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Das Ende der «Gummistiefelzeit» – Burkhard Henning sagt Tschüss

Burkhard Henning ist mehr als 20 Jahre Gestalter und Gesicht des Landesbetriebs für Hochwasserschutz und Wasserwirtschaft. Jetzt kommt der Ruhestand. Fast, denn einen seiner Schreibtische räumt er noch nicht.

«Ich wollte nicht nur Zahlen verwalten. Ich wollte die Gummistiefelzeit haben.» Burkhard Henning sagt diese Sätze ganz bewusst. Sie sind für ihn Leitlinien seiner mehr als 40-jährigen Dienstzeit. Draußen sein, sich ein Bild machen und mit den Menschen vor Ort reden – diese Grundsätze hat er stets eingehalten. Er hat gummibesohlt in der Sommersonne auf aufgeweichten Deichen gestanden, hat in gewaltigen Hubschraubern gesessen, Politikerhände geschüttelt, getröstet, gestritten und geschlichtet. «Ich war die wenigste Zeit in diesem Zimmer hier», sagt er und lässt den Blick durch sein Magdeburger Büro schweifen. Ende dieses Monats geht Sachsen-Anhalts «oberster Deichherr» in den Ruhestand. 

In den vergangenen zwei Jahrzehnten hat sich der 65-Jährige als Direktor des Landesbetriebs für Hochwasserschutz und Wasserwirtschaft (LHW) öfter als gewollt die Gummistiefel anziehen müssen. Die großen Fluten 2002 und 2013 sind Meilensteine seiner Dienstzeit. «Da gab es viele Momente, wo man gepustet hat.» Längst weiß er: «Die schlimmste Zeit kommt immer danach.» Und das man sich selbst in großen Katastrophenzeiten nicht unbegrenzt fordern kann. 

Henning kommt im Juli 1957 in Prenzlau in der Uckermark zur Welt. Er hat drei Geschwister. Seit 1969 ist Magdeburg sein «Dreh- und Angelpunkt». Erst studiert er Wasserwirtschaft und Wasserbau und startet 1983 seine Karriere in der Wasserwirtschaftsdirektion Untere Elbe. Er etabliert sich als «Praxismann ohne Schonzeit» und bekommt 1987 seinen ersten Leitungsposten. «Eine Riesenchance.» 

Die Wendezeit ist quirlig und voller Umstürze. In Sachsen-Anhalt werden 1990 Regierungsbezirke in Magdeburg, Halle und Dessau und die entsprechenden Strukturen geschaffen. Für Henning eine Zeit des «Rüberschauens in die BRD» und der Fortbildungen und Seminare. 1991 wird Henning, der in Barleben bei Magdeburg wohnt und verheiratet ist, Dezernatsleiter im Regierungspräsidium Magdeburg, Abteilung Landwirtschaft, Forsten und Umwelt. «Und dann hat man mich noch zum stellvertretenden Abteilungsleiter gemacht. Dabei war ich der Jüngste. Das war wie Einschulung», sagt er.  

1996 endet für Henning die «Aufbauzeit». Er wird Direktor des Staatlichen Amtes für Umweltschutz, sein Schreibtisch steht damals wie heute in einem repräsentativen Gebäude in der Magdeburger Innenstadt. 500 Menschen sind ihm seinerzeit unterstellt, beim LHW sind es zuletzt etwa 400 Wasserwirtschaftler, Chemiker, Biologen, Laboranten, Ingenieure, Techniker und Facharbeiter.

2001 bekommt er das «LHW-Projekt» auf den Tisch und macht sich an die Umsetzung. Dass er bei Gründung am 1. Januar 2002 dessen Direktor wird, bezeichnet er als Ehre. Mehr als 20 Jahre gibt er dem Landesbetrieb eine Richtung und ein Gesicht. 

Noch nicht fertig mit dem «Sortieren» im LHW, erreicht im August 2002 eine Jahrhundertflut das Land. «Ich sollte da eigentlich zu einer dringenden OP ins Krankenhaus, die ich dann aber verschoben habe», sagt Henning. An Elbe und Mulde heißt es «Land unter», die Situation ist brenzlig. Zu diesem Zeitpunkt kreuzen sich Hennings Wege erstmals mit denen von Wolfgang Milch. Der Ministerialdirigent übernimmt einen Monat vor dem Hochwasserereignis die Leitung der Abteilung «Wasserwirtschaft». «Das Hochwasser 2002 hat uns eng aneinandergebunden», sagt der 69-Jährige. Henning sei für ihn über all die Jahre zum «Partner auf Augenhöhe» geworden.

Im Winter 2003 ist wieder Hochwasser. Der frisch operierte LHW-Direktor beobachtet es nach eigener Aussage vom Krankenhaus aus. Kaum entlassen, fährt er sofort nach Glindenberg an die Elbe. «Ich musste auf den Deich.» Bis zum verheerenden Hochwasser 2013 steht Henning noch auf vielen Deichen, etwa 2006 in Magdeburg, 2010 an der Schwarzen Elster und 2011 an der Saale.

Vor zehn Jahren passiert dann das schier unfassbare – Elbe und Saale überschwemmen weite Landesteile in noch nie dagewesenem Ausmaß. Es kommt zu Milliardenschäden. Henning zieht als ausgebildeter Leiter eines Katastrophenschutzstabes die Fäden im Zentralen Einsatzstab (ZES) des LHW. Versucht, als besonnener Manager einen kühlen Kopf zu behalten. «Wir waren vier Wochen in Gange. Das war schon krass.»

Um Fehler zu vermeiden, praktiziert er den 12-Stunden-Takt. «Es braucht Ruhezeiten. Ich schicke die Leute dann nach Hause. Sie müssen ruhen und essen, um arbeitsfähig zu bleiben.» Auch er selbst habe zu dieser Zeit keine Nacht im Büro geschlafen. 

Am 30. Juni hat Henning seinen letzten Arbeitstag im LHW. Im September soll er offiziell verabschiedet werden. Bis dahin will er auch Urlaub machen. «Am liebsten Ostsee und Nordsee», sagt er. Doch so ganz geht er nicht. Im Talsperrenbetrieb Sachsen-Anhalt (TSB), den er seit 1997 ebenfalls leitet, bleibt er erstmal der Chef. Und das mindestens bis Jahresende. War das der Plan? Henning lacht. «Mein Plan war es, mit 63 aus dem LHW auszuscheiden und dann noch drei Jahre im TSB zu machen. Ist nicht so ganz aufgegangen, würde ich sagen.» Seine Frau habe ihm stets den Rücken gestärkt. «Ich habe das gelebt, zum Nachteil meiner Familie.» 

Für Milch, der seit Juli 2018 im Ruhestand ist, ist Henning vor allem ein «glänzender Kommunikator». «Er hat es in allen prekären Situationen verstanden, den Menschen draußen klar zu erklären, was vor sich geht und was kommen wird.» Auf die Frage nach den Stärken seines langjährigen Wegbegleiters, sagt Milch ohne zu überlegen: «Sein hohes, fachliches Niveau, seine weite Praxiserfahrung und seine auf den Menschen ausgerichtete Führungsfähigkeit.»   

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