Nürnberg/Hamburg (dpa/tmn) – Lust auf Veränderung in beruflicher Hinsicht, die verspüren mitunter auch ältere Arbeitnehmende. Rund vier von zehn (40 Prozent) der Beschäftigten zwischen 50 und 65 Jahren können sich einen Jobwechsel in den nächsten zwei Jahren vorstellen, so eine Umfrage aus dem Jahr 2023, die das Marktforschungsunternehmen Bilendi im Auftrag der Königsteiner Gruppe durchgeführt hat.
Aber wie realistisch ist es überhaupt, dass ein Job-Wechsel im Alter von 55+ klappt? Auch wenn es selten offen ausgesprochen wird: In vielen Unternehmen gibt es Vorbehalte, ältere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einzustellen. Ageism oder Altersdiskriminierung sind hier die Schlagworte. In einer Indeed-Umfrage unter Personalerinnen und Personalern etwa gaben 28 Prozent der Befragten an, dass sie Kandidatinnen und Kandidaten über 60 zu alt für ihr Unternehmen finden. 20 Prozent finden sogar schon Bewerberinnen und Bewerber über 55 zu alt.
Erfahrung und Fachkenntnisse: Hoher Marktwert
Laut Georg Scheiber, Partner und Managing Consultant der Beratungsgesellschaft von Rundstedt, kommt es aber immer auf den Einzelfall an. Wer Eigeninitiative zeigt und sich nachweisbar regelmäßig in seinem Beruf weiterbildet, hat bei einem angestrebten Job-Wechsel oft gute Chancen.
«Das gilt vor allem dann, wenn Ältere in ihrem Lebenslauf immer mal wieder Veränderungsbereitschaft gezeigt haben», so Scheiber. Für Arbeitgeber sei das ein Signal, dass ein Beschäftigter nicht nur willens, sondern auch in der Lage war, sich auf etwas Neues einzulassen.
Bevor ältere Beschäftigte einen Wechsel ins Auge fassen, sollten sie sich selbstkritisch fragen: Was kann ich einem neuen Arbeitgeber bieten, was sind meine Stärken? Dabei kommt es nicht nur auf das Fachwissen, sondern auch auf Erfahrungen an. «Der Marktwert eines Arbeitnehmers ist hoch, wenn zu den über Jahrzehnten angesammelten Erfahrungen solide und aktuelle Fachkenntnisse hinzukommen», sagt Scheiber.
Von den Erfahrungen der Älteren können im Unternehmen auch Jüngere profitieren, und das nicht nur in fachlicher Hinsicht. Der Karriere-Coach Volker Klärchen nennt ein Beispiel: Steht in einer Firma eine Umstrukturierung an, sind jüngere Beschäftigte oftmals aufgescheucht. Das sorgt für Unruhe, die sich nachteilig auf die Produktivität auswirken kann. Ältere können hier oftmals für Ausgleich und damit für mehr Gelassenheit sorgen und sagen: Das habe ich schon erlebt – es wird zwar einiges anders, aber man gewöhnt sich daran.
Vor Wechsel: Realistisches Bild machen
Wer nun – egal ob Führungskraft, Managerin oder regulärer Beschäftigter – einen Wechsel ins Auge fasst, sollte sich über das Unternehmen gut informieren. Schon vor Kontaktaufnahme ist es von Vorteil, sich ein klares und realistisches Bild darüber zu verschaffen, welche Rolle man in dem Unternehmen übernehmen möchte. «Es wirkt nicht sonderlich überzeugend, gegenüber einem potenziellen Arbeitgeber sinngemäß zu sagen: ‚Ich möchte von meiner bisherigen Firma weg, was für einen Posten hätten Sie für mich?’», sagt Georg Scheiber.
Wobei neue Aufgaben, die Ältere anstreben, nicht zwingend mit einem neuen Arbeitgeber einhergehen müssen. Auch ein Abteilungswechsel oder eine Weiterqualifizierung für eine neue Rolle sind Optionen.
Weiterqualifizierung: Mit guten Argumenten überzeugen
Doch wie überzeugt man den Arbeitgeber davon, dass er eine oder einen im Alter von 55+ bei dieser Neupositionierung unterstützt? Laut Umfrage der Königsteiner Gruppe hat knapp die Hälfte (49 Prozent) das Gefühl, dass ihr derzeitiger Arbeitgeber jüngere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mehr fördert als ältere. Ebenso viele sind überzeugt, dass die Weiterbildungsangebote ihrer Arbeitgeber eher auf jüngere Kollegen und Kolleginnen zugeschnitten sind.
«Man sollte sich in jedem Fall gute Argumente parat legen, warum man diese Neupositionierung möchte und welche Vorteile davon auch der Arbeitgeber hätte», rät Klärchen. Entscheidend sei dabei oft die Motivation. Ist die Argumentation des oder der Beschäftigten schlüssig und spürt der Arbeitgeber dessen oder deren Begeisterung, dürfte er sich in vielen Fällen aufgeschlossen für die Veränderungswünsche zeigen.
Nicht vorschnell aufgeben
In manchen Fällen kann es aber auch vorkommen, dass Beschäftigte bei Bewerbungen das Gefühl entwickeln, aufgrund ihres Alters weniger Chancen zu haben. «Keinesfalls sollten sie aber dann vorschnell ihre Pläne aufgeben», rät Georg Scheiber.
Hier empfiehlt es sich auszuloten, ob es tatsächlich am Alter liegt – oder ob womöglich andere Faktoren eine Rolle spielen könnten. Zum Beispiel, ob die Fähigkeiten und Kenntnisse, die man anbietet, aktuell am Markt überhaupt gefragt sind. Weitere Leitfragen: Kann ich mit meinem Auftritt auf Social Media in beruflicher Hinsicht punkten, sind meine Bewerbungsunterlagen gut strukturiert, wirke ich in meinem jeweiligen Anschreiben an ein Unternehmen überzeugend?
Wenn es mit einem neuen Job nicht auf Anhieb klappt, kann auch das Geld eine Rolle spielen. «Das liegt dann oft nicht an der Person selbst, sondern am Kostenfaktor», sagt Karriere-Coach Volker Klärchen. Häufig haben Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Alter von 55+ einen höheren Verdienst als Beschäftigte etwa im Alter von Anfang 30. «Es gibt Arbeitgeber, die zwar gerne einen Älteren einstellen möchten, sich das aber schlicht nicht leisten können.»
Mitunter ist das Alter 55+ aber sogar eine ausgesprochen gute Zeit für einen Wechsel. «Das gilt vor allem bei hoch bezahlten Führungskräften beziehungsweise im Bereich des Managements im Allgemeinen», sagt Georg Scheiber. Gerade bei solchen Posten zählen nicht zuletzt langjährige Erfahrungen.