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Aufarbeitung der Awo-Affäre dauert an – Schaden nicht zu beziffern

Mit der Verurteilung des früheren Frankfurter Oberbürgermeisters Peter Feldmann hat die Awo-Affäre im Dezember einen - vorläufigen - Höhepunkt erreicht. Weitere Verfahren laufen, auch gegen die frühere Führung des Sozialverbands.

Überhöhte Gehälter, Luxus-Dienstwagen und Scheinanstellungen bei einem Sozialverband: Die Affäre um die Arbeiterwohlfahrt (Awo) in Frankfurt und Wiesbaden sorgt immer wieder für Schlagzeilen. Auch im aktuellen Frankfurter OB-Wahlkampf kochte das Thema hoch, nachdem die Anklage gegen einen früheren leitenden Mitarbeiter der Stadt bekannt wurde. Der Awo-Skandal kam im Jahr 2019 ins Rollen, die juristische Aufarbeitung ist noch in vollem Gange.

Um was geht es?

Im Mittelpunkt der Affäre steht die frühere Leitung der Awo-Kreisverbände in Frankfurt und Wiesbaden, die sich ein Ehepaar teilte. Ein offizielles Ermittlungsverfahren gibt es seit November 2019, die Vorwürfe lauten Betrug und Untreue im Zusammenhang mit Flüchtlingsunterkünften, die die Awo im Auftrag der Stadt Frankfurt betrieben hat. Dafür soll zu viel Geld in Rechnung gestellt worden sein. Auch um Luxus-Dienstwagen, Luxus-Dienstreisen sowie überhöhte Gehälter und Zahlungen geht es, die sich die Verantwortlichen gegenseitig zugeschanzt haben sollen. Minijobs wurden vergeben, ohne dass deren Inhaber dafür arbeiten mussten.

Wie läuft die juristische Aufarbeitung?

Zusammen mit weiteren zwei mutmaßlich Verantwortlichen wurde das Ehepaar vergangenen August wegen Betrugsverdachts angeklagt. Die Staatsanwaltschaft geht demnach von mehr als 2,6 Millionen Euro Schaden aus, der der Stadt Frankfurt im Zusammenhang mit den Unterkünften entstanden sei. Der Anwalt des Paares hat die Vorwürfe zurückgewiesen. Weitere Ermittlungen wegen des Verdachts der Untreue zum Nachteil der Awo im Zusammenhang mit satzungswidrigen Vergütungen dauerten an, hatte die Staatsanwaltschaft mitgeteilt. Die Anklage befindet sich im Zulassungsverfahren, Gerichtstermine dazu gibt es noch nicht.

Gab es schon Urteile in der Affäre?

Im vergangenen Dezember wurde der zuvor abgewählte Frankfurter SPD-Oberbürgermeister Peter Feldmann wegen Vorteilsannahme zu einer Geldstrafe von 21 000 Euro verurteilt. Im Gegenzug für eine überbezahlte Stelle für seine spätere Frau als Leiterin einer Awo-Kita habe er dem Sozialverband wohlwollendes Verhalten zugesichert. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Weitere Urteile gegen Inhaber von Schein-Minijobs bei der Awo fällte das Frankfurter Amtsgericht. Zudem sind mehrere Zivilverfahren anhängig. In Wiesbaden wurde ein CDU-Lokalpolitiker verurteilt, weil er seiner Tochter eine Scheinanstellung verschafft haben soll. Ein amtierender Politiker der Landeshauptstadt wurde angeklagt.

Wie ist der Skandal ans Licht gekommen?

Ein anonymer Hinweis und ein Bericht der «Frankfurter Neuen Presse» darüber haben im Frühjahr 2019 erste Vorwürfe gegen die Frankfurter Awo im Zusammenhang mit den Flüchtlingsunterkünften ans Licht gebracht. Es folgten Berichte über ein undurchsichtiges Geflecht an Posten und Verantwortlichkeiten bei der Awo. Richtig ins Rollen brachten den Skandal dann Berichte über die Tätigkeit der Frau des Frankfurter OB Feldmann als Kita-Leiterin – und deren übertariflicher Bezahlung inklusive Dienstwagen.

Welche Konsequenzen hat die Awo gezogen?

Mit der Wahl eines neuen ehrenamtlichen Präsidiums stellte die Awo im Februar 2020 die Weichen für einen Neuanfang. Die Aufarbeitung sei eine «Herkulesaufgabe» war sich die neue Präsidentin Petra Rossbrey bereits damals sicher. Die einstigen Funktionäre im Mittelpunkt des Skandals erhielten prompt Hausverbot, unter dem neu berufenen Vorstand folgten Kündigungen und Strafanzeigen. Eine Task-Force unter Leitung der früheren Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin wurde hinzugezogen, um Hilfe bei der Aufarbeitung zu leisten.

Derzeit laufen vor dem Arbeitsgericht mehrere Verfahren gegen ehemalige Mitarbeiter, sagte ein Awo-Sprecher. Zudem erhob die Awo Klage gegen ehemalige Funktionäre. Verhandlungstermine gebe es aber noch nicht. Im Rahmen der internen Prüfungen hätten sich keine neuen Verdachtsmomente ergeben, die an die Ermittler weitergereicht worden seien. «Sobald die Ermittler diesbezüglich auf uns zukommen, werden wir die Ermittlungen selbstverständlich nach unseren Möglichkeiten unterstützen», sagte der Sprecher.

Wie hoch ist der durch den Awo-Skandal verursachte Schaden?

Die Awo schätzte den Schaden in ersten Stellungnahmen auf etwa zehn Millionen Euro. Er sei derzeit aber noch nicht klar zu beziffern, da die Schadenssummen noch nicht final festgelegt werden können, sagte der Sprecher des Frankfurter Verbands. «Sie sind abhängig von der Prüfung durch das Finanzamt, die noch nicht abschließend erfolgt ist.»

Lässt sich eine Wiederholung solcher Affären verhindern?

Nicht nur die Awo, auch andere Wohlfahrtsverbände überarbeiteten nach dem Awo-Skandal ihre Compliance-Regeln, sagt Gerhard Timm, Geschäftsführer der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege. «Ein System, welches jeden Verstoß im Vorfeld verhindert, kann es nicht geben – weder bei der Freien Wohlfahrtspflege noch in anderen Organisationen. Wenn Menschen entscheiden, Kontrollfunktionen auszuhebeln, wird ihnen das in manchen Fällen zunächst gelingen.» Wichtig sei deshalb die entsprechende konsequente Reaktion.

«Die betroffenen Verbände selbst sind sehr – vermutlich mehr als andere – darüber verärgert, dass einzelne Personen mit Maßlosigkeit und Eigennutz dem guten Namen – und somit auch den Mitgliedern und der großartigen Arbeit aller Ehrenamtlichen und Mitarbeitenden – geschadet haben», sagte Timm über die Auswirkungen auf Verbandsmitglieder selbst. Die Mehrheit der haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeitenden halte sich indessen an Regeln und Gesetze.

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