
Es kann jede und jeden treffen: Durch Personalabbau, Umstrukturierung oder andere Gründe sieht man sich mit einem Abfindungsangebot des Arbeitgebers konfrontiert. Nach dem ersten Schreck kann das durchaus verlockend wirken: eine einmalige Geldzahlung, verbunden mit der Chance auf einen beruflichen Neuanfang?
Die Entscheidung, ob man damit gut fährt, ist komplex und kann weitreichende finanzielle, rechtliche und persönliche Folgen haben. Umso wichtiger ist es, alle Aspekte sorgfältig abzuwägen – und sich dafür auch Zeit zu nehmen. Die wichtigsten Fragen und Antworten.
Was bedeutet es überhaupt, eine Abfindung anzunehmen?
Eine Abfindung ist in der Regel eine freiwillige Geldleistung des Arbeitgebers als Ausgleich für den Verlust des Arbeitsplatzes. Wer die Abfindung annimmt, akzeptiert das Ende des Arbeitsverhältnisses und muss das Unternehmen verlassen.
Gut zu wissen: «Im Gegensatz zu anderen Ländern, gibt es in Deutschland grundsätzlich keinen Anspruch auf Abfindung», sagt Kathrin Schulze Zumkley, Fachanwältin für Arbeitsrecht.
In welchen Fällen werden Abfindungen gezahlt?
Muss ein Unternehmen schließen oder Stellen abbauen und gibt es dort einen Betriebsrat, wird häufig ein Sozialplan verhandelt. In diesem kann der Betriebsrat im Voraus mit dem Arbeitgeber Abfindungen in bestimmter Höhe vereinbaren, die sich meist auf Grundlage von Berechnungsformeln ergeben. Diese orientieren sich am Gehalt, der Betriebszugehörigkeit und eventuell sozialen Faktoren wie Kindern oder Unterhaltspflichten. Existiert ein solcher Sozialplan, haben betroffene Arbeitnehmer einen Anspruch auf die Abfindung.
Besteht kein Sozialplan, kommt eine freiwillige Abfindungszahlung durch den Arbeitgeber in Betracht. Sie wird angeboten, um eine einvernehmliche Trennung zu erreichen, eine Kündigungsschutzklage des Arbeitnehmers zu vermeiden oder auch, um einen solchen Rechtsstreit zu beenden.
Wichtig: Arbeitnehmer, die eine Kündigung erhalten, müssen die Klagefrist von drei Wochen unbedingt beachten. Wird diese nicht eingehalten, ist die Kündigung wirksam. Dann hat der Arbeitgeber in der Regel auch keinen Anlass mehr, dem Arbeitnehmer eine Abfindung zu zahlen.
Die Erfolgsaussichten einer Kündigungsschutzklage schwanken je nach Kündigungsgrund. «Häufig raten Anwälte, es zumindest zu versuchen», sagt Schulze Zumkley. Allerdings müsse man bedenken, dass der Arbeitnehmer die Kosten für das Verfahren in erster Instanz tragen muss – zumindest wenn er keine entsprechende Rechtsschutzversicherung hat. In zweiter Instanz trägt derjenige die Kosten, der verliert.
Kündigung, Aufhebungsvertrag, Abwicklungsvertrag: Was sollte man beachten?
Eine Kündigung ist die einseitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses, in diesem Fall durch den Arbeitgeber. Ein Aufhebungsvertrag sieht eine einvernehmliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses ohne vorherige Kündigung vor. Der Abwicklungsvertrag dagegen regelt die Einigung nach bereits erfolgter Kündigung. Er dient häufig zur Vermeidung eines Gerichtsverfahrens. Auch in diesem Fall kann eine Abfindung vereinbart werden.
Wichtig: Will der Arbeitnehmer trotz vorliegender Angebote klagen, gilt auch hier eine dreiwöchige Frist. «Über die Abfindung zu verhandeln, heißt nicht, dass die Frist verlängert wird», sagt Josephine Klose, Rechtsberaterin bei der Arbeitnehmerkammer Bremen. Arbeitgeber könnten aus das Unwissen ihrer Angestellten bauen und entsprechend taktieren.
Was sind mögliche Vorteile einer Abfindung?
Eine Abfindung kann finanziellen Spielraum schaffen, um sich neu zu orientieren, sich weiterzubilden oder eine Auszeit zu nehmen. Je nach Höhe lassen sich auch langgehegte Wünsche erfüllen. Sie kann den Übergang in den Ruhestand erleichtern oder helfen, sich aus einem belastenden Arbeitsverhältnis zu lösen.
Attraktiv ist eine Abfindung oft auch in Kombination mit zusätzlichen Vereinbarungen: Eine Freistellung etwa kann Raum zur Neuorientierung geben, ein sehr gutes Arbeitszeugnis die Chancen auf dem Arbeitsmarkt verbessern.
Wo liegen Risiken oder Nachteile, wenn man mit Abfindung geht?
Wer eine Abfindung annimmt, verliert seinen Arbeitsplatz und damit auch eine wirtschaftlich und sozial abgesicherte Position. Eine falsche Einschätzung der eigenen Chancen auf dem Arbeitsmarkt oder eine zu niedrige Abfindung können langfristige Nachteile bedeuten – insbesondere für ältere Beschäftigte kurz vor der Rente. Auch sozialversicherungsrechtliche Folgen wie Sperrzeiten beim Arbeitslosengeld sind möglich.
Was ist die Alternative?
Im Unternehmen zu bleiben. Wer eine Kündigungsschutzklage einreicht, klagt auf den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses und «droht» dem Arbeitgeber damit, im Unternehmen zu bleiben, wie Schulze Zumkley erläutert.
Die Entscheidung sollten Sie individuell abwägen. Dabei spielen Faktoren wie Alter, Betriebszugehörigkeit, Rentenansprüche, Unterhaltspflichten, aber auch die weiteren Chancen auf dem Arbeitsmarkt, die eigene Verhandlungsposition (z. B. wegen besonderen Kündigungsschutzes) und natürlich die persönliche Motivation eine Rolle. Eine Pro-und-Contra-Liste kann helfen, die Lage realistisch einzuschätzen.
Wichtig ist auch zu klären: Warum soll das Arbeitsverhältnis enden? Ist eine Weiterbeschäftigung überhaupt realistisch? Fragen Sie sich: Halte ich das aus, in einem Unternehmen zu arbeiten, in dem ich nicht mehr gewollt bin? «Viele können nicht gut einschätzen, wie mental herausfordernd das ist», sagt Schulze Zumkley.
Wie kann man die Höhe der Abfindung realistisch einschätzen?
Als Richtwert insbesondere vor Gericht gilt die sogenannte Regelabfindung von 0,5 Bruttomonatsgehälter pro Beschäftigungsjahr. Je nach Verhandlungslage, Region und Branche sind auch Faktoren von 1,0 oder 1,5 möglich. Zu den Faktoren, die die Höhe der Abfindung beeinflussen, zählen Dauer der Betriebszugehörigkeit, Alter und soziale Aspekte, wirtschaftliche Stärke des Unternehmens und der Kündigungsgrund.
Es ist sinnvoll, eher zu hoch als zu niedrig einzusteigen. Abfindungsrechner im Netz helfen, realistische Nettosummen zu berechnen. «Die Verhandlungsposition wird umso besser, je schlechter die Chancen des Arbeitgebenden sind, einen loszuwerden», sagt Klose.
Besteht schon ein Angebot für eine Abfindung, lassen Sie sich dieses auf jeden Fall schriftlich vorlegen. «Falls nichts passiert, kann man ruhig auf den Arbeitgeber zugehen und ein Angebot einfordern», rät Klose.
Verhandeln lassen sich zudem auch Nebenleistungen wie Freistellungen, Boni oder ein sehr gutes Arbeitszeugnis.
Was bedeutet eine Abfindung für Arbeitslosengeld, Steuer und Co.?
Abfindungen sind steuerpflichtig, unterliegen aber nicht der Sozialversicherung. Die sogenannte Fünftelregelung, also die Aufteilung auf mehrere Jahre, kann helfen, die Steuerlast zu senken – hier lohnt sich ein Termin beim Steuerberater.
Bei einvernehmlicher Beendigung des Arbeitsverhältnisses droht eine Sperrzeit von bis zu zwölf Wochen für den Bezug von Arbeitslosengeld.
Die Agentur für Arbeit berät vor Unterzeichnung eines Aufhebungsvertrags über mögliche Folgen. Auch Sozialversicherungsträger, Gewerkschaften und Rentenversicherung sowie die Arbeitnehmerkammern im Saarland und in Bremen geben Auskunft. «Holen Sie sich auf jeden Fall Rechtsberatung vor Unterzeichnung eines Vertrages, auch wenn die Verhandlungsposition gut und sicher erscheint», rät Klose.
Was sind häufige Denkfehler in dieser Situation?
Den Expertinnen zufolge wird häufig die eigene Verhandlungsposition unterschätzt, auch aufgrund fehlender Expertise oder Beratung. «Viele lassen sich unter Druck setzen oder gehen auf unklare Vereinbarungen ein», sagt Klose.
Andere sind sich nicht im Klaren darüber, dass verpasste Fristen oder eine überstürzte Unterschrift rechtlich kaum rückgängig zu machen sind. Was auch passieren kann: Die eigenen Chancen auf dem Arbeitsmarkt werden zu optimistisch eingeschätzt.