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Nicht nur eine gute Sage

Gotland, das ist die drittgrößte Insel der Ostsee, die Erwartungen weckt, die neugierig macht: Was ist dran an dem 176 Kilometer langen und 52 Kilometer breiten Eiland südöstlich von der schwedischen Hauptstadt, wenn es in Stockholm kaum mehr einen gibt, der nicht einen kennt, der hier ein Ferienhaus besitzt? In die sich die Filmemacherlegende Ingmar Bergman (sprich Bejman) verliebte – und wo er auf der vorgelagerten Nordinsel Fårö sein Traumhaus errichten ließ. Die in den Sommermonaten mit einer Sonnenscheindauer von etwa 330 Stunden im Monat fast subtropische Temperaturen erreicht? Wo Maria Wern hinter den mittelalterlichen Stadtmauern Visbys grausige Morde aufklärt? Wir suchten vor Ort nach Antworten.

Expedition durch Gotland – mit Oldie-Opel und Boot.

„Hans Erik“, schüttelt uns der Vermieter freudig die Hand und setzt zum nächsten schwedischen Großangriff an. Nachdem wir seiner akkuraten, wenn auch etwas rätselhaften Beschreibung „beim Schild Hall 8“ gefolgt waren und ihn telefonisch über unsere Ankunft informiert hatten, wussten wir: Weder Pidgeon-Englisch, Neuguinea-Französisch, Böhmerwald-Tschechisch noch Küchenlatein helfen hier weiter. Hier spricht man Gotisch. Haa! Nur keine Missverständnisse: Nicht, dass der Hans Erik noch das nordgermanische Gutnisch (sic!) der Guta-Saga sprechen würde. Aber auch der Gotländische Dialekt ist für Schweden-Liebhaber, die bisher allenfalls fließend mit hej und hejdå brillierten, ein hartes Brot.

Unser wunderhübsches ochsenblutrotes Schweden-Häuschen.

Mittelhochdeutsch hilft weiter
Hans Erik jedenfalls zeigte sofort Verständnis und sprach, was wir eben nicht verstanden, langsam und deutlich nochmal vor. Das klang dann ungefähr so: „Jag talar inte tyska. Är huset bra? Det tillhörde min mamma. Allt fortfarande oförändrad.“ Beim dritten Mal erinnerte ich mich an meinen alten Mittelhochdeutsch-Dozenten Ernst von Reußner und da meinte ich doch einiges mehr rauszuhören. Um es kurz zu machen: Das schöne rote Huset gehörte seiner Mutter und war, was das Möbiliar betrifft die reine Oma-Stube.

Das passte zu unserem Leihwagen, einem Opel Astra aus dem EM-Jahr 1984, als die Derwall-Jungs schon in der Vorrunde ausschieden – ein Omen? Die Beulen am Wagen beunruhigten uns dabei weniger, als die befremdlichen Geräusche, die das Fahrzeug, das innen nach hundertjährigem nassen toten Hund roch, von sich gab. Immerhin gelang es einmal, ein besonders rätselhaftes Pumpern abzustellen: Der Blinker war herausgefallen und hing nur noch an einem Kabel. Mit Tesa konnte das kleine Malhör behoben werden. Der Wagen hielt zwei Wochen. Was danach kam, wissen wir nicht.

Nach dem Regen nur noch Sonnenschein: Gotlands Landschaften, blühende Steine und Lagunen.

Seemann sichert das Leck
In der ersten Nacht im Haus höre ich gegen 4 Uhr ein seltsames Geräusch. Ein Plätschern. Ich schleiche hinunter in die Küche: Es regnet von der Decke. „Det regnar i huset, är taket läcker“, werde ich später am Telefon aussagen. Da tropft das Wasser längst in Eimer. Hans Erik verspricht zu kommen. „Det är okej. Vi kommer från.“ Zwei Stunden später stehen vier Gotländer im Garten: Hans Erik mit Gattin, deren Schwester mit Mann.

Und der bärtige Erik ist nicht nur bestgelaunt, sondern spricht auch Englisch. Wir verständigen uns schnell, dass eine Plane am Balkon als erste Abhilfe ausreichen sollte. Wir schnaken noch eine Weile, Erik aus Slite, wo Europas größte Zementfabrik steht, hat als junger Mann die Weltmeere befahren. Klar, dass er da wegen ein paar Tropfen von der Decke kein Rettungsboot von der Leine lässt. Es sollte der letzte Regen gewesen sein. Haus dicht, Auto betriebsbereit, es konnte losgehen.

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