Berlin/Dortmund (dpa/tmn) – Es passiert schnell: Die kleine Tochter verschwindet in der Menschenmenge oder verlässt unbemerkt den Spielplatz, um die große, weite Welt zu erkunden. Oder die demente Mutter macht sich auf den Weg, raus aus dem Pflegeheim. Viele solcher ungeplanten Ausflüge gehen zum Glück glimpflich aus. Der Schock sitzt aber auch nach einer erfolgreichen Suche meist noch tief.
Hier kommen die wichtigsten Verhaltensregeln für Angehörige – und für Außenstehende.
Szenario 1: Ein Kind geht verloren
Kinder können in Menschenmengen oder im öffentlichen Nahverkehr schnell mal aus den Augen verloren gehen. Um für diesen Fall gerüstet zu sein, sollten sich Eltern mit diesem Szenario vertraut machen und Vorsichtsmaßnahmen ergreifen, um das Risiko zu minimieren.
Nehmen Sie sich vor dem Besuch einer Veranstaltung oder einem Ausflug die Zeit, mit Ihrem Kind offen darüber zu sprechen, was zu tun ist, wenn Sie sich aus den Augen verlieren. Dabei können Eltern und Kind einen gemeinsamen Treffpunkt besprechen. Sie können so etwa vereinbaren, dass das Kind an der nächsten Station aussteigt und die Eltern es dort abholen.
Ziel ist es, Panik zu vermeiden und stattdessen klare Schritte aufzuzeigen, an denen sich das Kind im Fall der Fälle orientieren kann. Das Einhalten von Routinen kann beiden Seiten Sicherheit geben.
Laut Daniel Grein, Bundesgeschäftsführer des Kinderschutzbundes, kann es hilfreich sein, auf bewährte Methoden zurückzugreifen, wie das Aufschreiben von Notfallkontakten. Je selbstständiger das Kind ist, desto besser kann es diese mitteilen. Ist das Kind noch relativ jung, können Eltern die Nummer einfach auf den Arm schreiben. Ebenso das Einsetzen von Technologie wie Ortungsgeräten, um Kinder zu lokalisieren, wird in bestimmten Situationen als hilfreich angesehen.
Klären Sie mit ihrem Kind, wen es ansprechen kann, falls man sich gegenseitig verliert. Schaffen Sie Vertrauen und ermutigen Sie es, sich in ungewissen Situationen an Erwachsene zu wenden und nach Hilfe zu fragen. So sind etwa Menschen in Uniform für Kinder gut sichtbar.
Wenn man ein fremdes Kind beobachtet, das möglicherweise allein oder hilflos aussieht, schadet es nicht, das Kind anzusprechen und nachzufragen, ob es Kontaktinformationen hat.
Aber wann sollte man die Polizei einschalten? Dem Kinderschutzbund zufolge hängt die Entscheidung, die Polizei einzuschalten, vom Kontext sowie vom Alter und der Selbstständigkeit des Kindes ab. «Je kleiner das Kind, desto relevanter ist es, schnell zu reagieren, wenn es gar nicht mehr auffindbar ist», so Grein.
Szenario 2: Ein Angehöriger mit Demenz ist draußen unterwegs
Manche Menschen mit Demenz haben einen starken Bewegungsdrang. Er beschränkt sich nicht immer nur auf die Wohnung oder die Pflegeeinrichtung – Betroffene zieht es auch vor die Haustür. «Die Erkrankten machen sich scheinbar ziellos auf den Weg, um in ihrer eigenen Wirklichkeit aber etwas Dringendes zu erledigen, zum Beispiel die Kinder von der Schule abzuholen», erklärt Astrid Marxen, Pressesprecherin der Alzheimer Forschung Initiative.
Was also tun, wenn einem auf der Straße eine Person begegnet, die verwirrt und orientierungslos wirkt? Die Polizei Dortmund formuliert es ganz klar: In so einer Situation sollte man keine Scheu haben, die Telefonnummer 110 zu wählen und die Polizei zu informieren. Schließlich helfen Hinweise aufmerksamer Menschen dabei, dass die Person schnell wieder nach Hause zurückkommt. Denn es ist gut möglich, dass das Pflegeheim oder die Familie die Person schon als vermisst gemeldet haben.
Und wie geht man auf die Person zu? Astrid Marxen rät, langsam und ruhig zu sprechen: «Verwenden Sie eine einfache Sprache und stellen Sie nicht mehrere Fragen auf einmal.» Eine Einstiegsfrage, die Vertrauen aufbaut, kann sein: «Wohin sind Sie unterwegs?»
Ansonsten geht es im Gespräch darum, Hinweise über die Identität herauszufinden – und zum Beispiel nach Wohnort oder Angehörigen zu fragen. Was man laut der Polizei Dortmund ebenfalls fragen kann: ob man in den Kragen der Jacke oder des Hemdes hineinschauen darf. Wohnt die Person in einem Pflegeheim, befindet sich dort oft ein Etikett der Wäscherei – und auch damit einen Anhaltspunkt, wo die Person lebt.
Worauf man allerdings gefasst sein muss: Die Person könnte aggressiv reagieren. Das kann passieren, wenn sich Menschen mit Demenz unsicher oder verängstigt fühlen. «Versuchen Sie, das Thema zu wechseln oder lenken Sie die Aufmerksamkeit auf etwas Positives oder Interessantes», schlägt Marxen als Strategie vor.
Ebenfalls wichtig: Wenn man Hilfe angefordert hat – etwa der Polizei oder der Pflegeeinrichtung Bescheid gegeben hat -, dann sollte man bei der Person bleiben, bis sie in sicheren Händen ist.
Und was können Angehörige von Demenzkranken in so einer Situation tun? Findet man die Person selbst nicht, sollte man die Polizei informieren. Leichter wird die Suche, wenn Angehörige Maßnahmen zur Vorsorge getroffen haben. Zum Beispiel, wenn sie zwei aktuelle Fotos des oder der Vermissten griffbereit haben. Konkret: eine Großaufnahme des Gesichts und eine Ganzkörperaufnahme, am besten auch digital. Dazu rät die Alzheimer Gesellschaft Baden-Württemberg.
Was im Fall der Fälle die Suche ebenfalls erleichtert: eine vorab zusammengestellte Personenbeschreibung, die Merkmale wie Körpergröße, Augenfarbe und Besonderheiten wie Muttermale oder Narben enthält.