Rom (dpa) – Schwere Kost, wie etwa Shakespeare sie schuf, sowas liegt ihm nicht. Dario Fo sieht sich eher als Possenreißer, als Satiriker, als Pantomimen. «Ich bin nicht mit der Idee zum Theater gegangen, Hamlet zu spielen, sondern mit der Ansicht, ein Clown zu sein, ein Hanswurst», sagte er, als er 1997 den Literaturnobelpreis erhielt. Kaum einer in Italien verfügt über einen solchen Sprachwitz und ein solches Talent zum Geschichtenerzählen wie er. Am Donnerstag (24. März) wird der Polit-Clown 90 Jahre alt.
«Die Macht, und zwar jede Macht, fürchtet nichts mehr als das Lachen, das Lächeln und den Spott», so Fos Credo. Satire sei letztlich nichts anderes, als das schlechte Gewissen der Macht. Deshalb war es wohl kein Zufall, dass Fo rund 40 Mal wegen Beleidigung und Verhöhnung der Mächtigen vor Gericht geladen wurde. Mehrmals wurde er gleich von der Bühne abgeführt.
Lüsterne Päpste
Im Theater verkörperte er bereits lüsterne Päpste, skurrile Politiker und redegewaltige Trunkenbolde. «Wir sind Flegel, und wie alle Flegel dieser Welt gefällt es uns, zu lachen und zu spotten, grotesk, vulgär und manchmal auch possenhaft zu sein», sagte der für seine ausdrucksstarke Mimik bekannte Norditaliener einmal.
Sein außergewöhnliches Talent und seine politische und soziale Theaterarbeit wurden in Stockholm mit dem Nobelpreis gewürdigt – und die versammelte Literaturwelt staunte. Das Komitee aber hatte gute Gründe und bezeichnete ihn als Schriftsteller, «der in Nachfolge der mittelalterlichen Gaukler die Macht geißelt und die Würde der Schwachen und Gedemütigten wieder aufrichtet».
Mit Blick auf seine im Jahr 2013 gestorbene Frau Franca Rame sprach Fo stets von «unserem Nobelpreis». Über 70 Stücke haben die beiden gemeinsam geschrieben, seit sie 1954 geheiratet hatten. Dabei war Fo zunächst zu schüchtern, um die wunderschöne und elegante Schaustellertochter anzusprechen. Da ergriff Franca kurzerhand die Initiative: «Eines Tages habe ich ihn hinter der Bühne abgefangen, ihn an die Wand gedrückt und geküsst.»
Fo träumt noch von Rame
Fast 60 Jahre lang gehörten Fo und Rame zusammen wie Pech und Schwefel, waren ein eingespieltes Paar, im wörtlichen wie im sprichwörtlichen Sinne, standen sie doch oft gemeinsam auf der Bühne. Noch Jahre nach Rames Tod sagte er in Interviews, er träume jede Nacht von ihr.
Bereits seit Ende der 1960er Jahre feierte das Paar Erfolge, die vor allem Fo schnell über die Grenzen der Heimat hinaus berühmt machten. «Dario ist ein Momument, ich bin seine Basis», pflegte Franca zu sagen. Denn ohne Basis könne eine Statue nicht stehen.
Mehr als 30 Werke Fos wurden ins Deutsche übersetzt, darunter «Mistero Buffo» (1969), «Die offene Zweierbeziehung» (1983), «Sex? – Aber mit Vergnügen!» (1994) und «Der Teufel mit den Titten» (1997) – und die Titel verraten, wie schmunzelnd, beißend und obszön es da manchmal zugeht. Ob Mafia oder Waffenindustrie, Kirchenstaat oder Umweltsünden – Fo hat sie alle im Visier.
Commedia dell‘Arte
Seine Inspiration findet er auch immer wieder im traditionellen Theater der Commedia dell‘Arte und deren gesellschaftskritischen Monologen. Tabus kennt er nicht, die Provokation ist sein täglich Brot. Selbst ein Schlaganfall im Sommer 1995 brachte ihn nicht zum Schweigen: 2006 kandidierte er zum zweiten Mal – vergeblich – für das Amt des Bürgermeisters in Mailand.
2012 erschien sein Theater- und Buchprojekt «Picasso desnudo». Zwei Jahre später gestand er, dass er dafür zusammen mit seiner Malschule rund 80 Werke des spanischen Künstlers gefälscht hatte, um so Zwist mit Picassos Erben aus dem Weg zu gehen. Denn als Picassos Sohn übertriebene Summen für die Bildrechte gefordert habe, da habe er sich gedacht: «Dann mache ich eben falsche Picassos.» Später waren die Gemälde unter dem Titel «Falso Picasso» unter anderem bei Ausstellungen in Deutschland zu sehen.
Überhaupt ist kaum bekannt, dass der Autor Fo auch seit über 75 Jahren zeichnet und malt. Beide Talente verbinden sich oft zu einem Ganzen, wie er einmal erklärte. «Ich kann nicht schreiben, wenn ich nicht gleichzeitig die Möglichkeit habe, zu zeichnen, zu malen.» Nicht selten helfe das Malen ihm, eine Schreib-Krise zu überwinden. Auf der Leinwand «legt sich dann offen, was ich eigentlich schreiben wollte».