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Mehr als Lützerath und Karlspreis – Aachens Polizeipräsident geht

Für manche ist er der grünste Polizeichef in NRW: Aachens Polizeipräsident geht mit 64 in den Ruhestand. Er war für die Räumung von Lützerath verantwortlich. Lob für den besonnenen Einsatz gab es von NRW-Innenminister Reul.

Im Getümmel von Lützerath wollte ein Polizist den grauhaarigen Besucher nicht durchlassen – bis der Mann in der dunklen Outdoor-Kleidung sich dem Beamten freundlich lächelnd vorstellte: «Ich bin der Behördenleiter.» Spätestens seit der Räumung des von Hunderten Klimaaktivisten besetzten Örtchens am Braunkohletagebau Garzweiler im Januar ist Aachens Polizeipräsident Dirk Weinspach ein bekannter Mann. Der 64-jährige Jurist, der nie eine Polizeiuniform trug, geht nach neun Jahren im Amt in den Ruhestand.

Dass Weinspach seit mehr als 40 Jahren Mitglied bei den Grünen ist, hat der Debatte um die Räumung eine zusätzliche Dimension verliehen. «Ich habe mich immer als Fachbeamter verstanden», sagt er dazu. Vor den Einsätzen im Rheinischen Braunkohlerevier habe sich kaum jemand für sein Parteibuch interessiert. «Und dann spielte das auf einmal eine große Rolle, wie ich finde eine zu große Rolle.» Auch in Erkelenz am Tagebau Garzweiler, wo ihm kurz vor der Räumung bei einem Informationsabend von Bürgern teils sehr persönliche Fragen gestellt wurden. Die grüne NRW-Wirtschaftsministerin Mona Neubaur war nicht dabei.

Als Klimaaktivisten einen offenen Brief schrieben, griff Weinspach zu einem ungewöhnlichen Mittel: Er antwortete mit einer Pressemitteilung. Dass die Sorgen der Menschen ernst genommen würden, aber nicht die Polizei über die Inanspruchnahme von Lützerath entscheide. Am Ende stand eine persönliche Anmerkung: «Ich wünschte, die Räumung von Lützerath hätte sich vermeiden lassen. Aber sie ist – nach allem was ich weiß – leider unvermeidlich.»

Die Bilder von einer Demonstration am 14. Januar hätte die Polizei lieber nicht gehabt: Aktivisten setzten sich ab, durchbrachen Polizeiketten und wollten Lützerath stürmen. Weinspach hatte davor «gebetsmühlenartig», wie er sagt, gewarnt. Die Polizei setzte – wie für diesen Fall angekündigt – Wasserwerfer und Schlagstöcke ein.

In der Spitze waren in Lützerath 3700 Polizisten im Einsatz. Der Einsatz dauerte nicht, wie vorher angenommen, bis zu vier Wochen, sondern nur fünf Tage. Hunderte Journalisten verfolgten die Räumung. Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul (CDU) war mit dem Verlauf zufrieden: Alles sei gut und professionell gelaufen, sagte er im Innenausschuss des Düsseldorfer Landtags. Ausdrücklich schloss er die «äußerst besonnene Führungsriege» des Polizeipräsidiums Aachen unter dem Polizeipräsidenten mit ein.

Auch die Klimaaktivistinnen Luisa Neubauer und Greta Thunberg waren vor Ort. Sie machten der Polizei Gewaltvorwürfe. Keine der beiden Aktivistinnen habe das Gespräch mit der Polizei gesucht, kritisiert Weinspach. «Beide sind mit vorgefertigten Meinungen reingegangen, haben die Kulisse genutzt für Statements gegenüber mitgebrachten Journalisten.» Die Chance, sich vor Ort zu informieren, hätten beide nicht genutzt.

Es gab eine Steigerung zu den Einsätzen im Braunkohlerevier: die Karlspreis-Verleihung an den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj im Mai. Dieser Termin war laut Polizei vom Aufwand und von der Zahl der eingesetzten Polizisten her eine noch größere Herausforderung. Es gab Kampfhubschrauber und Eurofighter, Scharfschützen auf den Dächern und sehr viel Polizei.

Solche spektakulären Ereignisse sind aber nicht der Alltag. Die Anliegen von Bürgern zu hören, ernst zu nehmen und darauf zu reagieren, das ist dem Polizeichef wichtig. In der Eifel ist die Polizei fast wöchentlich präsent, um gegen Krach und rasende Motorradfahrer vorzugehen. Eine gesonderte Ermittlungsgruppe klärt Diebstähle von Fahrrädern, E-Bikes und Pedelecs auf. Gegen eine Häufung von Einbrüchen an der Grenze zu Belgien gab es so lange Schwerpunkteinsätze, bis die Serie stoppte.

Eng ist die polizeiliche Zusammenarbeit mit Belgien und den Niederlanden, die ans Stadtgebiet von Aachen grenzen. Die drei Polizei-Behördenleiter treffen sich regelmäßig. Dabei redet jeder in seiner Sprache und wird von den anderen verstanden. Weinspach spricht auch Niederländisch.

Er sei überhaupt nicht amtsmüde oder der Aufgabe überdrüssig, versichert der hoch aufgeschossene Jurist. Er arbeitet seit 33 Jahren beim Land NRW, unter anderem im Innenministerium. Er wolle mit seiner Frau den «dritten Lebensabschnitt» früher beginnen und habe noch viel vor. Bis Ende September ist er im Amt.

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