Berlin (dpa) – Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und seine Ministerinnen und Minister haben in den ersten knapp zwei Jahren ihrer Amtszeit nur einen kleinen Teil ihrer Auslandsreisen mit Linienfliegern absolviert. Aus einer Antwort des Bundesinnenministeriums auf eine Anfrage der Linken-Abgeordneten Sevim Dagdelen geht hervor, dass die Ampel-Regierung insgesamt zu weit mehr als zwei Dritteln mit der Flugbereitschaft der Bundeswehr unterwegs war, die über 16 Maschinen unterschiedlicher Größen für die Beförderung von Politikern verfügt.
Nur fünf der 19 Kabinettsmitglieder, die seit Dezember 2021 durchgehend oder vorübergehend im Amt waren, nutzten die Luftwaffe gar nicht für Auslandsreisen: Verkehrsminister Volker Wissing (FDP, 19 Linienflüge ins oder aus dem Ausland), Umweltministerin Steffi Lemke (Grüne, 31 Linienflüge), Bauministerin Klara Geywitz (SPD, 5 Linienflüge) sowie die im April 2022 zurückgetretene Familienministerin Anne Spiegel (Grüne, 2 Linienflüge) und ihre Nachfolgerin Lisa Paus (Grüne, 12 Linienflüge).
Vielflieger Scholz: Mehr als 160 Auslandsflüge in 21 Monaten
Ausschließlich mit der Flugbereitschaft waren dagegen Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und die im Januar zurückgetretene Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) ins Ausland unterwegs. Bei Scholz summieren sich die Flüge auf 163 in den ersten 21 Monaten seiner Amtszeit bis zum 5. September. Danach war er noch beim G20-Gipfel in Indien, und am Sonntag wollte er mit seiner Ehefrau Britta Ernst zur UN-Generalversammlung nach New York aufbrechen.
Lambrecht machte in ihrer gut einjährigen Amtszeit 25 Auslandsreisen – ebenfalls alle mit der Flugbereitschaft. Ihr Nachfolger Boris Pistorius (SPD) flog bei seinen bisher 18 Reisen immerhin einmal mit einer Linienmaschine. Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) war den Angaben zufolge bei ihren 90 Auslandsreisen drei Mal mit Linienflügen unterwegs. Ein weiterer wird in wenigen Tagen folgen, wenn sie von der UN-Generalversammlung aus New York zurück nach Deutschland fliegt.
Selbst die Innenministerin fliegt kaum Linie ins Ausland
Auch Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) flogen überwiegend mit der Luftwaffe ins Ausland. Selbst für Innenminister Nancy Faeser (SPD) sind in der Aufstellung 34 Auslandsreisen mit der Flugbereitschaft, aber nur zwei Linienflüge angegeben.
Das Innenministerium hat für die Antwort auf die parlamentarische Anfrage bei allen Ressorts die Dienstreisen ins Ausland seit dem 8. Dezember 2021 abgefragt – dem Tag der Vereidigung der Regierung im Bundestag. Einige Ministerien meldeten die kompletten Reisen mit teils mehreren Flügen, andere nur die Einzelflüge. Unter dem Strich weist die Aufstellung 271 Reisen (teils mehrere Flüge) und 218 Einzelflüge mit der Flugbereitschaft aus. Dem stehen 39 Reisen (teils mehrere Flüge) sowie 129 Einzelflüge mit Linie gegenüber. 11 weitere Reisen werden als teils mit Linie, teils mit der Flugbereitschaft angegeben.
Linke kritisiert «exzessive Nutzung» der Flugbereitschaft
Die Linken-Abgeordnete Sevim Dagdelen kritisierte, dass die Regierung nicht stärker auf kommerzielle Flüge umsteigt. «Mit der exzessiven Nutzung der Flugbereitschaft führt die Ampel-Regierung ihre Versprechen zum sparsamen Umgang mit Steuergeldern und zum Schutz von Umwelt und Klima ad absurdum», sagt sie.
Die Flugbereitschaft ist in den letzten Jahren immer wieder wegen Pannen in die Schlagzeilen geraten. Zuletzt musste Baerbock eine Reise nach Australien, Neuseeland und Fidschi in Abu Dhabi wegen einer defekten Landeklappe abbrechen. Trotzdem reisen gerade die Vielflieger der Bundesregierung ungern mit Linie, weil der Planungsaufwand ungleich größer ist. Auch gibt es von Berlin im Vergleich zu anderen Hauptstadt-Flughäfen wie London oder Paris verhältnismäßig wenige Direktflüge ins Ausland.
Andere Außenminister fliegen eher mal Linie
Der britische Außenminister James Cleverly reist vielleicht auch deswegen deutlich häufiger kommerziell als seine deutsche Amtskollegin. «Minister müssen sicherstellen, dass sie stets effiziente und kostengünstige Reisevorbereitungen treffen», lautet die Vorgabe aus dem Ministerialcode. Die Flotte der Royal Air Force für Regierungsflüge ist auch deutlich kleiner als die der deutschen Flugbereitschaft mit ihren derzeit 16 Maschinen. Zu ihr gehören nur zwei Dassault 900LX und eine VIP Voyager, mit der auch König Charles unterwegs ist.
Auch die französische Regierungsflotte ist mit einem Airbus A330 und sechs kleinen Falcon-Geschäftsflugzeugen im Vergleich zur deutschen noch klein. Das gleiche gilt für Italien mit drei mittelgroßen Airbus A319 und drei Falcon.
Pannen sind keine deutsche Spezialität
Probleme mit Pannen haben übrigens auch Regierungen anderer wirtschaftsstarke Länder. Kanadas Premierminister Justin Trudeau konnte zuletzt wegen technischer Probleme an seinem Flieger erst mit zwei Tagen Verspätung vom G20-Gipfel in Indien nach Kanada heimfliegen. Die kanadische Airbus-Flotte wurde in den frühen 1990er Jahren eingesetzt und bereitet seit Jahren immer wieder Probleme. Inzwischen sind aber neun neue Flieger bestellt.