Grafenau/Berchtesgaden (dpa/lby) – Die Berg-Glasschnecke, die Ringdrossel und der weiß blühende Siebenstern sind im Nationalpark Bayerischer Wald heimisch. Allerdings sieht ihre Zukunft dort düster aus, denn der Klimawandel lässt ihren Lebensraum schwinden, wie ein Sprecher der Nationalparkverwaltung in Grafenau sagt. Die Folgen zunehmender Hitze und Trockenheit sind vielfältig – und nicht in allen Nationalparks gleich stark. In Berchtesgaden ist der Klimawandel den Angaben nach noch weniger spürbar. Denn: Im Alpengebiet gibt es mehr Regen.
Auf dem Thermometer lässt sich der Klimawandel ablesen. In der wilden Natur das Nationalparks Bayerischer Wald spiegelt er sich im Verbreitungsgebiet von Pflanzen und insbesondere von Tieren. Wenn es unten wärmer wird, ziehen sie nach oben weiter. «Viele Insekten bevölkern nun auch Höhenlagen, in denen sie bisher nicht angetroffen wurden», sagt der Sprecher.
Schwierig wird es dann für die Arten, die ohnehin schon in den kühleren Höhenlagen leben. Sie haben keine Ausweichmöglichkeit, weiter nach oben geht es nicht. Für sie werde der Lebensraum mit steigenden Temperaturen langsam knapp, erläutert der Fachmann. «Besonders brenzlig könnte es demnächst für Arten werden, die – wie Berg-Glasschnecke, Siebenstern oder Ringdrossel – auf die Gipfelbereiche beschränkt sind.»
Insgesamt komme es zu einer Neuorganisation der Lebensgemeinschaften im Nationalpark. So seien jetzt auch Arten zu beobachten, die nur aufgrund des Temperaturanstiegs im Bayerwald heimisch werden können. Dazu zähle zum Beispiel der Trauer-Rosenkäfer, der einst als Bewohner der pannonischen Steppe bekannt war. Die pannonische Tiefebene umfasst vor allem den größten Teil Ungarns.
Eine Tierart reagiert extrem auf den Klimawandel: der Borkenkäfer. Der fühlt sich bei Hitze und Trockenheit wohl und vermehrt sich geradezu explosionsartig. Weil im Nationalpark die Natur sich selbst überlassen sein soll, darf der Käfer eigentlich nicht bekämpft werden – einzige Ausnahme sind die Randbereiche. Schließlich soll verhindert werden, dass der Borkenkäfer auf angrenzende Wälder überspringt.
Es seien mehrere Faktoren, die zusammenspielen, sagt der Sprecher und zählt auf: frühere Schneeschmelze und vor allem höhere Temperaturen im April sowie rückläufige Niederschlagsmengen. Seit der Jahrtausendwende seien diese um 257 Liter pro Quadratmeter gesunken, hauptsächlich im Winter. Die Menge an Neuschnee sei um mehr als 40 Prozent zurückgegangen, und die Phasen, in denen es eine geschlossenen Schneedecke gibt, würden immer kürzer. «Die Folgen für den Wasserhaushalt sind enorm und alarmierend.»
Durch die milderen Bedingungen im Frühjahr beginne im Bayerischen Wald die Vegetationsperiode mittlerweile drei bis vier Wochen eher als noch in den 1970er Jahren. Pflanzen, vor allem Laubbaumarten und Sträucher, trieben also eher aus. «All das führt dazu, dass sich weniger Grundwasser bilden kann.»
Auch im Nationalpark Berchtesgaden dauert die Vegetationsphase inzwischen länger als früher, sagt Leiter Roland Baier. Jedoch: «Aufgrund der Staulage der Alpen haben wir weiterhin ausreichend Niederschläge.» Und weiter: «Für unsere Ökosysteme bedeutet der Klimawandel mehr Produktivität auf Almwiesen und eine beschleunigte Walddynamik.» Hierzu gebe es verschiedenen Forschungsprojekte, aus denen Folgerungen für das Schutzgebietsmanagement abgeleitet würden.
Noch ein Unterschied zum Bayerischen Wald: Im Alpennationalpark Berchtesgaden liegt die Population des Borkenkäfers zurzeit auf «niedrigem Niveau», wie Vize-Chef Daniel Müller sagt.
Was bedeutet der Klimawandel für die Besucher der Nationalparks? Wichtig sei, dass sie die ohnehin gültigen Regeln zur Waldbrandprävention einhielten, sagt der Sprecher in Grafenau. In längeren Trockenphasen würden außerdem die vier Grillplätze auf dem Gelände vorsorglich gesperrt.
In den Besuchereinrichtungen im Schutzgebiet wie in den Tourist-Infos der Ferienregion Nationalpark Bayerischer Wald hätten die Gäste seit diesem Sommer die Möglichkeit, kostenlos ihre mitgebrachten Trinkflaschen mit Leitungswasser auffüllen zu lassen. Ansonsten böten die Wälder im Nationalpark reichlich Schatten zum Abkühlen.