
Arschloch, Ratte, Scheiße – aus dem Mund eines Kleinkindes. Wenn der Nachwuchs die Sprache entdeckt, kann das Blüten treiben. Doch wie reagiert man als Mutter oder Vater, wenn das vierjährige Kind plötzlich «Hallo Arschloch» sagt?
Der Erziehungsberater und Buchautor Jan-Uwe Rogge erklärt im Interview, warum die für Eltern manchmal irritierende Schimpfwort-Nutzung der Kleinen nichts Ungewöhnliches ist und man das ab einem bestimmten Alter dennoch nicht mehr nur weglächeln sollte.
Herr Rogge, gibt es so etwas wie eine Schimpfwortphase bei kleinen Kindern?
Jan-Uwe Rogge: Viele Eltern erzählen, dass das zwischen dem zweiten und vierten Lebensjahr anfängt. Das hat mit der kindlichen Entwicklung zu tun. Wenn das Kind in den Kindergarten kommt, trifft es mit älteren Kindern zusammen, die solche Worte nutzen. Und auch bei den Eltern wird das Kind hellhörig. Beispielsweise, wenn es mit im Auto sitzt und Papa, es sind meistens die Väter, sich über einen anderen Autofahrer ärgert und «Du Arsch!» ruft.
Dazu kommt: Worte wie Arschloch oder Scheiße faszinieren Kinder auch von der Art und Weise, wie man sie spricht. Scheiße zum Beispiel hat auch etwas Weiches im Wortklang.
Die Eltern machen dann große Augen. Ist es auch die Reaktion der Großen, die Kleinkinder fasziniert und animiert, solche Wörter zu sagen?
Rogge: Das Kind kommt aus dem Kindergarten und sagt: «Hallo Arschloch!» Dann guckt es Mama oder Papa an, sieht, wie deren Augenlid zuckt – und weiß: Treffer versenkt.
Wenn Eltern darauf reagieren, merken Kinder: Das ist etwas, mit dem können sie jede langweilige Situation aufmischen. Man nimmt das kleinen Kindern ja nicht übel, in aller Regel.
Nun wollen Eltern in der Regel nicht, dass das Kind mit solchen Wörtern und Sätzen um sich wirft. Wie lässt sich das eindämmen?
Rogge: Wichtig ist, dass man das Verständnis für die sprachlichen Grenzüberschreitungen seines Kindes nicht mit Akzeptanz verwechselt. So zu tun, also würde man es überhören, ist nicht ratsam – gerade, wenn es gegen die eigene Person geht. Zur Kommunikation zwischen Eltern und Kind gehört nämlich Wertschätzung und Respekt.
Wenn das Kind ein Wort wie Arschloch in einer Frustsituation sagt, kann ich das natürlich verstehen: Es ist Ausdruck von Ärger. Aber ich muss dem Kind auch verdeutlichen, dass solche Worte etwas mit mir als Mutter oder Vater machen. Dass das berühren und verletzen kann.
Ich finde wichtig, so etwas spätestens vom vierten bis fünften Lebensjahr an klar zu vermitteln. Nicht unbedingt in der Situation, sondern vielleicht fünf bis zehn Minuten später: Wenn ich mich beruhigt habe und auch das Kind wieder in einem anderen Gefühlszustand ist.
Ein Kind muss spüren: Ich habe die Freiheit, Arschloch zu sagen. Ich muss aber auch die Verantwortung für die Wirkung meiner Worte übernehmen und wissen, dass das bei dem anderen etwas auslösen kann. Das ist eine immerwährende Aufgabe für Eltern. Das Kind wird älter und in der Entwicklung – vom Grundschulalter bis zur Pubertät – taucht das Thema immer wieder auf. Aber je früher man damit anfängt, desto besser ist das.
Das gilt umgekehrt genauso: Eltern überschreiten in emotionalen Situationen manchmal selbst sprachliche Grenzen – dafür sollten sie sich entschuldigen. Sie können damit Vorbild sein, weil sie dem Kind zeigen: Mir passiert das auch, und ich habe dann die Souveränität, um Verzeihung zu bitten.
ZUR PERSON: Jan-Uwe Rogge, 1947 geboren, ist seit fast 50 Jahren als Familien- und Kommunikationsberater tätig und hat mehrere Sachbücher zu Erziehungsthemen geschrieben.