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Als Azubi ins Ausland – kein Privileg für Studierende

Backen in Bordeaux - das war für Frederike schon während ihrer Ausbildung möglich. Denn Auslandsaufenthalte werden schon längst nicht mehr nur für Studenten gefördert. Und auch Betriebe könnten davon profitieren.

In Deutschland backt sie Kaiser-Brötchen, in Frankreich durfte Frederike sich auch an Baguette und Brioche versuchen. «Im Ausland zu arbeiten ist zwar herausfordernd, aber man lernt auch wirklich viel dazu», berichtet die Bäckerin, die nur mit ihrem Vornamen genannt werden will. Die 24-Jährige war während ihrer Ausbildung für ein dreiwöchiges Praktikum in Bordeaux. «Das war mal etwas anderes als Sauerteig», sagt sie. Und noch etwas hat die junge Bäckerin in Bordeaux erfahren: Nicht nur Studierende können Erasmus nutzen – was sie auch später noch selber auskosten durfte.

Erasmus+ ist das Programm der Europäischen Union zur Förderung von allgemeiner und beruflicher Bildung, Jugend und Sport in Europa. Für Auslandsaufenthalte in Ländern, die Erasmus+ nicht abdeckt, gibt es das Förderprogramm AusbildungWeltweit. Ausbildungsbetriebe, Kammern, überbetriebliche Ausbildungszentren oder berufliche Schulen können Zuschüsse für ihre Auszubildenden beantragen.

«Das Programm Erasmus+ möchte allen Lernenden Auslandsaufenthalte ermöglichen», sagt Kristin Wilkens von der Nationalen Agentur beim Bundesinstitut für Berufsbildung. Demnach können Azubis in einer schulischen oder dualen Ausbildung während ihrer Lehre und sogar bis zu einem Jahr nach Abschluss gefördert werden. Auch für Meisterschüler und junge Menschen, die vor der Lehre einen berufsvorbereitenden Kurs absolvieren, bestehe die Möglichkeit. «Der Vertrag mit dem Ausbildungsunternehmen bleibt erhalten», sagt Wilkens. «Das heißt, die Vergütung läuft weiter.»

Während einige Unternehmen ihre Auszubildenden bei dem Reisevorhaben unterstützen, müssen andere erst überzeugt werden. «Betriebe, die ausbilden, weil sie gute Fachkräfte brauchen, die sehen ganz klar den Nutzen eines Auslandsaufenthaltes in der Berufsausbildung», betont Wilkens. «Andere Ausbilder, die zum ersten Mal von der Idee hören, sind mitunter skeptischer und müssen noch von den Vorteilen überzeugt werden. Wenn ein Unternehmen aber einmal einen Azubi entsendet hat, dann ist es in der Regel an Bord.»

So auch die hessische Bäckerei Biokaiser, in der Frederike ihre Lehre absolviert hat. «Sie war unsere erste Azubi, die während der Ausbildung ins Ausland gegangen ist», sagt Bäckereichef Volker Schmidt-Sköries. «Wir werden die Möglichkeit weiter fördern – unter anderem deswegen, weil wir uns davon sowohl verstärkte interkulturelle und fachliche Kompetenz als auch eine persönliche Entwicklung versprechen.»

Projektleiter Bill Liederwald, der bei der Deutschen Industrie- und Handelskammer für «Berufsbildung ohne Grenzen» zuständig ist, sieht aktuell seitens vieler Unternehmen wachsendes Interesse an Auslandsangeboten. Ein Grund dafür sind seiner Meinung nach die vielen unbesetzten Ausbildungsplätze – im Juni waren laut Arbeitsagentur bundesweit rund 256 000 Stellen noch unbesetzt. «Für die Betriebe ist das eine gute Möglichkeit, ihre Ausbildungsplätze attraktiver zu machen», meint Liederwald.

Das Projekt «Berufsbildung ohne Grenzen» unterstützt Auszubildende bereits seit 13 Jahren dabei, einen Aufenthalt im Ausland zu ermöglichen. «Unser Ziel ist es, eine Gleichwertigkeit zwischen dualer Ausbildung und Studium herzustellen», sagt Projektleiter Bill Liederwald. Die Programme seien unter Azubis allerdings weniger bekannt als unter Studenten. «Das liegt unter anderem daran, dass die Strukturen und Netzwerke durch die Universitäten häufig bereits viel ausgeprägter sind.»

In Vorlesungen oder in der Mensa seien Studenten von vielen Gleichaltrigen umgeben, mit denen sie sich über Auslandserfahrungen austauschen können, meint Liederwald. «Azubis in einem kleinen Betrieb haben oft niemanden, der sie auf den Gedanken bringt oder ihnen ganz konkret bei der Bewerbung helfen kann.»

Dieses Problem sieht auch Frederike: «Ohne mein Praktikum hätte ich wahrscheinlich bis zum Ende meiner Ausbildung nicht erfahren, dass ich auch Erasmus nutzen kann.» Das Praktikum organisierte demnach ihre Berufsschule. Vor Ort in Bordeaux habe sie einen Erasmus-Koordinator kennengelernt, der ihr das Programm vorstellte. Danach bewarb sie sich für ein Stipendium.

Während der Corona-Pandemie brachen die Entsendezahlen stark ein, berichtet Kristin Wilkens. Im Jahr 2019 seien noch 26 900 Auslandsaufenthalte von der Nationalen Agentur bewilligt worden, im Jahr 2023 waren es nach Abschluss des Bewilligungszeitraums 25 300. Damit liege die Anzahl zwar noch leicht unter dem Vor-Corona-Niveau, doch das Interesse steige stetig. Auch Liederwald von «Berufsbildung ohne Grenzen» erkennt in der hohen Nachfrage, dass der Wunsch nach internationalen Erfahrungen aktuell stärker denn je sei. «Es wirkt fast ein bisschen so, als würden die Auszubildenden nach der Coronazeit ein Zeichen setzen wollen», bemerkt der Projektleiter. «So nach dem Motto: Ich kann wieder ins Ausland gehen, dann los geht‘s – jetzt erst recht.»

Auch Frederike lässt sich die Möglichkeit nicht entgehen: Kurz nach ihrem Abschluss erhielt sie das Erasmus-Stipendium und begann ihre Reise durch Europa, wie sie berichtet. Elf Wochen arbeitete sie in Bäckereien in Österreich, vier Wochen in Spanien. Gehalt bekomme sie dafür nicht. Je nach Land und Aufenthaltsdauer werde die finanzielle Unterstützung des Stipendiums angepasst. Für die Zeit in Österreich standen Frederike nach eigenen Angaben etwas mehr als 2500 Euro zur Verfügung. «Davon konnte ich die Reisekosten, Unterhalt, Lebensmittel und eigentlich alles, was ich brauchte, bezahlen», erzählt sie.

Die Bäckerin hofft, dass in Zukunft mehr Auszubildende die Chance nutzen, andere Länder kennenzulernen. Für sie geht es in wenigen Tagen in die nächste Bäckerei nach Dänemark. «Ich stehe schon in den Startlöchern», sagt sie.

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