei großen, im Krieg verfeindeten Volksgruppen zusammenzuhalten. Der serbische Teil der Republik hat die Solidarität aufgekündigt. Ist dieser Versuch somit endgültig gescheitert?

Lunacek: Es ist ein Rückschlag, wie wir schon viele in Bosnien erlebt haben, aber es ist kein Scheitern und schon gar nicht kann mann von einem endgültigen Scheitern sprechen. Aus dem einfachen Grund, da der Staatsaufbau weitergehen muss und weitergehen wird. Natürlich teile ich die Sorge über die geringen Fortschritte, die Bosnien auf seinem Weg zu Stabilität und sozioökonomischer Entwicklung erzielt hat. Dennoch muss dieser Weg weitergegangen werden, zuallererst um den Bürgerinnen und Bürgern von Bosnien und Herzegowina eine positive Perspektive zu bieten. Was es braucht, ist Entschlossenheit, politische Verantwortung, eine Kultur des Kompromisses und eine gemeinsame Vorstellung von der Zukunft des Landes. Ohne diese Bedingungen sind keine Fortschritte auf dem Weg zur Integration in die EU möglich. Gefordert sind primär die Staatsorgane von Bosnien und Herzegowina: Der Gesamtstaat muss mit ausreichenden Kompetenzen in den Bereichen Legislative, Exekutive und Judikative sowie hinreichenden Haushaltsbefugnissen ausgestattet werden.

Welche bisher offenbar ungelösten Probleme müssen Ihrer Meinung nach geklärt werden, um den Balkan zu befrieden?

Von wem erwarten Sie sich welche konkreten Schritte?

Lunacek: Ich erwarte mir von der EU ein stärkeres gemeinsames Auftreten am Balkan. Das bedeutet vor allem, dass die Mitgliedsstaaten ihre eigenen Befindlichkeiten und Eigenheiten zurückstellen und auf das Ganze schauen. Im Falle des Kosovos bedeutet das, dass die fünf Nichtanerkennerstaaten Griechenland, Zypern, Slowakei, Rumänien und Spanien endlich den Kosovo als eigenen Staat anerkennen und nicht aus nationalen Erwägungen die Anerkennung verweigern und damit die EU als Ganzes schwächen.
Von den einzelnen Staaten des Westbalkans ist vor allem ein kompromissloses Vorgehen gegen Korruption und Organisierte Kriminalität gefordert. Gerade diese Staatsübel Nr 1. schwächen die Stabilität dieser Staaten und unterminieren das Vertrauen der
Bevölkerungen in ein geordnetes Staatswesen. Und generell muss das EU-Prinzip Kooperation statt Konfrontation als Leitschnur für die Stabilitätspolitik am Westbalkan in allen staatlichen und zwischenstaatlichen Belangen an oberster Stelle stehen.

Kennen Sie zivilgesellschaftlich organisierte Projekte, die Versöhnungsarbeit leisten? Gibt es dort spürbare Erfolge?

Lunacek: Persönlich kenne ich RECOM, eine von Natasa Kandic gegründete NGO, die sich der Recherche und Aufarbeitung von Fakten zu Kriegsverbrechen am Westbalkan verschrieben hat. Ich beurteile diese Arbeit als sehr wichtig. Ingeborg Bachmann hat nicht zu Unrecht gesagt: „Die Wahrheit ist dem Menschen zumutbar.“ Ohne Wahrheit wird es keine Versöhnung geben. Und von meiner Arbeit als Kosovo-Berichterstatterin bin ich mit Valdete Idrizi in Kontakt gekommen, die sehr wichtige Versöhnungsarbeit im Norden Mitrovicas leistet.

Weitere Info zur Initiative auf  http://www.wisemuslimwomen.org/

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