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Schweini macht den Deckel drauf

Was für ein Comeback: Kaum im Spiel wetzt Bastian Schweinsteiger in der letzten Minute des EM-Auftakts parallel zu Mesut Özils Konterlauf auf der rechten Seite, Pass auf den Punkt, der Kapitän im Rehamodus zieht direkt ab und knallt die Kugel ins Netz, 2:0 gegen die Ukraine, emotionales Highlight in Frankreich – und gleich auch noch die Tabellenführung mit dem ersten Sieg mit zwei Toren Abstand bei diesem Turnier.

Gute Laune ist die halbe Europameisterschaft: Poldi verarscht Kumpel Schweini nach seinem Dampflol-Spurt zum 2:0 in der Schlussminute.
Bastian Schweinsteiger versenkt das 2:0 gegen die Ukraine.

Lille (dpa) – Platt kräht der Matchwinner: „Der Weg war schon lang, deshalb bin ich auch noch außer Atem“, ringt Bastian Schweinsteiger um Luft und Worte, während Lukas Podolski im Hintergrund feixt, „und er war auch gar nicht so einfach zu nehmen.“ Stimmt, umso besser, dass es gleich so geklappt hat mit dem Leader-Anspruch, und man sieht den Schweini mit dem blutenden Kopfverband aus dem WM-Endspiel vor dem geistigen Auge, der auf dem letzten halben Zylinder die Schlacht gegen Argentinien zu Ende bringt.

Löw: „Ich vermisse die Abschlüsse“
„Eigentlich war nicht gedacht, dass er so weit vorne auftaucht“, rügt Bundestrainer Jogi Löw nicht wirklich böse den Ausflug seines Comebackers, „er sollte jetzt natürlich auch für etwas Ruhe sorgen.“ Dass in der Abwehr nicht alles geklappt habe, liege zum einen an den vielen Umstellungen, aber auch an der Qualität der ukrainischen Angreifer.

„In der zweiten Halbzeit hatten wir wieder mehr Ordnung, von daher hatten sie auch keine klare Torchance mehr.“ Nach vorne müsse man verbessern, sich nicht immer durchlavieren zu wollen: „Ich vermisse die Abschlüsse“, mahnt Löw ein zielstrebigeres Offensivspiel an.

Zehn Weltmeister in der Startelf
Keine Überraschung bei der Aufstellung: Mit Mustafi als Partner von Jerome Boateng in der Innenverteidigung, Höwedes rechts und Hector links in der Viererkette beginnt der Bundestrainer mit der erwarteten Abwehrformation. Und auch der Vortritt des kleinen, quirligen Mario Götze vor Stoßstürmer Mario Gomez kommt nicht überraschend. Zehn Weltmeister und Hector starten also in die EM 2016.

Mitreißender Auftakt in Lille: Kein Taktik-Geplänkel wie bei den 1:0-Schachmatches zuvor, sondern offenes Visier. Zuerst drückt die deutsche Mannschaft mit cleveren Spielzügen dem Duell den Stempel auf, auch wenn die Ukraine auch in der Phase stets gefährlich ist. Nach der deutschen Führung nach präziser Freistoßflanke von Toni Kroos und dem Kopfball von Innenverteidiger Shkodran Mustafi ins Kreuz (19.), dreht Gelb-Blau mächtig auf – die deutsche Mannschaft hängt sinnbildlich in den Seilen: wie Jérôme Boateng bei seiner artistischen Rückfallaktion auf der Linie. Muhamed Ali lässt grüßen …

Deutschlands Verteidiger Jerome Boateng kratzt den Ball mit einem spektakulären Schuss gerade noch so von der Linie.

Dank an Neuer & Boateng
Interims-Kapitän Manuel Neuer rettet am Abend in Lille mit mehreren guten Paraden den Erfolg – geschuldet sicher auch den Schwachstellen in der Außenverteidigung: Jonas Hector und Benedikt Höwedes lassen sich noch zu leicht überspielen, sehen sich aber auch vom Mittelfeld oft allein gelassen: So konnten sich der Welttorhüter mit famosen Paraden auszeichnen

  • gegen Konopljankas Schuss (5.),
  • gegen den Kopfball von Jewhen Chatscheridi, den er über die Latte hebt (27.),

und der beste Nachbar der guten Deutschen mit Ausputzarbeiten

  • beim Linienballett retour (37.),
  • und bei Mustafis verunglückter Kopfballrückgabe (85.).

Clevere Verteilung ohne Zielstrebigkeit
Toni Kroos glänzt in der Zentrale mit einer Vielzahl an clever verteilten Bällen, die freilich außen nicht immer verarbeitet werden können – Stockfehler von Höwedes, aber auch ein wenig griffiger Rasen sei Dank – und von den kongenialen Offensivkräften Mesut Özil, Thomas Müller, Julian Draxler und Mario Götze allzu oft ins Tot getikitakert werden wollten.

Auch wenn nicht alles rund läuft beim Weltmeistermotor, der fünfte Turnier-Auftaktsieg unter Bundestrainer Joachim Löw ohne Gegentor ist verdient – und eine gute Basis für die erforderliche Steigerung bis zum Finale …

Jetzt auch noch deutsche Irre
Kurz vor dem deutschen Auftaktspiel bei der Fußball-Europameisterschaft im nordfranzösischen Lille haben rund 50 Deutsche mehrere ukrainische Fans angegriffen. Die französische Polizei habe die Auseinandersetzung schnell beendet, sagte der Sprecher der Zentrale Informationsstelle Sporteinsätze (ZIS), Jens Schabacker, am Sonntag. Ob Menschen verletzt wurden, war zunächst nicht bekannt. Die Präfektur des Départements Nord sprach am Abend von «ein paar Auseinandersetzungen» in der Innenstadt, konnte aber zunächst keine näheren Angaben machen.

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