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Athen: Kein Geld für NS-Unrecht

Griechenland sitzt auf einem Schuldenberg von gut 300 Milliarden Euro, die Pleite naht. Die ersehnte Hilfe der Europartner lässt aber auf sich warten. Für neue Missstimmung in Berlin sorgen stattliche Reparationsforderungen für NS-Verbrechen.

Kasperltheater: Politische Aktivisten mit Masken des griechischen Premiers Alexis Tsipras (links), des deutschen Finanzministers Wolfgang Schäuble (Mitte) und der Bundeskanzlerin Angela Merkel (rechts) vor dem Parlament in Athen am 15. Februar 2015.
Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) trifft den griechischen Finanzminister Yanis Varoufakis (r.) am 5.2.2015 im Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie in Berlin.

Athen (dpa) – Deutschland lehnt neue Forderungen Griechenlands nach 278,7 Milliarden Euro als Wiedergutmachung für NS-Verbrechen ab. Vizekanzler Sigmar Gabriel sagte am Dienstag, die Reparationsfrage sei juristisch erledigt. Der SPD-Chef nannte es «dumm», dies mit den Verhandlungen über Kredithilfen zu vermischen. Skeptisch bewerten die Europartner den Besuch von Ministerpräsident Alexis Tsipras an diesem Mittwoch in Moskau und warnten Athen, sich dem Kreml anzunähern.

Die Summe von rund 280 Milliarden Euro haben Experten des griechischen Finanzministeriums und der Zentralbank über zwei Jahre ausgerechnet. Sie entspricht knapp den Ausgaben im aktuellen Bundeshaushalt. Verlangt werden Entschädigungen für Kriegsverbrechen und -schäden sowie Ansprüche aus einer Zwangsanleihe, die 1942 die Bank von Griechenland der Deutschen Reichsbank geben musste.

Kein Schlussstrich, kein Geld
Deutschland pocht dagegen auf ein Abkommen von 1960, nach dem Athen 115 Millionen Mark ausgezahlt wurden. Das Bundesfinanzministerium bekräftigte seine Position, rechtlich seien die Ansprüche abschließend abgegolten.

Gabriel räumte ein, dass Deutschland weiter moralische Verantwortung trage. Es dürfe keinen «Schlussstrich» geben, sagte er – ohne konkret zu werden.

Der SPD-Chef riet den Deutschen außerdem, den Griechen Respekt für deren Einbußen und Opfer im Zuge der harten Sparbeschlüsse zu zollen. Dort büßten nun die Normalbürger dafür, dass ihre Eliten das Land «ausgeplündert» hätten. Griechenland müsse in der Eurozone wieder auf die Beine kommen – «und nicht außerhalb». 

Ohne rasche Hilfen droht Athen schon bald der Staatsbankrott. Die Euro-Partner und der IWF haben Kredite von 7,2 Milliarden Euro auf Eis gelegt, weil viele Reformauflagen nicht erfüllt sind. Die bisherigen Hilfen für Griechenland belaufen sich auf 240 Milliarden Euro, etwa 55 Milliarden Euro entfallen auf Deutschland.

Politische Unterwerfung?
Verteidigungsminister Panos Kammenos beklagte, Deutschland wolle sein Land politisch unterwerfen. Es gehe Berlin um eine Nachricht an den Rest Europas, dass Deutschland in Europa kommandiere, sagte der Chef der rechtspopulistischen Partei der Unabhängigen Griechen (Anel). Kammenos regiert seit Ende Januar in einer Koalition mit dem Linksbündnis Syriza von Tsipras.

Griechenland wolle keinen Austritt aus der Eurozone, sagte Kammenos. Sollte es aber zum Bruch kommen, werde Athen Abkommen mit «wem es auch kann» schließen – etwa den USA, Russland, China, Indien und anderen Ländern. Die Regierung in Athen habe sich deswegen auf der ganzen Welt umgehört. Er warnte, bei einem «Grexit» müssten die Geldgeber «gleich 320 Milliarden Euro an griechischen Schulden abschreiben» – dies ist die Gesamtsumme des über Jahrzehnte aufgehäuften griechischen Schuldenbergs.

Vorzeichen: Die Flaggen von Russland (links), Griechenland (Mitte) und Südkorea (rechts) während der Abschlussfeier der Olympischen Spiele 2014 in Sotschi im Olympiastadion am 23. Februar 2014.

Russische Karte
Bei dem Treffen von Tsipras mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin stehen nach Angaben aus Athen Kooperationen im Tourismus und Handel im Mittelpunkt. Es sollen mehrere Abkommen unterzeichnet werden. Weitere Themen sind die Beziehungen zwischen der EU und Russland, die von der EU verhängten Sanktionen gegen Moskau und umgekehrt das von Russland verhängte Embargo gegen EU-Produkte. Der Einfuhrstopp für Agrarprodukte schmerzt Athen besonders. Zu dem Thema sagte ein Sprecher der EU-Kommission, alle Mitgliedstaaten müssten mit einer Stimme sprechen, auch gegenüber Russland. Der griechische Regierungssprecher beteuerte: «Griechenland blickt nirgendwo anders hin als nach Europa.»

In Brüssel wollten am Mittwoch die Finanzstaatssekretäre der 19 Euroländer zusammenkommen, um über Griechenland zu beraten. Beschlüsse stehen laut Diplomaten nicht an, da Experten in Brüssel und in Athen immer noch über eine Reformliste verhandeln.

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