Hannover (dpa/lni) – Der niedersächsische Landtagsabgeordnete Constantin Grosch wirft der Deutschen Bahn vor, Menschen, die wie er im Rollstuhl sitzen, zu benachteiligen. Auf Twitter schrieb der SPD-Politiker am Mittwoch von «Alltagsdiskriminierung», weil alle rollstuhlfahrenden Menschen gezwungenermaßen in der 2. Klasse fahren müssten. Plätze für Rollstuhlfahrer in der 1. Klasse gebe es nicht, und schon der Einstieg sei bei vielen Zügen wegen Stufen nicht barrierefrei, kritisierte Grosch. Die Deutsche Bahn betonte auf Anfrage, man bemühe sich kontinuierlich um eine Verbesserung der Barrierefreiheit für Reisende mit eingeschränkter Mobilität.
Als neuer Landtagsabgeordneter hatte Grosch nach eigenen Angaben eine Netzcard der Bahn für die 1. Klasse erhalten, die er für Dienstreisen innerhalb Niedersachsens und nach Berlin nutzen könnte. Da die Deutsche Bahn aber finde, «dass Behinderte in niedrige Klassen gehören», werde er der einzige niedersächsische Abgeordnete sein, dem dieses Privileg nicht zuteil wird, schrieb der 30-Jährige. Der Tweet erhielt binnen Stunden rund 5000 Gefällt-mir-Angaben.
Der Deutschen Presse-Agentur sagte Grosch, er habe nicht mit so vielen Reaktionen gerechnet, weil ihm das Problem schon lange bekannt sei. «Das ist leider etwas, was Menschen mit Behinderung immer wieder beobachten müssen, gerade bei der Deutschen Bahn, dass sie nicht als Kunden wahrgenommen werden, sondern eher als lästiger Beförderungsfall», sagte Grosch. So müssten sie sich meist mehrere Tage vorher anmelden und könnten kaum spontan reisen.
Die wenigen Rollstuhlplätze, die es gebe, sind Grosch zufolge in der Regel in der 2. Klasse im Fahrradabteil oder neben den Toiletten. Zwar steige die Zahl der barrierefreien Fahrzeuge und Bahnhöfe. Services wie die 1. Klasse, Bahnhofs-Lounges oder digitale Buchungen würden Menschen im Rollstuhl aber vorenthalten. Zum Beispiel sei es für ihn nicht ohne weiteres möglich, einen Sitzplatz für einen Rollstuhl und eine Begleitperson online zu buchen.
Eine Bahnsprecherin erklärte auf Anfrage zur Barrierefreiheit: «Unser Ziel ist es, den spezifischen Bedürfnissen dieser Kundengruppe Rechnung zu tragen und für sie eine möglichst barrierefreie Reise zu realisieren.» Das gelte auch für Rollstuhlnutzer.
In Fernverkehrszügen stehe im rollstuhlgerechten Bereich zudem, wie in der 1. Klasse, mehr Fläche zur Verfügung, und es bestehe die Möglichkeit, sich per Serviceruf am Platz mit Speisen und Getränken bedienen zu lassen. Beim Rollstuhlbereich handele es sich «gewissermaßen um einen klassenlosen Bereich», der immer mit einer Fahrkarte der 2. Klasse genutzt werden könne, so die Bahn.