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Wohin in den Urlaub? Intuition schlägt Influencer

St. Gallen (dpa/tmn) – Wovon hängt es ab, an welche Orte wir reisen? Dieser Frage ist der Tourismusforscher Prof. Pietro Beritelli von der Universität St. Gallen intensiv nachgegangen. Eine Erkenntnis: Die schönen Bilder aus Werbung und von Influencerinnen und Influencern in sozialen Medien haben weniger Einfluss, als man denken würde. Es sind andere Dinge, die zählen, wie Beritelli im Interview erklärt.

Frage: Herr Beritelli, Sie haben in einer Studie untersucht, wovon Reiseentscheidungen abhängen. Welche Faktoren beeinflussen denn am meisten, wohin wir reisen?

Pietro Beritelli: Ich habe die Leute in längeren Gesprächen befragt, wo sie im Urlaub gewesen sind und vor allem: wie es dazu kam, dass sie dorthin gereist sind. Und die Antworten darauf ließen sich größtenteils in drei Gruppen aufgliedern.

Die erste Gruppe hat mit Beziehungen zwischen Menschen tun. Also man hat Freunde oder Verwandte besucht, man wurde eingeladen, vielleicht auf eine Hochzeit zum Beispiel. Oft haben die Leute gesagt: Ich habe es selbst nicht entschieden, sondern die anderen, mit denen ich gereist bin. Meistens ist man ja in einer Situation, wo ein Konsens gefunden werden muss, oder? Der einzelne Mensch ist eben oft nicht unabhängig beim Entscheiden, sondern er ist eingebettet in seine Familie, in seinen Freundeskreis oder etwa in ein bestimmtes Arbeitsumfeld.

Die zweite Gruppe sind verschiedene Auslöser von der sogenannten zweiten Heimat. Man kehrt dorthin zurück, wo man schon war. Manchmal hat man dort gelebt, studiert, gearbeitet, oder man hat vielleicht schon einmal einen Ort in der Nähe besucht und will dorthin noch mal zurückgehen. Oder man geht sogar ins gleiche Hotel, weil man sich zum Beispiel mit den Gastgebern in der Zwischenzeit angefreundet hat. Oder es war schon jemand, mit dem man gemeinsam verreisen will, an einem bestimmten Ort – und derjenige schlägt deshalb dieses Reiseziel vor.

Die dritte Gruppe würde ich so beschreiben: testweise Steine ins Wasser werfen. Da stehen also Ferien an und man hat erst mal keine Idee, wo es hingehen soll. Oft geht es in den Fällen dann um die Verfügbarkeit eines preislich passenden Reiseangebots in einem austauschbaren Land. Das verleitet die Menschen dann, einen ersten Entscheid bezüglich der Reise zu treffen. 

Frage: Wenn Sie sagen, man wirft den Stein ins Wasser – heißt das, viele sind gar nicht so versteift auf ein bestimmtes Reiseziel, sondern es geht häufig nach Verfügbarkeiten oder schon Bekanntem?

Beritelli: Genau, und das ist ja erstaunlich. Im Tourismus, gerade auch in der Werbung von Destinationen, heißt es immer: Menschen träumen, sie müssen inspiriert werden. Also ein bisschen schöngeistig, so wird es auch in der Geschichte des Reisens dargestellt. Aber die Realität widerspricht dem. Menschen treffen banale, simple Entscheidungen, um einfach erst mal eine Entscheidung getroffen zu haben. Das geben sie in der Regel nicht so offen zu. Aber so ist es.

Auch Influencer in den sozialen Medien haben weniger Einfluss auf Reiseentscheidungen, als man denken würde. Wenn die Menschen in den Interviews gesagt haben: «Ich habe dann in den sozialen Medien einen Tipp gekriegt», dann habe ich nachgehakt und gefragt, von wem denn genau der Tipp kam? Und das waren dann erstaunlicherweise alles Freunde und Verwandte, also Leute, die man kennt. Über die sozialen Medien geht es schneller, aber grundsätzlich sind die Mechanismen die gleichen geblieben. Mund-zu-Mund-Werbung funktioniert am besten unter Leuten, die man kennt.

Die Menschen können keine Werbekampagne in Erinnerung rufen oder Ähnliches. Aber oft waren sie oder jemand aus ihrem Umfeld schon einmal dort und deshalb sind sie dorthin. Denn wenn jemand in einem Ort gewesen ist, ist das eine stärkere Botschaft, als wenn ich irgendwie noch in meinem Unterbewusstsein irgendwelche Bilder suchen würde.

Das Erstaunliche ist: Wenn jeder Mensch reflektieren und nachdenken würde, wie es zu der Entscheidung kam, dass man dorthin und nicht woandershin gereist, dann kommen oft diese drei Kategorien zum Vorschein, die ich beschrieben habe.

Frage: Sie haben für die Studie 256 Interviews mit verschiedensten Menschen geführt. Lässt sich denn aus all den einzelnen Erlebnissen und Ansichten auch so eine Art Grundbedürfnis ableiten, was sich Menschen eigentlich vom Reisen erwarten?

Beritelli: Das ist eine gute Frage, die ich in diesen Befragungen den Interviewten so nicht gestellt habe. Aber rückblickend, auch aus früheren Untersuchungen, würde ich sagen: Der Mensch ist ein bisschen ein getriebenes Tier. Wir sind mobile Wesen, wir wollen unbedingt neue Horizonte und neue Flächen oder Länder erschließen, das ist evolutionär in uns drin, so haben wir den Planeten bevölkert. Der Mensch kann nicht stehen bleiben, auch wenn er sesshaft ist.

Früher hat man draußen gearbeitet, man hat migriert, man war Jagen oder hat auf dem Acker gearbeitet. Heute sitzen viele irgendwo in Büros, oder? Das ist aber nicht in der Natur des Menschen. Der Mensch will unbedingt Neues erleben. Er will etwas Neues suchen. Darum reist er.

Das Spannende dabei ist: Reisen an sich ist ja immer erst mal eine Reihe an Problemen, die gelöst werden müssen. Wie komme ich von A nach B? Wo schlafe ich? Wo esse ich? Dafür gibt es dann Transportunternehmen, Hotels, Restaurants, oder Reiseveranstalter, die alles im Bündel klären. Zusammengefasst sind das alles Probleme und per se erst mal keine schönen Dinge.

Aber: Während des Reisens entstehen schöne Momente. Und diese schönen Momente sind außerhalb unseres Alltags. Und vielleicht schätzen wir das speziell, weil das in einem anderen Umfeld, auf einer anderen neuen Bühne stattfindet.

Ein Glücksforscher kam aber auch einmal zu der Erkenntnis, dass Menschen, die mehr reisen, nicht automatisch glücklicher sind. Menschen, die unterwegs anderen Menschen begegnen und mit anderen unterwegs sind – die hingegen sind glücklicher.

ZUR PERSON: Pietro Beritelli ist Professor für Betriebswirtschaftslehre mit besonderer Berücksichtigung des Tourismus und Vizedirektor des Forschungszentrums Tourismus und Transport an der Uni St. Gallen. Für seine Studie rund um Urlaubs-Reiseentscheidungen hat er 256 Menschen in einem Zeitraum von zweieinhalb Jahren interviewt und in dem Zuge unter anderem mehr als 500 Mehrtages-Reiseentscheidungen analysiert.

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