Ratgeber

Warum Älterwerden auch Kopfsache ist

Köthen/Halle (dpa/tmn) – An einem sonnigen Frühlingstag biegt Tatjana Fanneß mit ihrem Rollator in den Schlosspark in Köthen (Sachsen-Anhalt) ein. Die 72-Jährige wohnt nicht weit weg, geht oft in dem Park spazieren. Heute haben sie und ihr Wegbegleiter auf Rollen jedoch etwas Besonderes vor: Zum ersten Mal gehen sie zum Rollator-Yoga.

«Das hier ist kein Leistungsport», stellt Trainerin Kathrin Fritzsche zu Beginn der Stunde klar. Dann fordert sie die Seniorinnen – die älteste ist 97 Jahre alt – auf, ihre Augen zu schließen, in sich hineinzufühlen, zu atmen und die Gelenke kreisen zu lassen. Wer einen hat, sitzt dabei auf dem Rollator. Wer ohne Rollator gehen kann, sitzt einfach auf einem Stuhl. 

Beim Rollator-Yoga geht es nicht nur um die Bewegung

Yoga, so sagt Fritzsche, die seit eineinhalb Jahren ein Studio in Köthen betreibt, sei nicht nur für eine Stunde in der Woche gut, sondern rund um die Uhr eine echte Hilfe. 

Stehen sei eben nicht gleich Stehen, Kopfhaltung nicht gleich Kopfhaltung. Fritzsche will die Teilnehmerinnen und Teilnehmer zu Bewegung motivieren, für bewusste Körperhaltung sensibilisieren und auch dafür sorgen, dass sie Kontakte außerhalb ihres Wohnumfeldes knüpfen. Auf die Idee zum Rollator-Yoga brachten sie ihre Eltern, deren Motivation und Bewegung mit den Jahren immer weniger wurden.

Die Einstellung zum Altern macht einen Unterschied

Im Alter haben die Psyche und auch die Erwartungen an das Alter einen starken Einfluss auf die körperliche Gesundheit, sagt Aline Schönenberg von der Medizinischen Fakultät der Universität Halle. «Wer annimmt, dass das Älterwerden beeinflusst werden kann und proaktiv ist, erholt sich beispielsweise besser von Krankheiten – das zeigen Studien», so die Psychologin, die vor allem zu Wohlbefinden im höheren Lebensalter forscht. 

Um fit zu bleiben, macht man am besten das, was Spaß macht, empfiehlt sie. «Ich kann mich zwar in einer Sudoku-Runde anmelden, aber wenn ich das eigentlich nicht mag, gehe ich da letztendlich nicht hin. Wenn ich lieber mit den netten Nachbarn einen Kaffee trinken gehe, dabei in der Stadt bin, frische Luft habe, ist das genauso gut, weil ich das wirklich umsetze – und auch das hilft Körper und Psyche.» 

Generell sei es gut, etwas mit anderen Menschen gemeinsam zu machen. «Kombiniert mit Sport – noch besser, zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen.» Wichtig ist, dass die Aktivitäten zu dem passten, was Körper und Psyche noch leisten können.

Menschen über 65 sind aktiver denn je

Soziale Interaktion ist also maßgeblich, um lange gesund zu bleiben. Fehlt sie, können Menschen einsam werden. Ein häufiges Thema sei Einsamkeit auch in der Pflege, sagt Frieder Weigmann von der Diakonie Mitteldeutschland. Das Problem werde etwa dann beschrieben, wenn die Kinder weit weg wohnten, aber auch, wenn sie in der nächsten großen Stadt lebten, die Eltern jedoch kein Auto mehr fahren können und in ländlichen Gebieten wohnen. 

Aber nicht nur die Älteren seien einsam, sagt Schönenberg. «Im Gegenteil: Menschen über 65 Jahren sind aktiver denn je.» Hohe Einsamkeitsraten zeigten sich eher in der Jugend, um die 40 Jahre – dann nehme die Rate erst einmal wieder ab. «Unter Menschen mit Anfang 60 bis etwa Mitte 70 sind die Quoten unter den niedrigsten überhaupt. Und dann in der Hochaltrigkeit, wenn die Gesundheit nachlässt, wird es wieder schwieriger.» 

Rentnerin Tatjana Fanneß beendet die Yogastunde auf und an ihrem Rollator in Köthen mit einem breiten Grinsen auf dem Gesicht. «Ich mache zwar auch zu Hause vor dem Fernseher Sport, aber das hier ist wirklich toll. Im Alter musst du dich bewegen, sonst wirst steif», so die 72-Jährige. «Ich fühle mich wie 30, ich mache jeden Scheiß mit», sagt sie, grinst und verabschiedet sich. «Bis zum nächsten Mal.»

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