Frankreichs Staatschef Macron eröffnet mit Kanzlerin Merkel die Frankfurter Buchmesse. Bei dem Auftritt gibt es auch eine politische Botschaft. Ob die bei der Kanzlerin ankommt, ist aber offen.
Paris/Frankfurt (dpa) – Warum ist Macron nach Frankfurt gekommen?
Kultur hat einen wichtigen Stellenwert in seinem Programm. «Ein Europa ohne Kultur gibt es nicht», sagte er zur Messe-Eröffnung. Macron fordert mehr europäischen Austausch für Studenten und Auszubildende. Kultur ist zudem ein Aushängeschild Frankreichs. Der große Auftritt des Landes in Frankfurt mit zahlreichen Autorinnen und Autoren wurde jahrelang vorbereitet.
Ist der Besuch in Deutschland auch ein politisches Signal?
Über Macrons Europa-Vorstoß wurde auch in Deutschland viel diskutiert. Dazu gehören ein eigener Haushalt, ein Parlament und ein Finanzminister für die Eurozone. Bei einer Debatte vor Studenten der der Goethe-Universität machte der Polit-Jungstar auch deutlich, was zur Zeit nicht Aufgabe der EU sein soll: Eine Vermittlung in der Katalonien-Krise. Damit würde man Regionalchef Carles Puigdemont und den spanischen Regierungschef Mariano Rajoy als gleichwertig einstufen.
Macron hat mit Deutschland ehrgeizige Pläne, schon im Januar kommenden Jahres – also zum 55. Jubiläum – soll es einen erneuerten Élysée-Freundschaftsvertrag geben. Wie ist das möglich ohne eine neue Regierung?
Auch in Paris wird gesehen, dass die Regierungsbildung in Berlin dauern kann. Wir pochen nicht auf Termine, auch nicht Jubiläumstermine, heißt es inzwischen in Élyséekreisen. Falls es nicht im Januar möglich sei, könne es auch später im kommenden Jahr sein. Unter dem Strich ist die Pariser Machtzentrale mit der Aufnahme von Macrons EU-Offensive aber zufrieden.
Wie sind die Kontakte zwischen Paris und Berlin?
Es wird vor und hinter den Kulissen viel miteinander gesprochen. Erst in der zurückliegenden Woche war der scheidende Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) im Élyséepalast. Seine Botschaft an Macron lautete: Am Ende wird es in Berlin «eine sehr gute und auch proeuropäische Regierung» geben. Gemeint war eine Jamaika-Koalition von Union, FDP und Grünen.
Wie reagiert Merkel auf Macrons Vorschläge?
Auf dem EU-Sondergipfel Ende September in Tallinn stellte die Kanzlerin ein «Höchstmaß an Übereinstimmung zwischen Deutschland und Frankreich» fest. Macron habe Dynamik in die Debatte gebracht. Allerdings: Über Details müsse natürlich noch gesprochen werden. Am Dienstag trat sie dann spürbar auf die Bremse: «Ich will, dass auch in Zukunft beim Einsatz europäischer Mittel Kontrolle und Haftung zusammen betrachtet werden», sagte sie dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). «Eine Vergemeinschaftung nationaler Schulden wird es mit mir nicht geben.» Merkel lehnt einen Eurozonen-Haushalt und einen Finanzminister zwar nicht generell ab. Doch stellt sie sich die Beiträge und Kompetenzen erheblich kleiner vor als Macron.
Was heißt das für die Regierungsbildung in Berlin?
Vor allem die FDP und ihr künftiger Einfluss auf die Außen- und Europapolitik werden in der Umgebung des Präsidenten mit großer Sorge gesehen. «Wenn Merkel sich mit den Liberalen verbündet, bin ich tot», soll Macron gesagt haben. Die FDP bemüht sich um Freundlichkeit, inhaltlich aber gibt es klare Konfliktlinien – wie beim Eurozonen-Budget. Parteichef Christian Lindner, der als künftiger Finanzminister gehandelt wird, wollte schon Griechenland aus der Euro-Zone entlassen. Jetzt warnt er vor einer «Geldpipeline» aus Deutschland in andere Länder.
Vorbehalte gibt es auch in der CSU?
Die CSU befürchtet, dass Macrons Reformpläne für Deutschland teuer werden könnten. Der bayerische Innenminister Joachim Herrmann etwa sagte: «Was Macrons finanzpolitische Vorstellungen angeht, bin ich sehr, sehr skeptisch. Es läuft letztendlich auf mehr Transfer hinaus.» Das ist eben die große, manchmal irrationale Sorge auch vieler Bürger: dass am Ende immer Deutschland bezahlen muss. Dass die Griechenland-Krise sogar Geld in die deutschen Kassen gespült hat, wird dabei oft vergessen.
Ist Macron ein Leser?
Ja. Auf seinem offiziellen Foto, das in jeder französischen Amtsstube hängt, sind Bücher zu sehen, unter anderem die Memoiren des Weltkriegshelden und Staatspräsidenten Charles de Gaulle.