Mainz (dpa/tmn) – Eine Zabaione ist ein luftig leichtes Dessert aus wenigen Zutaten. Doch für die Zubereitung braucht es etwas Fingerspitzengefühl. Experten verraten, wie am Ende ein feiner Schaum im Glas landet statt Rührei mit Wein und Zucker.
Eigelb, Zucker und etwas Marsala: mehr braucht es nicht für eine klassische Zabaione. Ob mit geeisten Beerenfrüchten im Sommer oder auch mit winterlich eingekochter Birne rundet die italienische Dessertcreme ein Menü genauso schaumig wie cremig ab.
Und doch gilt das Dessert manchem als Diva und nicht wenige Hobbyköche machen lieber einen Bogen darum. Während sich Eiweiß ohne großen Aufwand zu einem stabilen Schaum schlagen lässt, gelingt das beim Eigelb nicht ohne Weiteres. Selbst wenn sich ein kleines Schäumchen bildet, fällt dies schnell wieder zusammen und der fluffige Effekt ist dahin.
Mit Wärme zum Schäumchen
Ein Grund dafür ist die unterschiedliche Protein-Struktur von Eigelb und Eiweiß, sagt Thomas Vilgis. Er ist Professor am Max-Planck-Institut für Polymerforschung in Mainz. Außerdem ist er Experte für physikalische und chemische Vorgänge beim Kochen. «Manche Eiweiß-Proteine bekommen schon einen Schrecken, wenn sie den Schneebesen nur sehen», sagt er.
Durch einfaches Schlagen verändern die Proteine im Eiweiß ihre Struktur. «Man kann sich vorstellen, dass aus einem kompakten Protein-Knäuel ein langer Faden wird», erklärt Vilgis. Und diese langen Protein-Fäden legen sich dann einem Schaum zusammen, es entsteht stabiler Eischnee.
«Eigelb-Proteine sind nicht so leicht zu beeindrucken», sagt der Physiker. Deren Protein-Knäule entwirren sich nicht allein durchs Schlagen. Tatsächlich hilft Zucker, auch diese Proteine teilweise zu denaturieren, also zu verändern.
Wenn man Eigelb und Zucker aufschlägt, entsteht ein leichter Schaum. Doch der fällt schnell wieder in sich zusammen. «Das liegt an den Fettteilchen, auch Lipoproteine, im Eigelb», sagt Vilgis. Denn die erschweren zum die Schaumbildung und zerstören Schaum durch ihr vergleichsweise schweres Gewicht wieder.
Was hilft, ist Wärme: «Eigelb-Proteine brauchen vor allem Temperatur.» Und zwar ungefähr die Temperatur, die es auch beim Eigelb-Kochen braucht. Ab etwa 63 Grad verändert es seine Struktur, bei 65 Grad ist es noch schön cremig, danach beginnt es klumpiger zu werden. Und wer möchte schon klumpiges Eigelb in seinem Dessert?
Im Wasserbad geht es einfacher
Eigelb und Zucker werden für die Zabaione also mit Wärme aufgeschlagen. Um die richtige Temperatur im Topf zu erwischen, braucht es etwas Erfahrung, sagt Tobias Henrichs. Oder ein Wasserbad. Henrichs ist Kochbuchautor und unterrichtet als Lehrer an einem Gymnasium in Heilbronn nicht nur Geschichte und Gemeinschaftskunde, sondern auch Kochen. «Das Wasser im Topf sollte sieden», sagt er. Dann wird das Eigelb in der Schüssel darüber nicht zu heiß und kann zusammen mit dem Zucker zu einer hellen, schaumig-cremigen Masse geschlagen werden, statt zu Rührei zu werden.
Klassisch passiert das in einer Kupferschüssel. Die eignet sich besonders gut, weil sie schnell auf Temperatur reagiert. Außerdem können freie Kupfer-Ionen auch noch den Schaum stabilisieren «gesundheitlich sind die völlig unbedenklich», sagt Thomas Vilgis.
Alternativ kann aber auch ein Edelstahl genutzt werden. Nur von Plastik rät der Professor ab – das reagiert zu langsam auf die Temperatur. Damit die Temperatur der Masse nicht zu stark schwankt, sollte nun die Flüssigkeit, traditionell wird der italienische Likörwein Marsala verwendet, langsam eingearbeitet werden.
Auf den Schaum achten, nicht auf die Zeit
Und wann ist man fertig? «Nach etwa zehn Minuten», sagt Tobias Henrichs. Das ist aber nur ein Richtwert. Wie lange das dauert, hängt beispielsweise von der Temperatur der Zutaten ab, aber auch von der Geschwindigkeit der Flüssigkeitszugabe. Wichtiger als auf die Zeit zu achten sei es, den Schaum zu beobachten – wenn der sich beim Schlagen gut anfühlt und stabil ist, sei das Dessert fertig. «Wenn man einen schönen Schaum hat, kann man es nicht besser machen.»
Um den richtigen Zeitpunkt zu erwischen, würde Kochlehrer Henrichs die Zubereitung einer Zabaione keiner Küchenmaschine mit Wärmefunktion überlassen, sagt er. «Es ist aber auch etwas, was mir beim Kochen besonders viel Spaß macht. Die Zubereitung gibt Zeit und Rhythmus vor. Man kann nebenher nichts anderes machen. Und man erlebt mit allen Sinnen, wie langsam ein Gericht entsteht», sagt der Kochbuchautor.
Ähnlich sieht es auch Thomas Vilgis. «Ich würde Zabaione außerdem immer à la minute zubereiten», sagt er. Denn sonst droht Austrocknung und wenn die Zabaione ein ganzes Menü lang im Kühlschrank steht, fällt auch der Schaum langsam wieder zusammen. «Man kann es natürlich auch vorher machen, aber dann hat man Einbußen.»
Variationen
Doch während er bei der Zubereitung klassisch bleibt, variiert Thomas Vilgis die Zutaten gerne. Viele Rezepte sehen statt Marsala auch einen Weißwein oder Schaumwein vor. Aber man könne auch ganz auf Alkohol verzichten, sagt Vilgis. Und auch den Zucker kann man weglassen. Denn eine Zabaione muss kein Dessert werden: «Ich liebe Umami-Schäume.» Dafür nimmt er beispielsweise eine gute Sojasauce, die er dann mit Wasser verdünnt und so zum Ei gibt.
Oder er rührt einen Fond ein. «Ich mag auch Rauchschaum. Wenn ich es klassisch mache, koche ich Räucherspeck aus und nehme dann das Fett, man kann aber auch ein paar Tropfen Flüssigrauch zur Hilfe nehmen.»
Das passt gut zur Geschichte der Zabaione, sagt Tobias Henrichs. So gebe es aus dem Jahr 1570 ein Rezept von Bartolomeo Scappi, einem berühmten italienischen Koch der Renaissance. Darin wird eine Zabaione mit Zimt, Hühnerbrühe und Butter angerührt. «Damals gab es auch noch keine Rubrik wie Dessert. Süßungsmittel wie Honig und Zucker waren ein Luxusgut und es wurde auch eher wie ein Gewürz eingesetzt», sagt Henrichs. Eine Zabaione wurde also eher zwischendurch oder als Beigabe zu einem Gericht gereicht denn zum Abschluss eines Menüs.