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«Ein Putsch zuviel» – Westafrika berät über Militäreinsatz

Ein «Putschgürtel» von Militärregierungen zieht sich durch Afrika vom Roten Meer bis an den Atlantik. Vor gut zwei Wochen gab es noch eine Ausnahme: den Niger. Nun erwägt die Ecowas drastische Schritte gegen die jüngsten Putschisten. Doch vieles spricht dagegen.

Zwei Wochen nach der Machtübernahme des Militärs im Niger berät die westafrikanische Staatengemeinschaft Ecowas an diesem Donnerstag über das weitere Vorgehen gegen die Putschisten. Unter dem Vorsitz von Nigerias Präsident Bola Tinubu hatte die Ecowas weitere Maßnahmen bis hin zu einer Militärintervention angedroht, sollte die Junta die verfassungsmäßige Ordnung nicht wiederherstellen und den seit zwei Wochen in seiner Residenz in der Hauptstadt Niamey festgehaltenen Präsidenten Mohamed Bazoum wieder einsetzen. Eine von der Ecowas gesetzte Sieben-Tages-Frist verstrich jedoch am Sonntag.

Ein Staatsstreich in einer entscheidenden Region

Der Niger war bis zum Staatsstreich ein strategisch wichtiger Verbündeter der USA und europäischer Länder sowie die letzte Demokratie in der Sahelzone am Rand der Sahara. Frankreich und die USA haben dort wichtige Stützpunkte mit je mehr als 1000 Soldaten, die Bundeswehr betreibt ein Logistik-Drehkreuz im Land. Nach Putschen in den Nachbarstaaten Mali und Burkina Faso, die sich danach Russland zuwandten, galt der Niger für demokratische Staaten als letzter Partner in einer Region, die seit mehr als einem Jahrzehnt von wachsendem islamistischen Terror heimgesucht wird und zu einem Zentrum des Dschihad geworden ist. Durch den Niger führt auch eine zentrale Migrationsroute über Libyen nach Europa.

Das 26-Millionen-Einwohner-Land mit der höchsten Geburtenrate der Welt ist dreieinhalbmal so groß wie Deutschland. Trotz Bodenschätzen wie Gold und Uran leben mehr als 40 Prozent der Bevölkerung in extremer Armut. Präsident Bazoum regierte seit 2021 – im Zuge des ersten demokratischen Machtwechsels, seit der Niger 1960 seine Unabhängigkeit von der Kolonialmacht Frankreich erlangte. Viermal kam es vor seiner Amtszeit bereits zu Militärputschen, zuletzt 2010.

«Ein Putsch zu viel» – Warum die Nachbarstaaten mit Militär drohen

Am 26. Juli setzte Nigers Präsidialgarde unter General Abdourahamane Tiani den Präsidenten in seiner Residenz fest, weil dieser Beobachtern zufolge Tiani an der Spitze der Eliteeinheit auswechseln wollte. Nach ersten Spekulationen über einen internen Machtkampf schlossen sich auch die anderen Zweige der Streitkräfte dem Putsch an, verkündeten «das Ende des Regimes» und lösten alle verfassungsmäßigen Institutionen auf. Tiani übernahm die Macht.

Für die Ecowas war es «ein Putsch zu viel», sagte die senegalesische Außenministerin Aïssata Tall Sall. Nach Mali, Burkina Faso und Guinea ist der Niger das vierte von 15 Ecowas-Mitgliedsländern, in dem seit 2020 das Militär die Macht ergriffen hat – alle vier sind nun suspendiert. Am 30. Juli verhängte die Ecowas Sanktionen gegen den Niger und forderte die Wiedereinsetzung Bazoums sowie die Wiederherstellung der Verfassung binnen einer Woche – ansonsten erwäge man auch Gewalt.

Experten sehen hinter der Drohung vor allem Nigerias Präsident Bola Tinubu. Keine vier Wochen vorher hatte der neue Präsident von Afrikas bevölkerungsreichstem Land bei seiner Übernahme des Ecowas-Vorsitzes die Verteidigung der Demokratie gegen die Putsch-Welle beschworen. «Ich denke, dass es eine bewusste Entscheidung war, um dem Vorwurf zu begegnen, Ecowas würde ein weiteres Mal nur zusehen, wie das Militär die Macht übernimmt», sagte die Nigeria-Büroleiterin der Konrad-Adenauer-Stiftung, Marija Peran.

Der Senegal, die Elfenbeinküste und Benin würden sich einer möglichen Intervention anschließen. Ein von Ecowas-Militärchefs beschlossener Plan sieht einem Bericht des französischen Senders RFI zufolge eine Einsatztruppe von 25 000 Soldaten aus den vier Ländern vor, die meisten davon aus Nigeria, das mit rund 230 000 Soldaten über eine der größten Armeen Afrikas und eine mächtige Luftwaffe verfügt. Die Ecowas hat unter nigerianischer Beteiligung mehrere erfolgreiche Einsätze in der Region durchgeführt – zuletzt 2017 im Gambia. Dabei handelte sie jedoch stets auf Einladung des jeweiligen Staats.

Gegen eine Militärintervention spricht vieles

Die suspendierten Ecowas-Mitglieder Mali, Burkina Faso und Guinea stellten sich dagegen auf die Seite der Putschregierungen. Mali und Burkina Faso erklärten, jegliche Intervention auch als «Kriegserklärung» aufzufassen. Die Militärjunta im Niger schloss den Luftraum und stellt sich auf die Verteidigung ein. Demonstrativ besuchte eine Delegation aus Mali Tiani zu Gesprächen über die militärische Zusammenarbeit, während eine US-Spitzendiplomatin und Verhandlungsdelegationen der Ecowas ihn nicht zu Gesicht bekamen.

«Ein Militärschlag kann sehr schnell ein Flächenbrand werden. Praktisch kann ich mir das nicht vorstellen», sagte Sahel-Regionalleiter Ulf Laessing von der Konrad-Adenauer-Stiftung. Der Afrika-Analyst Ben Hunter von der britischen Beratungsfirma Verisk Maplecroft warnte: «Das wäre kein Vorgehen gegen Rebellen mehr sondern ein zwischenstaatlicher Krieg und einer der größten Kriege, den Westafrika je erlebt hat. Es hätte katastrophale Auswirkungen auf die gesamte Sahelzone. Es wäre ein gigantisches Risiko für Ecowas.»

Nach anfänglich hitzigen Worten kühlte die Tonlage auch seitens Nigerias etwas ab. Nicht nur Deutschland, die USA und Russland betonten zuletzt erneut, wie wichtig eine diplomatische Lösung sei, auch Nigerias Präsident Tinubu ließ sich am Dienstag damit zitieren.

Auch in Nigeria selbst ist die Aussicht auf eine Intervention im Niger, die über die 1600 Kilometer lange Grenze der beiden Länder geführt werden müsste, extrem unbeliebt. Die Sicherheitslage in dem Land mit rund 220 Millionen Einwohnern ist vor allem entlang dieser Grenze katastrophal, neben Terrorismus und Bandengewalt im Norden herrschen blutige Landkonflikte im Zentrum und Separatistengewalt im Südosten. «Das nigerianische Militär ist jetzt schon personell so unterbesetzt, dass sie die Probleme nicht stemmen können», gab Expertin Peran zu bedenken. Der Senat verweigerte die Zustimmung für Truppenentsendung.

Nigers Militär ist auch vom Westen stark aufgebaut worden

Eine Interventionstruppe anderer Ecowas-Staaten könnte in einer Konfrontation durchaus auch unterlegen sein, meinen Militärexperten. Europäische Staaten hatten in den vergangenen Jahren große Hoffnungen in den Niger gesetzt, das als «Anker» für die Stabilität in der Sahelregion ausgebaut werden sollte. Der Niger selbst hatte noch 2020 angekündigt, die Zahl seiner Soldaten bis 2025 von 25 000 auf 50 000 zu verdoppeln.

Allein mit der deutschen Spezialkräfte-Mission «Gazelle» wurden rund 500 nigrische Soldaten ausgebildet. Im Westen des Nigers baute Deutschland dafür eine ganze Kaserne für das 41. Spezialkräfte-Bataillon des Landes aus. Ausrüstung und Uniformen, Fahrzeuge, Sturmgewehre und MGs sowie Kommunikationsgeräte wurden für die Spezialkräfte beschafft. Weitere der 12 Spezialkräfte-Bataillone im Niger wurden von anderen «Western Partner Nations» – USA, Kanada, Italien, Belgien und teils auch Frankreich – gefördert.

Das bedeutet nicht, dass die nigrische Armee die Lage insgesamt im Griff hat. Militärintern waren die Lageeinschätzungen oft skeptisch. Das Verteidigungsministerium bewertete gegenüber dem Bundestag im Oktober die «Lage in den Einsatzgebieten» in einigen Regionen wie entlang der malisch-burkinischen Grenze und an Teilen der Grenze zu Nigeria als «überwiegend nicht kontrollierbar». Die nigrischen Kräfte seien nicht in der Lage, ohne Unterstützung gegen Dschihadisten vorzugehen. Auch deswegen gibt es in Berlin die Hoffnung, dass die Putschisten oder Teile der Streitkräfte ihren Kurs korrigieren.

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