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UKs St. Pauli narrt die Scheichs

Es wäre ungefähr so, als ob St. Pauli Meister würde – ein erklärter Anti-Establishment-Club aus den englischen East Midlands setzt sich gegen alle Scheichs, Abramowitsche und teure Importe aus Holland (Louis van Gaal, ManU), Portugal (José Mourinho, Chelsea), Deutschland (Bastian Schweinsteiger, ManU) und Belgien (Kevin De Bruyne, ManCity) durch. Leicester City, erst 2014 wieder in die Premier League aufgestiegen, führt die Milliarden-Prasser ad absurdum.

Meisterschaft in trockenen Tüchern und feuchten Kehlen: Leicester-City-Fans feiern, nach dem 2:2 zwischen Chelsea und Tottenham Hotspur am 2. Mai 2016.
Gentlemen-like: Leicester-City-Stars Robert Huth (links) und Teamkollegen applaudieren ihren Fans im Old Trafford in Manchester.

London  –  Gegen alle Prognosen verwandeln die Foxes, die schlauen Füchse, eine der ältesten englischen Städte (331.606 Einwohner) am Montagabend in ein Tollhaus: Zuvor verspielten die Tottenham Hotspurs, der Tabellenzweite, eine 2:0-Führung bei Chelsea – mit 7 Punkten Vorsprung ist den Blauen der Triumph nicht mehr zu nehmen. Zuvor hatte das Team von Claudio Ranieri beim 1:1 gegen Manchester United einen Matchball nur knapp vergeben.

Mit der Mamma essen
„Ich werde der letzte Mann in England sein, der wissen wird, ob wir Meister sind“, sagte der Italiener auf dem Weg zum Abendessen bei seiner 96-jährigen Mamma. Bis zum Redaktionsschluss war unklar, ob der Mayor der Großstadt die ohnehin gelockerten Sperrzeiten für Pubs in dieser historischen Nacht generell aufhob – die Mehrheit der Multi-Kulti-Stadt jedenfalls wird morgen früh nicht pünktlich in den Amtsstuben, Büros und Schuhfabriken erwartet.

Auch Verteidiger Danny Simpson hatte angekündigt, sich das Spiel zusammen mit seinen Jungs anzuschauen – um den letzten Mosaikstein einer wundersamen Wendung mitzuerleben: Leicester verhinderte in der vergangenen Saison mit sieben Siegen in den letzten acht Spielen in letzter Minute den Abstieg. Aber anstatt sich damit zufriedenzugeben, setzten Stürmerstar Jamie Vardy, Abwehrkämpe Robert Huth, Torwartlegenden-Sohn Kasper Schmeichel, Regisseur N´Golo Kanté & Co. den Lauf einfach fort.

„Mannschaft aus Gescheiterten“
Als eine „Mannschaft aus Gescheiterten“ wurde der altehrwürdige Verein von 1884 in der reichsten Liga der Welt verspottet. Toptorjäger Vardy musste schon einmal eine Fußfessel tragen und tingelte durch Clubs der englischen Provinz. Und auch ehemalige Bundesligakicker der eher zweiten Reihe wie Christian Fuchs (Schalke) oder Shinji Okazaki (Mainz) galten nicht gerade als Erfolgsgaranten. In einer Liga, in der die Fußball-Legende FC Liverpool Motivationsgott Jürgen Klopp auf die Insel holt, um nach 26 erfolglosen Jahren endlich wieder zu jubeln, kann der Meister doch unmöglich aus Leicester kommen – größter Liga-Erfolg bislang: Englischer Vizemeister 1929.

Leicesters Top-Stürmer Jamie Vardy nach seinem Treffer im Hinspiel am 28. November 2015 zwischen Leicester City und Manchester United im King Power-Stadion in Leicester.

Seit der Gründung der „FA Premier League“ 1992 teilten sich die Meisterschaften ausschließlich Manchester United, Manchester City, FC Chelsea und der FC Arsenal – mit Ausnahme der Blackburn Rovers 1995. Beim Versuch, das Wunder zu analysieren, kommen Taktiker auf eine erstaunliche Erkenntnis: Ranieri setzt auf eine stabile Abwehr und einer Art Harakiri-Kontertaktik – irre schnell, fehleranfällig aber auch brandgefährlich: Nur die Hotspurs (68) und ManCity (67) schossen mehr Tore (64).

Kleiner Wermutstropfen: Derzeit wird untersucht, ob im Training unerlaubte Mittel zum Einsatz kamen – es würde nicht überraschen, wenn sich herausstellte: Die Spieler von Leicester City waren mit Malt-Whiskey und Ale aus der Lloyds No. 1 bar (1 Corn Exchance, Marketplace, Fon: +44 116 253 8533) gedopt.

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