DeutschlandPolitik

Scharons Wandel zur Ariel-Taube

Der frühere israelische Ministerpräsident Ariel Scharon ist tot. Nach acht Jahren im Koma starb er am Samstag im Alter von 85 Jahren in einem Krankenhaus bei Tel Aviv.

Der israelische Verteidigungsminister und General Mosche Dajan (l) mit Generalmajor Ariel Scharon, der einen Kopfverband trägt, aufgenommen auf der ägyptischen Seite des Suezkanals während des 4. israelisch-arabischen Krieges am 18.10.1973. Am 6.10.1973, dem höchsten jüdischen Feiertag Jom Kippur, überraschten Ägypten und Syrien Israel mit einem Zwei-Fronten-Angriff. Die ägyptische Armee überschritt den Suez-Kanal, die syrischen Truppen überquerten die Waffenstillstandslinie auf den israelisch besetzten syrischen Golanhöhen. Am 9.10.1973 begann Israel mit einer Gegenoffensive, in dessen Verlauf die Golanhöhen zurückerobert wurden. Unter der Führung von General Ariel Scharon überquerten israelische Truppen den Suezkanal. Am 22.10 1973 – alle 1967 besetzten Gebiete waren wieder unter israelischer Kontrolle – trat ein Waffenstillstand in Kraft.
Modell in Lebensgröße in der Kishon Galerie in Tel Aviv am 21. Oktober 2010: Der ehemalige israelische Ministerpräsident Ariel Sharon liegt in einem Krankenhausbett. Der Künstler, der Israeli Noam Braslavsky, sieht seine Arbeit als ,ein Sinnbild für die israelischen politischen Körper mit offenen Augen, die nicht sehen können”.

Tel Aviv (dpa) – «Mein lieber Freund, Ariel Scharon, hat heute seinen letzten Kampf verloren», erklärte Präsident Schimon Peres. «Ariel war ein tapferer Soldat und kühner Führer, der seine Nation liebte und seine Nation liebte ihn.»

Beschützer Israels
Peres würdigte Scharon als einen der größten Beschützer und wichtigsten Architekten Israels, der keine Furcht gekannt habe. Er habe gewusst, wie schwierige Entscheidungen zu treffen und durchzusetzen gewesen seien. «Wir alle liebten ihn, und er wird eine große Lücke reißen.»

Der frühere Politiker und Militär hatte 2006 einen Schlaganfall erlitten und seither im Koma gelegen. Zuletzt hatten die Ärzte von multiplen Organschädigungen berichtet. Scharon war von 2001 an fünf Jahre lang Regierungschef. Der als Kriegsheld verehrte Politiker setzte 2005 den einseitigen Rückzug aus dem Gazastreifen durch. Nach Streit mit den alten Weggefährten verließ Scharon den von ihm mitbegründeten rechtsorientierten Likud und gründete 2005 die Partei der Mitte, Kadima.

Acht Jahre im Koma
Acht Jahre lag der früher unverwüstliche Haudegen völlig hilflos im Koma. Jetzt ist der ehemalige israelische Ministerpräsident Ariel Scharon im Alter von 85 Jahren im Krankenhaus Tel Haschomer bei Tel Aviv gestorben. Der frühere Armeegeneral und Politiker war am 4. Januar 2006 nach einem schweren Schlaganfall ins Koma gefallen und hatte seitdem nie wieder volles Bewusstsein erlangt. In den Jahren seines Siechtums hatten seine Söhne Omri und Gilad ihn ständig besucht.

Der Sohn jüdischer Einwanderer aus Osteuropa war während seiner langen Karriere in Armee und Politik von Anhängern verehrt, aber von Gegnern gefürchtet und gehasst. Sein legendäres Stehvermögen, gepaart mit einem robusten Naturell, brachten ihm den Spitznamen «Bulldozer» ein. Zum Ende seiner politischen Karriere vollzog er den Wandel zum angesehenen und in Israel sehr beliebten Staatsmann. Seine Vision von einer endgültigen Regelung des Konflikts mit den Palästinensern konnte er aber nicht mehr umsetzen.

Ariel Sharon als Außenminister in Ministerpräsident Benjamin Netahyahus Regierung: Er zieht sich an einem kalten und windigen Wintertag seine Jacke über den Kopf, als er durch die Westbank in der Nähe von Tulkarem marschiert.

Dramatischer Kurswechsel: Abzug Israels
Scharon, der früher als Vater der israelischen Siedlerbewegung galt, hatte während seiner knapp fünfjährigen Amtszeit einen dramatischen Kurswechsel vollzogen. Er setzte im Sommer 2005 den Abzug Israels aus dem Gazastreifen gegen massiven Widerstand im eigenen Land durch. Dieser Schritt führte zum Bruch mit langjährigen politischen Weggefährte und zur Gründung der Kadima-Partei im November 2005.

Geboren wurde Scharon am 26. Februar 1928 als Ariel Scheinerman in Kfar Malal nördlich von Tel Aviv. Als einer der Gründerväter des rechtsorientierten Likud-Blocks verkörperte der schwergewichtige Machtmensch zunächst alte zionistische Werte. Der oft hitzköpfige Draufgänger wurde als Kriegsheld gefeiert, nachdem er 1973 während des Jom-Kippur-Kriegs seine Panzerdivision auf eigene Faust über den Suez-Kanal geführt hatte.

Zunächst Mentor der Siedlerbewegung
Den Bau israelischer Siedlungen in den 1967 besetzten arabischen Gebieten unterstützte Scharon anfangs massiv. «Jetzt muss sich jeder in Bewegung setzen, rennen und sich so viele Hügel wie möglich schnappen, um die Siedlungen auszubauen», hatte Scharon noch im November 1998 bei einem Treffen mit Siedlern geraten.

Scharon hat damit entscheidend zum Ausbau der Siedlungen beigetragen, die bis heute als eines der Haupthindernisse auf dem Weg zu einer Friedensregelung in Nahost gelten. Andererseits ließ er 1982 nach dem Friedensvertrag mit Ägypten jüdische Siedlungen auf der Sinai-Halbinsel evakuieren.

US-Präsident George W. Bush (r) und Israels Ministerpräsident Ariel Sharon entfernen sich nach ihrer Pressekonferenz am 29.7.2003 im Rose Garden des Weißen Haus in Washington. Scharon hat nach einem Gespräch mit Bush die Bedeutung der Grenzbefestigungen im Westjordanland für die Sicherheit sei


«Schlächter von Beirut»

Im kollektiven Gedächtnis der Araber wird Scharon wohl immer als «Schlächter von Beirut» erinnert werden. Während des Libanon-Krieges hatten mit Israel verbandelte libanesische Milizen 1982 ein Massaker an Hunderten Palästinensern in den Flüchtlingslagern Sabra und Schatila begangen. Eine israelische Kommission attestierte dem damaligen Verteidigungsminister Scharon indirekt eine Mitschuld. Der Ex-General musste 1983 sein Amt räumen.

Als Oppositionsführer löste Scharon dann im September 2000 mit einem von Muslimen als Provokation empfundenen Besuch auf dem Tempelberg in der Altstadt von Jerusalem Unruhen unter den Palästinensern aus. Diese mündeten dann in einen bewaffneten Aufstand (Intifada).

Als Privatmann erlebte Scharon, der eine Schaffarm in der Negev-Wüste betrieb, zwei Familientragödien. Seine erste Frau Margalit starb an den Folgen eines Autounfalls. Der gemeinsame Sohn Gur starb im Alter von zehn Jahren in den Armen seines Vaters, nachdem ihm ein Freund versehentlich ins Auge geschossen hatte. Ein Jahr nach dem Tod seiner Frau heiratete Scharon deren Schwester Lily.

Ähnliche Artikel

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Schaltfläche "Zurück zum Anfang"