Kopenhagen (dpa) – In der Debatte über eine Beschränkung der Einreise russischer Touristen in die EU hat Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) Kompromissbereitschaft signalisiert. Kanzleramt und Auswärtiges Amt seien sich einig, «dass wir gemeinsam in Europa eine Lösung finden, die die berechtigten Sorgen und Anliegen von allen zueinander bringt», sagte Baerbock am Freitag auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit ihrem dänischen Amtskollegen Jeppe Kofod in Kopenhagen.
Ihr sei dabei aber wichtig, «dass wir in dieser Situation des brutalen Angriffskriegs nicht 140 Millionen Menschen in Russland für immer aufgeben und vor allen Dingen, in Deutsch würde man sagen: in Sippenhaft nehmen», sagte Baerbock.
Die an Russland grenzende EU-Länder Estland, Litauen und Lettland, aber auch Tschechien haben die Einreise von russischen Touristen bereits eingeschränkt. Finnland will im September folgen. Auch andere Länder wie Polen sind für die Beschränkung der Visa-Vergabe. Baerbock verhandelt nächste Woche in Prag mit den Außenministern der anderen EU-Staaten über einen Kompromiss.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat sich bisher skeptisch geäußert. «Das ist Putins Krieg, und deshalb tue ich mich mit diesem Gedanken sehr schwer», hatte er bereits vor zwei Wochen auf seiner Sommerpressekonferenz vor der internationalen Presse zu einem generellen Einreisestopp gesagt. Am Donnerstag bekräftigte er in einer Diskussion mit Bürgern in Magdeburg diese Haltung: «Es ist Putins Krieg. Es sind nicht die Russen. Diese Verallgemeinerung sollte man niemals machen.» Er fügte aber hinzu: «Da kann man immer die Details gucken und ich kann auch die Nachbarländer verstehen.»
Baerbock vertrat am Freitag die Auffassung, dass Scholz Einreisebeschränkungen für russische Touristen nie eine generelle Absage erteilt habe. «Diese Absolutheiten, die wurden so eigentlich nie geäußert, auch nicht vom deutschen Bundeskanzler», sagte sie. «Insbesondere wenn Positionen über Interviews ausgetauscht werden, dann sind sie doch sehr verkürzt.»
Baerbock sagte, die Visa-Frage werde aus unterschiedlichen Blickwinkeln betrachtet. Sie verwies darauf, dass verhältnismäßig wenige russische Touristen nach Deutschland kämen, gleichzeitig aber weiterhin Visa an Journalisten oder Wissenschaftler, die in Russland gefährdet seien, vergeben werden müssten. Die Interessenlage der direkten Nachbarstaaten Russlands sei eine andere. Man werde «eine Lösung finden, die national den unterschiedlichen Situationen genug Spielraum bietet».
Der dänische Außenminister Jeppe Kofod warb eindringlich für Visa-Beschränkungen für russische Touristen. «Es ist für mich eine starke Provokation, dass man russische Männer an Stränden in Südeuropa sieht, während ukrainische Männer in ihrem Land bleiben und für ihre eigene Freiheit kämpfen müssen», sagte er. Gleichzeitig betonte Kofod, dass sich Dänemark eine gemeinsame europäische Lösung wünsche. «Das würde ein starkes Signal an Putin und Russland senden, dass es Konsequenzen hat, wenn man unrechtmäßig und brutal in ein europäisches Land einmarschiert.» Gemeinsam könne Europa den größten Einfluss auf Putin ausüben.