Höxter (dpa/lnw) – «Wann kommt Strom?»: Ungewöhnliche Frage für Arbeiten im Freien. Zwei Wochen vor Eröffnung der Landesgartenschau aber kann Geschäftsführer Jan Sommer diese immer wieder gestellte Frage endlich positiv beantworten. Im Schatten des imposanten Westwerks von Kloster Corvey arbeitet ein Elektriker an einem grauen Schaltkasten.
Alle, die ab jetzt hier im ehemaligen und für die Landesgartenschau neu aufgebauten Klostergarten arbeiten, können jetzt Strom für Beleuchtung und die Gastronomie verteilen. Dabei zeigt der sogenannte Remtergarten mit Küchenkräutern und Apothekerpflanzen das, was die Mönche schon vor vielen Hundert Jahren hier angebaut haben. Die 19. Landesgartenschau Höxter startet am 20. April und will bis zum 15. Oktober 2023 rund 400 000 Menschen an den Weserbogen ins Drei-Ländereck Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Hessen locken.
Für Bürgermeister Daniel Hartmann (parteilos) ist der Remtergarten einer der Besonderheiten der Schau. «Wir haben das Gelände vom Besitzer gepachtet. Viktor Herzog von Ratibor hat hier die letzten Jahren Weihnachtsbäume angebaut. Die Fläche zwischen Kloster und Weser war für die Öffentlichkeit nicht zugänglich. Das ändert sich mit der Landesgartenschau», freut sich Hartmann.
Bei einem Rundgang über das rund 31 Hektar große Gelände kommt der Bürgermeister aus dem Schwärmen nicht mehr heraus. Die Kreisstadt hat die Landesgartenschau dafür genutzt, um die Innenstadt mit Fördermitteln pünktlich zur Gartenschau auf Links zu ziehen. Die Innenstadt hat ein neues Pflaster bekommen, der Bahnhof Höxter-Bahnhof wurde erneuert und die Verbindung zwischen Stadt und Welterbe Schloss Corvey entlang der Weser wurde zum lebenswerten Stück am Fluss. Neue Bänke und eine Uferpromenade mit Stufen zum Fluss sollen mediterrane Gefühle in den östlichsten Landesteil von NRW bringen.
Claudia Koch, Co-Geschäftsführerin der Landesgartenschau und Baudezernentin der Stadt, kann sich vorstellen, dass die Menschen hier bei einem Glas Wein die Beine ins Wasser baumeln lassen. «Die Beleuchtung für die Abendstunden haben wir extra mit einer Firma entwickeln lassen», erklärt Koch.
Neben den für jede Landesgartenschau typischen Angeboten mit 34 Themen- und Galeriegärten spielt die Geschichte des Ortes eine besondere Rolle. Vor 1200 Jahren gab Karl der Große den Anstoß, Corvey zu gründen. Die Benediktiner entwickelten das Kloster zu einem der führenden geistigen Zentren des Kontinents. Heinrich von Fallersleben arbeitete von 1860 bis 1874 als Bibliothekar in Corvey. Der Dichter der deutschen Nationalhymne wurde in Höxter begraben. Ein Denkmal auf der Wallanlage der Stadt erinnert an sein Wirken.
Und so präsentiert sich die Landesgartenschau aus einem Dreiklang von Klosteranlage, dem verbindenden Weserbogen und der historischen Altstadt von Höxter mit seiner imposanten Wallanlage, die für die Schau herausgeputzt wurde. Neue Spielplätze und eine von Bewuchs freigelegte Stadtmauer sollen den Höxteranern hier später eine neue Aufenthaltsqualität bieten. Ein Dampfschiff verbindet Stadt und Kloster über die Weser. Bei vielen Entscheidungen wurden die Bürger miteingebunden. So durften sie bei den Sitzbänken probesitzen und mitentscheiden, welches Modell es am Ende wird.
An 179 Veranstaltungstagen bieten die Macher in fünf Parkteilen und sechs Bühnen ein großes durch das Land gefördertes Kulturprogramm an. Kronleuchter-Akrobatik bietet Aufregendes fürs Auge, Schauspielerin Katharina Thalbach liest und Tatort-Kommissar Axel Prahl kommt mit seinem Inselorchester als Musiker.
Anfang April wuseln die Handwerker, Gartenbauer und Gärtner noch über die Anlage. Die einen haben sich über den vielen Regen in den zurückliegenden Wochen gefreut, die anderen weniger. Noch ist viel zu tun. Das Geschäftsführer-Duo Koch und Jan Sommer ist sich aber sicher, dass bis zum 20. April alles fertig ist. «Es kann sein, dass nicht jede Rasenfläche auch ein sattes Grün hat, aber das ist in dieser Jahreszeit ja auch nicht schlimm. Wir haben bewusst auf das Verlegen von Rollrasen verzichtet», sagt Sommer der dpa. Die Macher haben 315 000 Zwiebeln, 32 500 Stauden und Gräser sowie 700 Großgehölze und über 3000 Sträucher gepflanzt. Dazu kommen mehr als 900 Rosen und 800 Hopfenpflanzen.
Die Archäologen waren immer dabei. «Bei jedem Baum mussten wir drei Alternativen anbieten. Der Archäologe hat dann beim Graben geschaut, ob im Boden vielleicht Funde sein könnten», sagt Koch. An welch geschichtsträchtigem Ort sich die Besucher bewegen, zeigt der Archäologiepark zwischen Kloster und Weserufer. Wer sich die nötige App aufs Handy herunterlädt, kann sich per digitaler Wirklichkeit an fünf Punkten über den hier verlaufenen ehemaligen Hellweg bewegen, Pferden ausweichen oder sich die Kirche des von den Höxteranern zerstörten Ortes Corvey anschauen.
Es kostet etwas Überwindung, aber in der App ist der virtuelle Gang durch die Mauer ins Innere der Kirche möglich. Der Kirchenraum ist dann detailgetreu nachgebildet. An anderer Stelle können Besucher mit dem Stadtarchäologen während der Zeit der Landesgartenschau an Grabungen teilnehmen. Anmeldung nötig!
Höxter hat knapp 29 000 Einwohner. Die Macher wollen mehr Dauerkarten verkaufen als es Höxteraner gibt. Stand Anfang April war das Ziel mit 27 000 fast schon erreicht.