Sydney (dpa/tmn) – Laurie liegt tiefenentspannt auf dem Stamm eines Eukalyptusbaums. Ab und zu macht die Koaladame mal ein Auge auf, doch hauptsächlich ist sie damit beschäftigt, Energie zu sparen. So, wie es die Beuteltiere am helllichten Tag halt machen.
Laurie hat noch einen Grund mehr, sich auszuruhen. «Sie ist schwanger», sagt Tierpflegerin Liz Florence. Das «Joey», wie Beuteltier-Babys genannt werden, macht sich immer wieder bemerkbar. Die Joeys sind winzig klein, wenn sie geboren werden. Dann leben sie noch gut ein halbes Jahr im Beutel der Mutter, wo sie mit Muttermilch versorgt werden und in aller Ruhe heranwachsen können.
Doch bis das Baby auf der Welt ist, scheint es seine Mutter immer wieder zu boxen und Purzelbäume zu schlagen – so zumindest sieht es aus, wenn sich Lauries flauschiger Bauch alle paar Minuten bewegt.
Mit zahlreichen anderen Koalas lebt Laurie im Symbio Wildlife Park in Helensburgh, eine gute Autostunde südlich von Sydney. Außerdem leben hier Kängurus, Wallabys, australische Ameisenigel (Echidnas), Rote Pandas, Erdmännchen und zahlreiche Vögel, die an der Südostküste Australiens heimisch sind.
Es ist die erste Station auf einem rund 1300 Kilometer langen Roadtrip zwischen den beiden größten Städten des Kontinents, bei dem die Tiere des Landes vielerorts auch in der Natur zu sehen sind.
Bauprojekte und Autos sind ein Problem
Im Symbio Wildlife Park – einem privat geführten Tierpark – erfährt man jedoch auch, dass Känguru und Co. alles andere als ein einfaches Leben in der Wildnis haben. «Je mehr der Mensch rodet und baut, umso schwerer haben es vor allem die Koalas», sagt Liz Florence.
Die Natur hat den Koalas keinen leichten Lebensraum zugeteilt. Sie sind dämmerungsaktiv und leben ausschließlich von Eukalyptusblättern – aber nicht allen. Je nachdem, wo ihr Lebensraum ist, fressen sie nur bestimmte Sorten. Und wenn genau diese Bäume einem Bauprojekt zum Opfer fallen, dann sieht es schlecht aus für die Koalas.
Kängurus, Wombats und Echidnas haben noch einen weiteren großen Feind: das Auto. Wenn sie in der Dämmerung auf Futtersuche sind und aus den Büschen oder Wäldern entlang der Straßen eilen, können viele Autofahrer ihr Fahrzeug nicht rechtzeitig bremsen.
Eine Fahrweise wie chillende Koalas
Von Helensburgh geht es in Richtung Süden. Der Princes Highway entlang der Küste ist eine gemütliche, meist einspurige Straße. Der Verkehr ist selbst an Ferienwochenenden übersichtlich.
Die Fahrt führt vorbei an Surferstädtchen, idyllischen Buchten, weißen Sandstränden, zahlreichen Campingmöglichkeiten und schicken Hotels. Die absolute Höchstgeschwindigkeit auf dem gesamten Weg nach Melbourne ist 110 Stundenkilometer, meist sind es 90 oder 100 km/h. Zudem geht die Hauptstraße durch zahlreiche Orte, die entlang des Weges liegen – immer wieder bremsen Ampeln und Kreisverkehre.
Doch der Weg ist das Ziel, und die Australier sind beim Autofahren ähnlich entspannt wie Koaladame Laurie auf ihrem Baum. Kein Drängeln, kein Aufblenden, kein Hupen.
Entlang der dünn besiedelten Südostküste geht es vom Bundesstaat New South Wales in den Staat Victoria. Die Landschaft bleibt grün und dicht bewaldet. Der Highway verläuft teils direkt am Südpazifik, teils geht er vom Wasser weg durch dichte Eukalyptuswälder.
Wombats auf Tuchfühlung
Am südlichsten Punkt des australischen Festlandes liegt ein Anlaufpunkt für alle, die gerne wandern, mit dem Kajak unterwegs sind und die einheimischen Tiere beobachten: Wilsons Promontory.
In diesem Nationalpark leben Kängurus, Wallabys, Emus und vor allem Wombats. Wer die Pelztiere beobachten will, macht sich am besten in der Dämmerung auf die Suche – das ist die Zeit, in der sie am aktivsten sind.
Es gibt Stellen, darunter den Prom Wildlife Walk, an denen die Wombats sogar am Tag unterwegs sind und sich ausgiebig anschauen lassen. Denn scheu sind die kurzbeinigen Beutelsäuger nicht, vielmehr gibt es in schöner Regelmäßigkeit Berichte, dass sie sich Zutritt zu Zelten von Campern verschaffen und deren Vorräte futtern.
An dieser Stelle sind schon rund 1000 Kilometer absolviert und Melbourne liegt viel näher als Sydney. Doch wer meint, nun schon alle einheimischen Tiere ausgiebig beobachtet zu haben, hat noch keinen Abstecher nach Phillip Island gemacht.
Futter für die Pelikane
Die Insel ist flächenmäßig ungefähr so groß wie Sylt und durch eine Brücke mit dem Festland verbunden. Doch noch bevor man die überquert, gibt es jeden Mittag ein Spektakel anzuschauen: Im Küstenort San Remo direkt vor der Brücke ist bei der Fisherman‘s Cooperative um Punkt 12 Uhr großes Geflatter und Geraune zu sehen und zu hören. Die Pelikane kommen zur Fütterung.
Schon früher haben die Fischer den großen Vögeln die Reste ihres Fangs überlassen. Aber weil die im Ort vorbeikommenden Touristen es spannend fanden, Dutzende Pelikane zu sehen, hat man dieser Fütterung irgendwann eine feste Zeit gegeben.
Überhaupt ist Phillip Island eine kuriose Mischung aus natürlichem Lebensraum zahlreicher Arten, durchorganisiertem Freizeitpark und normalem Ferienort.
Auf Tuchfühlung mit Koalas
Der erste Stopp auf der Insel ist das Koala Conservation Reserve. Zwei Baumwipfelpfade gibt es, die aber nicht in schwindelerregender Höhe durch die Eukalyptusbäume führen, sondern nur einige Meter über dem Boden. Das reicht aber schon, um mit den putzigen Beutelsäugern auf Tuchfühlung zu gehen. Sie ruhen mitunter nicht mal einen Meter von den Besuchern entfernt in ihren Ästen.
Weiter geht die Fahrt nach Cowes, dem Hauptort der Insel. Hier liegt der Katamaran «Kasey Lee». Auf ihm geht es zu einigen vorgelagerten Felsen. «Hier haben wir die größte Kolonie von Pelzrobben in ganz Australien», sagt Kapitän John McFee. Etwa 5000 liegen an einem normalen Tag in der Sonne.
Scheu vor dem Boot haben die neugierigen Tiere nicht: zu Hunderten schwimmen sie Richtung Maschinengeräusch, gleiten aufgeregt durch das Wasser und nehmen die Besucher genauestens in Augenschein.
Wehrhafte Robben an den Seal Rocks
Vom Kapitänshaus aus erzählt McFee, wie die Robbenmütter sich ein halbes Jahr um den Nachwuchs kümmern, der im australischen Frühjahr (also im November) auf die Welt kommt – und dabei meist schon mit dem nächsten «Puppy» schwanger sind. «So eine Seehündin ist eigentlich ihr ganzes Leben lang mit ihren Babys beschäftigt», sagt er.
Die Robben müssen sich vor den Orcas in Acht nehmen, die auf ihren jährlichen Migrationen vorbeikommen und deren Leibspeise dummerweise Seehunde sind. An den Seal Rocks genannten Felsen haben sie manchmal aber offensichtlich schlechte Karten. «Ein Kapitänskollege hat mir erzählt, dass die Kolonie gemeinsam Schwertwale in die Flucht geschlagen hat», sagt McFee.
Parade der Pinguine
Auf Phillip Island gibt es auch eine Pinguinkolonie. Jeden Abend laufen Hunderte Menschen zu zwei Tribünen, die am Strand aufgebaut sind. Wenn die Dämmerung sich übers Land legt, startet die «Penguin Parade». (Es gibt sogar ein «Penguin Parade»-Besucherzentrum.)
Um die Wartezeit zu verkürzen, erklärt eine Mitarbeiterin über Megafon die Besonderheiten der nur etwa dreißig Zentimeter kleinen Tiere: Die Zwergpinguine seien tatsächlich die kleinste Pinguin-Art der Welt, sie lebten nur in Australien und Neuseeland. Sie werden nur rund ein Kilogramm schwer und verbringen 80 Prozent ihrer Zeit auf Nahrungssuche im Ozean.
Plötzlich, wie aus dem Nichts tauchen die Pinguine aus dem Meer auf. In kleinen Gruppen hüpfen sie aus dem Wasser und marschieren den Strand hinauf in die Höhlen und Häuschen, die dort überall angelegt und mit Zäunen vor den Besuchern geschützt sind.
«Die Pinguine bleiben den ganzen Tag im Meer und suchen nach Nahrung», erzählt die Frau am Megafon. «Doch sie sind eigentlich extrem soziale Tiere.» Und darum verziehen sie sich nicht sofort in ihre Höhlen, wenn sie an Land kommen. «Sie treffen sich erstmal, in kleinen und größeren Gruppen und tauschen sich über den Tag aus.»
Und da gibt es offensichtlich viel zu erzählen, denn auf dem Weg zurück zum Parkplatz über das weitläufige Gelände sind überall im schummerigen Licht Gruppen der dunkelblau-weißen Vögel zu sehen und zu hören. Ihre Schnäbel stehen nicht still.
Info-Kasten: Australiens Südostküste
Reiseziel: Sydney und Melbourne sind mit jeweils rund fünf Millionen Einwohnern die größten Städte Australiens. Zwischen den Metropolen verläuft der Princes Highway entlang der Küste. Der Trip zwischen beiden Städten ist in knapp einer Woche zu machen. Legt man aber unterwegs mehr Stopps ein, werden schnell zwei Wochen daraus.
Anreise: Mehrere Airlines fliegen Sydney von Deutschland aus mit einem Zwischenstopp an.
Einreise: Deutsche benötigen einen mindestens noch sechs Monate gültigen Reisepass sowie ein Touristenvisum, das kostenfrei ist und online beantragt werden kann. Corona-bedingte Reiseauflagen gibt es aktuell nicht. (Stand: 30. November 2022)
Währung: 1 Euro = 1,54 Australischer Dollar (Stand: 30. November 2022)
Klima und Reisezeit: Im Südosten Australiens sind die Temperaturen ähnlich wie in Mitteleuropa – die Jahreszeiten auf der Südhalbkugel sind aber umgedreht. Im April wird es langsam herbstlich, im Oktober ist der Winter wieder vorbei. Zwar ist die Tour zu jeder Jahreszeit zu machen, Frühling und Herbst sind aber am schönsten dafür.
Unterkunft: In den Ferienzeiten, in denen auch die Australier reisen – vor allem zu Weihnachten und zu Ostern – ist es ratsam, schon im Voraus Unterkünfte zu reservieren. Es gibt «Holiday Parks», Ferienwohnungen, Bed & Breakfasts und Hotels.
Informationen: www.australia.com