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Stadt der schillernden Persönlichkeiten

Schriftsteller Wiktor Jerofejew bezeichnet Moskau als die Welthauptstadt der Sünde, in die er vernarrt sei, wegen der „ungeheueren Energie dieser Metropole, die zerstörerisch sein kann und aufbauend zugleich"".

Der Baumeister des neuen Moskau, Michajl Below, 52, zwingt sich dazu, die „eigene Verbürgerlichung zu bremsen”, um seine Träume leben zu können. Die Wohnsiedlung Monolith mit dem Neubau einer Kirche samt Zwiebeltürmen und einem künstlichem See ist 40 Kilometer vom Roten Platz entfernt am nordwestlichen Stadtrand für 157 neue Villenbesitzer adressiert – die potenzielle Kundschaft scheint Gefallen zu finden: Schon vor Baubeginn waren die ein bis fünf Millionen Euro teuren Objekte verkauft. 350 Siedlungen mit Einzelhäusern wuchern derzeit auf Moskauer Stadtgebiet, die Eigenwohnraumquote liegt bei 87 Prozent.

Blick auf Moskauer Kreml von der Großen Stein-Brücke.

Seit 16 Jahren regierte Oberbürgermeister Jurij Luschkow, 72, Moskau mit harter Hand und unerschöpflichem Bauelan. Zusammen mit seiner Frau Jelena Baturina, der eine Baufirma gehört und von Forbes mit einem Vermögen von 4,2 Milliarden Dollar als reichste Frau Russland geführt wird, setzte er seiner Stadt ein monumentales Denkmal nach dem anderen. Sein neuestes Prestigeobjekt: das 17-stöckige „Haus des Imperiums“ in Kremlsichtweite. Obwohl ihm Spannungen mit Regierungschef Vladimir Putin nachgesagt werden, scheint er sich genügend Freiräume verschafft zu haben, weil er dem Regenten lästige Demonstranten vom Halse gehalten und für hohe Wahlergebnisse gesorgt hat.

Der neue Rasputin

Weniger der Architektur der Stadt verpflichtet, dafür aber ein wichtiger Helfer beim geistigen Aufbau des neuen Moskau ist Putins Beichtvater Archimandrit Tichon, 51. Der Erzabt des Moskauer Sretenski-Klosters lobt Russlands starken Mann als rechtgläubigen, zutiefst überzeugten Christen, der das Land aus einer tödlichen Krise geführt habe. Der Archimandrit zieht in dem Film „Untergang eines Imperiums – Die Lehren von Byzanz” Parallelen zum heutigen Russland: Auch sehe sich der russische Staat westlichen Bedrohungen ausgesetzt. Manche Eliten äfften den Konsumismus grotesk nach, das Land sei von Egoismus, Korruption und Luxuswahn zerfressen. Von Putins Mannschaft erwartet er, dass sie ein neues, starkes Byzanz –gestützt auf die ewigen Werte der orthodoxen Kirche – errichteten. Der als „neuer Rasputin” titulierte Kirchenführer plädiert für einen eigenen Weg jenseits von Europa.

Nicht nur Oligarchen haben sich mit dem strengen Väterchen Staat arrangiert, der ehrgeizigen Talenten, die sich an die Spielregeln halten, durchaus Spielwiesen einräumt. So darf sich die ehemalige Dissidentin Aljona Dolezkaja, 53, die als Studentin in einem winzigen Zimmerchen am Arbat verbotene Scholschenizyn-Texte vorgetragen hat, als Chefredakteurin der russischen „Vogue“ austoben. Als Symbol des neuen Moskau aber wird Supermodel Natalia Vodianova, 28, gehandelt, das sich wie ihre Heimatstadt von einem grauen Entchen in eine glitzernde Diva verwandelt hat. Die ehemalige Obstverkäuferin gehört weltweit zu den Top Ten der gefragtesten Laufstegfräuleins – ein Spitzenplatz, den die Gigametropole im Tourismus erst noch erobern muss. Staatsfromme Politik ist auch unter den jungen Leuten populär wie lange nicht mehr: Kreml-Jugendfunktionärin Marija Drokowa, 21, organisiert als Kommissarin der Jugendorganisation “Naschi”, die Unsrigen, den Nachwuchs von Putins Kremlpartei. Die Politikstudentin verbindet dabei, wie der Rest der jugendlichen Elite, Karrieristen und Sinnsuchenden, Opportunismus mit echter Überzeugung: „Putin ist der beste Regierungschef der Welt und Moskau die schönste Stadt der Welt.“

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