Karlsruhe (dpa) – Betriebsinhaber, die im Corona-Lockdown schließen mussten, können in bestimmten Fällen darauf hoffen, dass ihnen die Versicherung zumindest einen Teil des Schadens ersetzt. Abhängig ist das allerdings von den vereinbarten Versicherungsbedingungen. Der Bundesgerichtshof (BGH) urteilte am Mittwoch, dass Betroffenen Geld zustehen kann, wenn dort die versicherten Krankheiten nicht abschließend aufgezählt sind, sondern auf die Liste im Infektionsschutzgesetz verwiesen wird. Ins Gesetz war Covid-19 am 23. Mai 2020 als neue Erkrankung mitaufgenommen worden. Ab diesem Zeitpunkt können Ansprüche bestehen, wie die Richter entschieden.
Eine Betriebsschließungsversicherung springt ein, wenn ein Betrieb wegen eines Krankheitsausbruchs vorübergehend zumachen oder zum Beispiel seine Waren vernichten muss. Der Versicherer erstattet dann entgangene Gewinne, in der Regel aber nur für eine begrenzte Zeit und bis zu einer bestimmten Höhe. Das kann nicht nur für Restaurants und Hotels, sondern auch für Metzgereien, Bäckereien, Supermärkte und Nahrungsmittelhersteller eine Absicherung für den Ernstfall sein.
In der Pandemie mussten plötzlich in ungeahnter Dimension landauf, landab Betriebe schließen. Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) geht davon aus, dass es beim Ausbruch von Corona rund 73 000 Versicherungsverträge gab. In den ersten beiden Corona-Jahren 2020 und 2021 seien insgesamt Schäden in Höhe von schätzungsweise rund einer Milliarde Euro beglichen worden.
Aber in vielen Fällen wurde auch die Zahlung verweigert – und das oft zu Recht, wie der BGH in einem ersten Grundsatz-Urteil im Januar 2022 entschied. In den Versicherungsbedingungen, die mit Abstand am häufigsten zum Einsatz kamen, waren die versicherten Krankheiten nämlich einzeln aufgelistet. Das neue Coronavirus tauchte dort naturgemäß nicht auf – und war deshalb nicht mitversichert.
Versicherungsbedingungen in der Form, wie sie die obersten Zivilrichterinnen und -richter in Karlsruhe jetzt unter die Lupe nahmen, sind nach Auskunft des GDV «eher selten». Tatsächlich sind von den ursprünglich rund 160 Betriebsschließungs-Verfahren am BGH inzwischen fast alle abgeschlossen, orientiert an dem Urteil von vor einem Jahr. Nur 10 bis 15 zum Teil sehr spezielle Fälle seien noch offen, sagte der Gerichtssprecher. Er geht davon aus, dass das aktuelle Urteil die letzte große Entscheidung zu dem Komplex war.
Geklagt hatte ein Hotelier aus Hameln, der im ersten und zweiten Lockdown keine touristischen Übernachtungen mehr anbieten durfte. Seine Versicherung umfasste auch eine solche Teilschließung. Es war aber unklar, ob bei Corona überhaupt Versicherungsschutz besteht.
Für die erste Schließung von 18. März bis 25. Mai 2020 hatte der Mann mehr als 8300 Euro gefordert. Zu dieser Zeit war Covid-19 aber noch nicht als meldepflichtige Krankheit im Infektionsschutzgesetz aufgeführt. Die Versicherung muss also nicht zahlen.
Anders bei der zweiten Schließung ab November 2020. Aus der Formulierung in den Versicherungsbedingungen gehe zwar nicht eindeutig hervor, auf welche Gesetzesfassung sie Bezug nimmt – auf den Stand der Liste beim Abschluss der Versicherung oder auf den Stand beim Eintritt des Schadens, sagte der Vorsitzende Richter Christoph Karczewski. Davon profitiert aber der Versicherte: Im Zweifel wird die für ihn günstigere Variante angenommen. Das ist hier der spätere Zeitpunkt, als Covid-19 mit im Gesetz stand.
Wie viel Geld der Mann genau bekommt, muss noch im Einzelnen bestimmt werden. Eine Sprecherin von Ergo, wo er versichert ist, teilte mit: «Wir nehmen zur Kenntnis, dass der Bundesgerichtshof unserer Rechtsauffassung in Teilen gefolgt ist.» Diese Entscheidung akzeptiere man. Wie viele gleichlautende Verträge bei Ergo betroffen sind, teilte sie nicht mit. Nur dies: «Die verhandelten Bedingungen lagen einem Teil unserer Betriebsschließungsversicherungen zugrunde.»