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Norovirus: Wie hoch ist das Risiko auf Kreuzfahrtschiffen?

Berlin (dpa/tmn) – Auf Kreuzfahrtschiffen verbringen viele Menschen auf vergleichsweise engem Raum ihren Urlaub: Da werden sich ausbreitende Keime schnell zum Problem. Immer mal wieder liest man beispielsweise von Norovirus-Ausbrüchen auf Schiffen. 2024 gab es unter anderem Vorfälle auf der «Queen Victoria» von Cunard und der «Celebrity Constellation» von Celebrity Cruises.

Warum insbesondere das Norovirus eine Herausforderung ist und wie Reedereien damit umgehen, weiß Christian Ottomann. Der Mediziner ist Gründer der Schiffsarztbörse, die Ärzte und Ärztinnen für Einsätze auf hoher See und Flüssen vermittelt.

Ottomann war selbst schon diverse Male als Schiffsarzt unterwegs. Im Interview erklärt der Fachmann auch, warum Seekrankheit bei Kreuzfahrten nur noch selten ein Problem ist – aber wenn, dann durchaus heftig.

Drei Erreger-Gruppen herausfordernd

Frage: Man liest immer mal wieder von Viruserkrankungen, die auf Schiffen ausbrechen und sich verbreiten. Zuletzt gab es etwa im Januar einen Norovirus-Ausbruch auf einem Schiff von Celebrity Cruises, knapp 100 von der gut 2000 Passagiere erkrankten. Wie hoch ist generell das Risiko von Infektionskrankheiten auf Kreuzfahrten?

Christian Ottomann: Wir haben drei Erreger-Gruppen, die Herausforderungen sein können. Da ist das Corona-Virus, aber das hat nachgelassen. Dann haben wir Legionellen. Die werden durch defekte oder schlecht gewartete Wasserleitungen oder Klimaanlagen verbreitet. Durch die Sanitation Officer, die sich an Bord um die Luft- und Trinkwasserhygiene kümmern, sind Legionellen aber eigentlich auch kein wirkliches Thema mehr auf Kreuzfahrten.

Das größte Problem, was Infektionen an Bord betrifft, ist das Norovirus. Dieser Magen-Darm-Virus überträgt sich durch Schmierinfektion. Fast immer infizieren sich Passagiere damit während eines Landgangs und bringen den Erreger dann mit an Bord.

Alarmstufe Grün, Gelb, Rot

Frage: Was passiert auf dem Schiff, wenn so ein Fall eintritt und es dadurch zu einem Ausbruch kommt, sich also viele weitere Passagiere anstecken?

Ottomann: Grundsätzlich wird ganz genau darauf geachtet und dokumentiert, wie viele Menschen an Bord gastrointestinale Beschwerden, also Magen-Darm-Probleme, haben. Ab einer bestimmten Fallzahl werden Maßnahmen ergriffen. Dabei gibt es drei Level: Grün, Gelb, Rot.

Wenn es unter zehn Fälle sind, ist alles noch im grünen Bereich. Wenn dann aber plötzlich mehr als zehn Passagiere an Durchfallerkrankungen leiden, wird die nächste Stufe aktiviert. Dann gibt es genau durchstrukturierte Pläne. Maßnahmen sind dann zum Beispiel, dass Relings und Aufzugtasten engmaschig desinfiziert werden. Die rote Stufe hat noch strengere Einschränkungen zur Folge: Dann können zum Beispiel die offenen Essensbuffets geschlossen werden.

In jedem Fall gibt es genaue Rollenpläne und Protokolle. Die Reedereien und Kreuzfahrt-Veranstalter sind so gut organisiert, dass Ausbrüche ausgesprochen selten sind. Natürlich gibt es noch Einzelfälle, bei denen das nicht verhindert werden konnte.

Ottomann: Kreuzfahrtindustrie gewinnorientiert

Frage: Was sind denn aus Ihrer Erfahrung die häufigsten gesundheitlichen Probleme von Passagieren auf Kreuzfahrtschiffen – die Seekrankheit?

Ottomann: Nicht unbedingt. Was häufig vorkommt, ist die klassische Trias Husten, Schnupfen, Heiserkeit. Gerade in wärmeren Zielgebieten entwickeln Passagiere durch die Temperaturwechsel zwischen Hitze und Klimaanlage gerne mal grippeähnliche Symptome.

Dagegen ist die Seekrankheit auf großen Kreuzfahrtschiffen inzwischen wirklich selten geworden. Dazu tragen Stabilisatoren in den Schiffen bei, die den Wellengang ausgleichen. Dazu kommt, dass die Schiffe oft nah am Land operieren, da die Landausflüge ein wichtiger Einnahmefaktor sind. Und wenn Unwetter absehbar sind, versuchen die Kapitäne in der Regel, diesen großräumig auszuweichen.

Denn man kann einfach sagen, dass die Kreuzfahrtindustrie gewinnmaximiert ist. Und ein Passagier, der krank ist, konsumiert nicht. Auch deswegen wird alles getan, damit die Passagiere gesund bleiben und nicht seekrank werden.

Nur: Wenn man wirklich mal in schwere See gerät, hat man – wenn man Pech hat – plötzlich hunderte Passagiere im Bordhospital, die über Seekrankheit klagen.

Zur Person

Priv.-Doz. Dr. med. Christian Ottomann, 50, hat als Verbrennungschirurg lange in einem Berliner Krankenhaus gearbeitet. Während eines Sabbaticals 2008 war er erstmals als Schiffsarzt im Einsatz und seitdem in dieser Position auf diversen Kreuzfahrt- und Forschungsschiffen. 2010 hat Ottomann das Webportal Schiffsarztbörse gegründet.

Hintergrund: Laut internationalem Übereinkommen muss bei Schiffen, die mit mehr als 100 Personen an Bord haben und mehr als drei Tage unterwegs sind, ein Schiffsarzt an Bord sein. Bei Schiffen unter deutscher Flagge liegt die Grenze bei 75 Personen. Große Kreuzfahrtschiffe haben oft mehrere Medizinerinnen und Mediziner an Bord und verfügen über ein gut ausgestattetes Bordhospital.

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