Washington/Frankfurt (dpa) – Die US-Notenbank Fed setzt mit einer weiteren überdurchschnittlichen Zinserhöhung ihren entschlossenen Kampf gegen die Inflation fort. Die Notenbank der größten Volkswirtschaft der Welt hob den Leitzins am Mittwoch (Ortszeit) zum vierten Mal in Folge um 0,75 Punkte an. Damit liegt der Zins nun in einer Spanne von 3,75 bis 4,00 Prozent. «Es wird angemessen sein, das Tempo der Erhöhungen zu verlangsamen», kündigte Fed-Chef Jerome Powell an. Doch es dürfte zu voreilig sein, eine Abkehr von der strikten Geldpolitik zu erwarten.
Nächste Sitzung im Dezember – kleinerer Zinsschritt möglich
Es war die vorletzte Sitzung der Fed in diesem Jahr, im Dezember werden die Zentralbanker noch einmal zusammenkommen. Powell ließ keinen Zweifel daran, dass die Zinsen stärker steigen werden, als die Fed zuvor erwartet hatte. Es sei «verfrüht», eine Pause bei den Erhöhungen einzulegen. «Wir gehen weiterhin davon aus, dass kontinuierliche Erhöhungen angemessen sein werden», sagte der Fed-Chef. Ein kleinerer Zinsschritt sei zwar bereits im Dezember möglich, darauf festlegen wollte sich Powell aber nicht.
Starker Dollar hat Vor- und Nachteile für Deutschland
Mit ihrer strikten Geldpolitik stärkt die Fed den Dollar. Die hohen Zinsen machen den US-Markt für Anleger attraktiver. Der Dollar gewann im Vergleich zum Euro in den vergangenen Monaten deutlich an Stärke. Ein schwacher Euro macht Reisen in die USA für Touristen aus dem Euroraum teurer. Auch in Dollar abgerechnete Importe aus den USA kosten mehr. Für Deutschland als Exportnation hat ein schwacher Euro aber auch Vorteile, denn Ausfuhren in die USA werden günstiger.
Fed legt vor – andere Zentralbanken legen nach
Die Fed hat mit ihren ungewöhnlich großen Zinsschritten ein rasantes Tempo vorgelegt. Die Europäische Zentralbank (EZB) versucht nach langem Zögern seit Juli mit kräftigen Zinserhöhungen die Teuerung in den Griff zu bekommen. Der Leitzins im Euroraum liegt inzwischen bei 2,0 Prozent. Höhere Zinsen verteuern Kredite. Dies kann die Nachfrage bremsen und so hohen Teuerungsraten entgegenwirken.
Die Euro-Währungshüter zeigen sich entschlossen, die Zinsen weiter zu erhöhen. «Wir streben den Zinssatz an, mit dem das mittelfristige Inflationsziel von zwei Prozent erreicht werden kann. Das Ziel ist klar, und wir sind noch nicht am Ziel. Wir werden in Zukunft weitere Zinserhöhungen vornehmen», sagte EZB-Präsidentin Christine Lagarde in einem am Dienstag veröffentlichten Interview. Am Donnerstag bekräftigte Lagarde in Riga, trotz des erwarteten Konjunktureinbruchs seien weitere Zinserhöhungen notwendig: «Wir glauben nicht, dass diese Rezession in der Lage sein würde, die Inflation zu zähmen.»
Auch andere Zentralbanken drehen an der Zinsschraube. Die Bank of England hob ihren Leitzins am Donnerstag wie erwartet um 0,75 Prozentpunkte auf 3 Prozent an. Die norwegische Notenbank setzte den Leitzins um 0,25 Punkte auf 2,50 Prozent herauf und deutete eine weitere Zinsanhebung für Dezember an.
Inflation bleibt hartnäckig hoch
Es kann durchaus dauern, bis die Zinspolitik der Zentralbanken Früchte trägt und Erfolge im Kampf gegen die Inflation deutlich werden. Im Oktober erreichte die Inflationsrate im Euroraum einen Rekordwert von 10,7 Prozent. «Je länger die Inflation auf einem so hohen Niveau bleibt, desto größer ist die Gefahr, dass sie auf die gesamte Wirtschaft übergreift», warnte EZB-Präsidentin Lagarde.
Auch die Verbraucherpreise in den USA sind weiterhin hartnäckig hoch. Jüngsten Daten zufolge ist die US-Teuerungsrate im September nur leicht zurückgegangen. Im Vergleich zum Vorjahresmonat stiegen die Verbraucherpreise im September um 8,2 Prozent. Im August hatte die Inflationsrate 8,3 Prozent betragen. «Wir haben ein Ungleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage», betonte Fed-Chef Powell.
US-Wirtschaft könnte in Rezession schlittern
Die große Frage ist, ob die Fed und andere Zentralbanken es übertreiben. Das Risiko wächst, dass die Fed die US-Wirtschaft so stark ausbremst, dass Arbeitsmarkt und Konjunktur abgewürgt werden. Ein «soft landing», also ein Herauskommen aus der Lage ohne größere Verwerfungen, werde immer schwieriger, gestand auch Fed-Chef Powell ein. Dennoch verteidigte er die strikte Geldpolitik gegen Kritik: «Ich bin froh, dass wir uns so schnell bewegt haben, und ich glaube nicht, dass wir zu stark angezogen haben.»
Starker Arbeitsmarkt als Argument gegen Wirtschaftsabschwung in USA
Anders als in Europa treiben in den USA auch steigende Löhne die Teuerung an. Läuft der Arbeitsmarkt heiß, steigt der Druck auf die Fed, die Zinsen weiter anzuheben. Viele US-Unternehmen klagen über einen Mangel an Arbeitskräften. «Die Arbeitsplatzverluste könnten geringer ausfallen (…), weil die Zahl der offenen Stellen so hoch ist und der Arbeitsmarkt so stark ist», betonte Powell nun mit Blick auf die Frage nach einem befürchtetem Wirtschaftsabschwung. Er machte außerdem deutlich, dass er bisher noch keine Lohn-Preis-Spirale sehe.
Demokraten müssen zittern bei den Midterms
Für US-Präsident Joe Biden und seine Demokraten sind die hohe Inflation ebenso ein Problem wie die Angst vor einem wirtschaftlichen Abschwung. Die hohen Preise werden dem US-Präsidenten und seiner Partei angelastet. Bei den Zwischenwahlen in der kommenden Woche droht den Demokraten der Verlust ihrer ohnehin schon knappen Mehrheit im US-Kongress. Umfragen zeigen, dass die Inflation und die wirtschaftliche Lage den Menschen im Land am meisten Sorge bereiten.