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Verblichenes Jerusalem

Man sieht dem Städtchen (20.000) Einwohner) den verblichenen Glanz des frühen Mittelalters nicht auf den ersten Blick an. Eine hübsche Hafenpromenade am Ärmelkanal ist auch für ahistorische Besucher attraktiv.

Sonnenuntergang über dem Hafen von Fécamp.

Man kann sich Jean Lorrain, den Oscar Wilde aus Fécamp, ganz gut bei einer Hafenkneipentour vorstellen – wie der Dichter des Symbolismus eingehakt mit jungen Verehren zwischen dem heutigen Pavillon am Boulevard Albert 1er, dem La Plaisance am Quai de la Vicomte und dem Restaurant La Boucane am Grand Quai flanierte und keine Gelegenheit zu einer kleinen Orgie verpasste.

Gut möglich, dass der elegante Dandy, der sich gerne Rouge auflegte, bei einem Saufgelege auf den gefallenen englischen Star Wilde traf, der nach seinem Zuchthausaufenthalt wegen dessen homosexueller Neigung krank und gebrochen unter dem Pseudonym Sebastien Melmoth im französischen Exil darbte – zumindest dürfte sich der Skandalreporter der Belle Époque ein Treffen mit dem Seelenverwandten in Paris nicht entgehen lassen haben.

Gründung des Normannenführers
Die Lage des Hafenstädtchens an der Alibasterküste lockte früh Kolonisten an. Im 7. Jahrhundert gründete ein Gefolgsmann König Chlotars III. ein Frauenkloster, Wilhelm Langschwert, Sohn des Normannenführers Rollo, unternahm um 990 eine Neugründung mit Kirche und Kloster. Mit Unterstützung der Herzöge der Normandie entwickelte sich Fécamp prächtig, Wilhelm der Eroberer übertrug der Abtei englischen Besitz. Wegen des massiven Pilgerandrangs mussten Kloster und Kirche mehrfach erweitert werden: Die prächtige Ausstattung verleitete fromme Besucher zum kühnen Vergleich mit dem himmlischen Jerusalem. Abt Peter von Fécamp brachte es 1326 als Clemens VI. gar auf den Stuhl Petri.

Fécamp und seine attraktive Hafenpromenade.

Im Zweiten Weltkrieg entging das Städtchen nur knapp der Zerstörung – ein Bewohner bat die Deutschen, Kloster und Stadt zu verschonen und verriet, dass Engländer an ihrem Evakuierungspunkt im Hafen wären. Die Nazis beschossen daraufhin zwei britische Zerstörer, denen arg ramponiert die Flucht gelang.

Ein kurioses Ensemble bilden die Abteikirche St. Trinité im normannischen Stil (1175-1220) und das Rathaus im ehemaligen Abteigebäude. Zum Monument historique wurde die Kirche St. Etienne (16. Jahrhundert) ernannt. Das Palais Bénédictine (19. Jahrhundert) beherbergt eine mittelalterliche Gemäldesammlung sakraler Kunst und die Brennerei der Kräuterlikörmarke DOM Bénédictine.

Gastrotipp: Le Vicomté, 4 Rue du President-René-Coty: Der Michelin-Gastrotester lobt die einfache, gute Küche, die Qualitätsprodukte fachkundig zubereite: „Einfach ein gutes Essen.“ Ein Menü ist in dem kleinen Haus in der Nähe des Palais Bénédictine bereits ab 21 Euro zu haben. „Humorvolle Plakate, alte Fotos, dicht beieinander stehende Tische bestimmen das Ambiente.“ Dazu passend: Der Wirt mit der großen Schürze, der herzlich empfängt.

Hotel-Tipp: Hôtel de la Plage, 87 Rue de la Plage, www.hoteldelaplage-fecamp.com. Kein großer Luxus, das klassische französische Petit Déjeuner, einfache Zimmer mit den Essentials, aber günstig, freundlicher Service und fußläufig zur Promenade.

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