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Druck und Grip: Das Wichtigste rund um Fahrradreifen

Die Reifen zählen am Fahrrad zu den wichtigsten Komponenten: Sie stellen den Kontakt zum Boden her und entscheiden über Fahrkomfort, Sicherheit und Effizienz. Alles zur Modellauswahl und Pflege.

Sie werden oft vernachlässigt, bis sie Risse bekommen. Dabei können Fahrradfahrer und Fahrradfahrerinnen den Reifen eigentlich gar nicht genug Aufmerksamkeit schenken. Sie sind das einzige Bauteil am Bike, das für Bodenhaftung sorgt.

Und je nach Einsatzszenario kann der Fahrradreifen sogar eine Vollfederung ersetzen. «Auf einer Fläche deutlich kleiner als eine Postkarte überträgt er Bremskraft und Beschleunigungsenergie und unzählige kleinster Lenkimpulse – bei jeder Fahrt», sagt Thomas Geisler vom Pressedienst-Fahrrad (pd-f) in Göttingen.

Wissenswertes in fünf Kapiteln:

1. Die Reifentypen

Am weitesten verbreitet sind laut Allgemeinem Deutschen Fahrrad-Club (ADFC) Drahtreifen, auch Clincher genannt. Ihr Name bezieht sich auf einen Metalldraht, der in den Wulst eingearbeitet ist. Der Draht hält die Karkasse – also das Grundgewebe – auf einer u-förmigen Felge, erklärt Geisler. Dieses Grundgewebe trägt die Gummischicht an der Lauffläche und an den Reifenflanken.

Zwischen Gummi und Gewebe befindet sich meist ein Pannenschutzgürtel aus Kevlar oder Spezialkautschuk. «Doch so “unplattbar”, wie manche Werbung verspricht, sind auch diese Reifen nicht», schreibt die Stiftung Warentest auf ihrer Webseite. Gegen Stiche oder Risse von der Seite und Verschleißerscheinungen seien sie nicht geschützt.

Robuste Schläuche und tubeless Reifen

Schläuche sind unterschiedlich robust: Am häufigsten werden sie aus einem synthetischen Kautschuk hergestellt (Butyl). Er hält die Luft besser hält als Schläuche auf Naturkautschuk (Latex). Schläuche aus Latex sind dafür leichter und haben einen geringeren Rollwiderstand.

Während gängige Reifen grundsätzlich einen Schlauch haben, gibt es auch «tubeless»-Reifen – in letzter Zeit beliebt an Mountain- und Gravelbikes. Auch im Radrennsport sind sie im Kommen. So wurde etwa Tour de France 2021 mit «tubeless»-Reifen gewonnen.

Um dicht zu halten, benötigen die Reifen aber spezielle Felgen mit luftdichtem Felgenbett. Das ist teurer. Auch die Montage ist schwieriger. Über das Ventil muss man eine spezielle Dichtmilch einfüllen. Sie verschließ kleinere Risse oder Löcher gleich wieder.

Faltreifen, Schlauchreifen und Extremreifen

Schlauchreifen sind im Alltag weniger anzutreffen. Bei ihnen ist der Schlauch in die Karkasse eingenäht, mit Reifenklebeband wird diese Konstruktion ins Felgenbett eingeklebt. Zum Einsatz kommen sie vorwiegend im Radsport, da sie leichter sind als Drahtreifen.

Eine Variante mit separatem Schlauch sind Faltreifen. Auch sie wiegen weniger als Drahtreifen und sind teurer. Dafür kann man sie aber platzsparend ins Radreisegepäck verstauen, so Geisler.

2. Die Reifenbreite

Fahrradreifen gibt es in vielen Breiten: Radrennfahrer fahren manchmal mit nur 20 Millimeter schmalen Pneus, obwohl der Trend auch im Radsport zu breiteren Reifen geht.

Teils reichen die Breiten an sportlichen Gravelbikes oder komfortablen Alltagsrädern laut Roland Huhn vom ADFC bis zu über 60 Millimeter. Extremreifen von Fatbikes, sind noch einmal doppelt so breit – für eine optimale Traktion auf losem Grund wie Sand.

3. Der Reifendruck

«Den richtigen Reifendruck zu finden, ist gerade im sportlichen Bereich eine Wissenschaft für sich», sagt Geisler. Da der Luftdruck das Fahrverhalten beeinflusst, interessieren sich vor allem Sportler dafür. Alltagsradler vernachlässigen ihn oft, obwohl zu schlappe Reifen die Mäntel schnell altern lassen. Die Folge: kleine Risse.

«Wer unter dem Minimalwert fährt, schadet dem Reifen, dem Schlauch sowie der Felge und kann schwer stürzen», so der ADAC. Gegen den Reifenverschleiß hilft regelmäßiges Pumpen. Ist der Druck andererseits dauerhaft zu hoch, kann der Pneu platzen.

Man sollte also nicht erst beim Frühjahr-Check kontrollieren, ob der Reifen noch stramm genug ist. Auch den Mantel sollte man am besten regelmäßig untersuchen – auf kleine Eindringlinge in der Lauffläche.

«Weit verbreitet ist das Gegenteil: Wenige Male im Jahr knallhart aufpumpen und erst wieder an den Reifendruck denken, wenn er weit unter das Minimum abgesunken ist» sagt Huhn vom ADFC.

Tipp: Auf den Flanken von Fahrradreifen ist der minimal und maximal zulässige Reifendruck als Orientierung angegeben – in den Einheiten bar und psi. Pro Monat kann laut ADAC bis zu 1 bar Luft entweichen.

Reifendruck messen und korrigieren

Um den Druck zu messen, geeignet sich eine Standpumpe mit Manometer, also mit Druckanzeige. Technik-Nerds können auch einen Reifendrucksensor am Ventil anbringen – und so Druck und Reifentemperatur über einen Fahrraddisplay oder eine Handy-App im Auge behalten. Eher ungeeignet ist der Daumentest: «Druckunterschiede lassen sich oberhalb von 2 bar kaum fühlen», sagt Roland Huhn.

Als Grundregel gilt: Je dünner der Reifen ist, desto höher sollte der Luftdruck sein – Rennradfahrer auf ebenen Wegen und Asphalt fahren mit bis zu acht bar, um möglichst wenig Rollwiderstand bei optimaler Haftung zu erzielen.

Auf Wald-, Feld- oder Kieswegen ist weniger Luft im Reifen sinnvoll: «Der geringe Druck sorgt für viel Federungskomfort», so Huhn. Das könne sogar spezielle Federelemente überflüssig machen.

4. Das Reifenprofil

Wie das Gummi am Reifen beschaffen ist, spielt auch eine wichtige Rolle bei Parametern wie Haftung, Rollwiderstand und Grip. Grob unterschieden Experten zwischen Straßenreifen und Geländereifen.

Eine Extremform sind völlig profillose Pneus, Slicks genannt. Sie bieten auf fester, glatter Fahrbahn den besten Kompromiss zwischen möglichst guter Haftung und geringem Rollwiderstand.

Das Gegenteil davon sind Mountainbike-Reifen mit groben Stollen. Sie sorgen für guten Grip auf weichem Untergrund und in Kurven. «Außerdem müssen sie steile Anstiege ohne durchdrehende Hinterräder bewältigen können», sagt Geisler.

Das Beste aus zwei Welten – glatte Lauffläche und Seitenstollen

Reifen mit Mischprofil und speziellen Gummis erweitern den Einsatzbereich. Ein Beispiel dafür sind Gravelbikes. Die Rennräder fürs Grobe sollen schnell sein, aber auch auf Schotter Halt bieten.

Die Laufflächen ihrer Reifen sind mit reibungsarmen Schuppen oder einer Lamellenstruktur versehen. Das Profil an den Außenkanten sorgt für ein Plus an Traktion – also für mehr Zugkraft. Auch für Reiseräder eigenen sich laut ADFC Reifen mit eher glatten Lauffläche in Kombi mit Seitenstollen besser.

Vorschriften für die Profiltiefe gibt es bei Fahrrädern nicht – anders als bei Autos oder Motorrädern. Manche Reifen haben aber ein laufrichtungsgebundenes Profil. Ein Pfeil und das Wort «Rotation» auf der Flanke weisen darauf hin. Um die versprochene Performance nicht zu beeinträchtigen, sollte man das bei der Reifenmontage beachten.

5. Der Winterreifen

Nicht nur für Autos, auch für Fahrräder gibt es Winterreifen. Mit einem entscheidenden Unterschied: Am Bike sind Spikes hierzulande erlaubt – anders als am Kfz. Vor allem auf Eis und fester Schneedecke sollen die kleinen Metallstifte ein Wegrutschen verhindern.

«Bei Mindestluftdruck funktioniert das am besten, da so die meisten Spikes gleichzeitig Bodenkontakt haben», sagt Geisler. Das verkürzt im Zweifel auch manchen Bremsweg. Bei Reifen ohne Pins verbessert der reduzierte Luftdruck ebenfalls die Bodenhaftung.

Nachteile von Spikes: Ist die Straße eisfrei, gibt es Fahrgeräusche und der Rollwiderstand steigt. Zudem ist es umständlich, zur Wintersaison neue Reifen aufzuziehen.

Skins oder Allwetterreifen

Praktischer sollen Reifenüberzieher sein, die sich eine norwegische Firma hat patentieren lassen: Dabei wird eine zweite Außenhaut auf einen Basisreifen per Reißverschluss befestigt. Solche Skins gibt es auch für den Wintereinsatz.

Wer das ganze Jahr über Fahrrad fährt, kann sich aber auch für eine gängigere Alternative entscheiden: Ganzjahresreifen. Sie versprechen aufgrund eines speziellen Lamellenprofils und einer weicheren Gummimischung mehr Haftung auch bei Minusgraden.

«Normale Fahrradreifen verhärten dagegen bei kälteren Temperaturen, was zu Traktionsverlust führt», sagt Geisler. Allwetterreifen haben oft auch einen besseren Pannenschutz – «gerade auf mit Rollsplitt gestreuten Radwegen und Fahrbahnen ein nicht zu unterschätzender Faktor, um einen Platten zu verhindern.»

Tipps für die Lagerung im Winter

Wer das Rad im Winter einlagert, kann Schäden vorbeugen. Ideal ist es, wenn das Bike dabei hängt. So werden die Seitenwände der Reifen geschont. Falls das Rad steht, sollte der Reifen genügend Luft haben.

Die richtige Pflege begünstigt ein langes Reifenleben. Für Reifen mit Pannenschutz geben die Hersteller teils Laufleistungen von über 10 000 Kilometern an. Solche Reifen gibt es ab rund 25 Euro, während andere Fahrradreifen laut pd-f bei rund 15 Euro losgehen. Nicht viel weniger kosten Pneus im Baumarkt – wobei man dort bei eingeschränkter Auswahl nicht so recht wisse, was man qualitativ bekommt.

Info-Kasten: Besonderheiten bei Reifen für Pedelecs

Pedelecs, auch E-Bikes genannt, werden oft robuster gebaut. Und durch den Motor sowie Akku sind sie schwerer als normale Fahrräder – laut ADAC kann das Mehrgewicht zwischen fünf und zehn Kilogramm betragen.

Entsprechend mehr belastet werden auch die Reifen. Sie sollten also ebenfalls robuster und breiter gebaut sein – und entsprechend höher solle auch ihr Reifendruck sein. Der ADAC bietet online eine entsprechende Tabelle zum Reifendruck mit Richtwerten.

Spezielle Pedelec-Reifen sind allein deshalb sinnvoll, weil in der Regel auch Beschleunigungs- und Bremskräfte bei elektrifizierten Velos höher sind, erklärt Tomas Geisler vom Pressedienst Fahrrad. Hersteller kennzeichnen Reifen für Pedelecs mit Bezeichnungen wie «E-Bike Ready».

Die schnellen S-Pedelecs, die bis 45 Kilometer pro Stunde unterstützen und rechtlich als Kraftfahrzeuge gelten, benötigen in Europa Reifen, die der ECE-R75-Zulassung entsprechen. Sie erkennt man an der Bezeichnung «E-Bike Ready 45».

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