Cees Nooteboom, „Die Dame mit dem Einhorn“, Frankfurt a. M. 1997, Suhrkamp-Verlag, S. 13: „Die Stadt ist ein Buch, der Spaziergänger sein Leser. Er kann auf jeder beliebigen Seite beginnen, vor- und zurückgehen in Raum und Zeit. Das Buch hat vielleicht einen Beginn, aber noch lange kein Ende. Seine Wörter – das sind Giebelsteine, Baugruben, Namen, Jahreszahlen, Bilder. Ein Haus heißt De Pelikaan und will etwas von fernen Reisen erzählen.“
Tatsächlich kann sich jede Reise sparen, wer nicht bereit ist, in die Geschichten einer Stadt einzutauchen. Das ist keine bildungsbürgerliche Attitüde, einfach ein gut gemeinter Rat: Wer es sich leisten kann, seinen Latte Macchiato lieber vor der schönen Kulisse eines klangvollen Städtenamens zu schlürfen – bitte, nichts dagegen. Aber wer im Grunde den Eindruck hat, alles schon gesehen zu haben, nicht mehr zu beeindrucken ist, nicht von der hochmütigen Gotik Brügges, nicht von der Geburt der Renaissance in Florenz, nicht von Prager Barock-Kuppeln oder Pariser Empire, nicht von Wiener Klassik noch von Berliner Moderne, der befriedigt seine Neugier und sein Mitredebedürfnis besser mit ARTE-Reisereportagen – viel besser gemacht, als das eigene Amateurvideo und wesentlich billiger.
Ab ins Reise-Trainingslager
Im Ernst: Das Reisen sollte man im eigenen Interesse neu entdecken, neu lernen. Durch die wunderbaren Möglichkeiten der vorgegaukelten Billigflüge waren wir schon überall, ohne etwas gesehen, vor allem: ohne etwas verstanden zu haben. Reisen ist anstrengend: Das gilt nicht nur für die Klassiker der Reiseliteratur, wie Goethe, der sich in unzähligen Postkutschen durchrütteln ließ, der viele Landschaften erlaufen hat. Es gilt auch für uns Pauschaltouristen. Wer mehr als einen flüchtigen Eindruck von seiner Reise zurückbehalten möchte, wer auch nach zehn Jahren die Tausende von Cappuccini, Cafés con Leche, Einspänner und Cafés au Lait auseinander halten möchte, der sollte vor der Fahrt ins Trainingslager.
„Zur Schönheit von Paris gehört sehr viel Wissen über die Geschichte, die Künste und die Menschen, die hier gelebt, geliebt und gelitten haben“, unterstützt auch Ulrich Wickert unsere These. (Ulrich Wickert, „Alles über Paris“, Taschenbuch-Ausgabe München 2006, Seite 7/8). Wer durch Montparnasse wandert vielleicht in der Coupole einkehrt, dem entgeht Wesentliches, wenn er nicht weiß, wer sich hier einst zu großen Gelagen traf, und wenn er nicht über den Friedhof der Berühmtheiten, von denen einst viele in der Coupole saßen, schlendert. Denn selbst aus ihren Gräbern heraus senden viele noch ihre Mitteilungen. […] Auf den vom Präfekten Haussmann entworfenen Boulevards schlendert der Genießer, wirft einen Blick hinein und ist erfreut ob der äußerlichen Schönheit. Oder er erschauert, weil ihm die Marmorplakette ins Auge fällt, auf der steht, dass hier im Hinterhof der blutrünstige Robespierre sein Bett aufgeschlagen hatte. Je mehr es dem Besucher gelingt, hinter die Fassaden zu blicken, umso mehr entdeckt er Neues, anderes, Höchstverwunderliches. Seien es die Marabouts, afrikanische Zauberer, in der Goutte-d’Or oder die Begegnung mit Françoise B. hinter der Nôtre-Dame und dem Aberglauben, der mit Katzen zusammenhängt, je mehr der Parisreisende sieht, erkennt und schließlich weiß, umso stärker wird seine Liebe zu dieser Stadt wachsen.
Es gibt Verlage, die verdienen viel Geld mit der Behauptung, sie seien im Besitz von Insider-Tipps. Aus intimer Kenntnis der Reisebranche wissen wir: Dabei handelt es sich um eine reine Marketingmasche. Die meist freien und schlecht bezahlten Autoren werden kurz gehalten und sind aus wirtschaftlichen Gründen gar nicht in der Lage, vernünftig zu recherchieren. Es profitieren allein die Verlage, die in großer Auflage mäßige Informationen auf den Markt werfen. Wir EOL-Autoren reisen anders – Recherchieren ist unsere Passion. Wir sind die Entdecker des 21. Jahrhunderts, die Marco Polos des Mikrokosmos – wir stöbern unentdeckte Winkeln jenseits der touristischen Trampelpfade auf. Und wir teilen unser Wissen mit denen, die es zu schätzen wissen. Wir geben unser Bestes – aber natürlich, Irren ist menschlich. Helft mit, unsere Fehler zu korrigieren, wenn ihr meint, welche entdeckt zu haben. Nach Hunderten von Städten und Dörfern kann in den nächtlichen Schreibstuben schon mal etwas durcheinander geraten – nehmt‘ es uns nicht übel, schließlich ist es unser Geschenk an euch.