EuropaTipps

Sun Valley: Schussfahrt auf der Schwarzenegger-Piste

Ein Eisenbahn-Boss stampfte in den 1930er Jahren in Idaho ein Skigebiet aus dem Boden und nutzte Celebritys für cleveres Marketing. Seitdem zieht der «Hollymountain» umschwärmte Leinwandhelden an.

Zerzauste Wuschellocken, feine Gesichtszüge, Sehnsuchtsblick – das ist doch Hollywoods Jungstar Timothée Chalamet, der da in Schlabberpulli und Jogginghose lässig am Glastresen einen Apfelstrudel bestellt. Oder nicht?

Überraschen würde es nicht: Schlie?lich befindet sich hier im Nirgendwo von Idaho im Nordwesten der USA seit Jahrzehnten ein beliebtes Skigebiet der Schönen und Reichen. Kein Wunder, dass jetzt die Gäste der Konditorei ihre Hälse verrenken. Jawohl, in Sun Valley ist auch Promi-Spotting ein Wintersport.

Die Geburtsstunde des Hollywood-Berges

Eisenbahn-Boss Averell Harriman hatte all das Mitte der 1930er Jahre raffiniert eingefädelt. Den Personenverkehr anzukurbeln, darauf hatte es der gewiefte Präsident der Union Pacific Railroad abgesehen.

Die Weltwirtschaftskrise war glimpflich überstanden. Kohle und Schafe ratterten in Frachtzügen schon wieder durch die Rocky Mountains, aber eben zu wenig Menschen. Unbedingt musste ein neues Reiseziel her.

Weil sich alle Welt damals für diesen neumodischen Skisport begeisterte, war ein schickes Resort im Alpenstil bestimmt das Richtige – am besten eine Art privater Club für Millionäre, Magnaten und Filmstars, dachte sich Harriman. Das würde auch Fans anziehen. Doch wo war die richtige Haltestelle für so einen Hollywood-Berg, so einen Hollymountain?

Im Januar 1936 entdeckte Harrimans Kundschafter, der österreichische Graf Felix Schaffgotsch, am Westrand des verschlafenen Nests Ketchum das perfekte Terrain: Der 2789 Meter hohe Bald Mountain und seine Nachbargipfel, dramatisch eingekeilt von vier Bergketten.

Ein Hochwüstenklima sorgte schon damals für trockenen Pulverschnee und 250 Sonnentage pro Jahr. Averell Harriman kaufte gleich das ganze sonnige Tal und taufte es werbewirksam «Sun Valley».

Der Schah im Schneegestöber und Hemingway mit Flinte

Kein Jahr später, im Dezember 1936, wurde die Sun Valley Lodge eröffnet, aus feuerfestem Zement mit angepinseltem Holzlook und X-förmigem Grundriss. Die Reisetasche von Hollywood-Star Clark Gable, so erzählt man sich, wurde im selben Moment durchs Hauptportal getragen, als der letzte Bauarbeiter durch die Hintertür verschwand. Sämtliche Filmstars und Sternchen durften hier anfangs gratis urlauben, sofern sie sich zwecks Marketing nur bereitwillig ablichten lie?en.

Alle sind sie gekommen seitdem. Goldgerahmt hängen ihre Schwarz-Wei?-Bilder noch heute in den langen Teppichfluren: John Wayne mit Ohrenklappen, Jackie Kennedy im Norwegerpulli, Gary Cooper mit Schirmmütze, Ingrid Bergman in Keilhosen, der Schah von Persien im Schneegestöber und US-Präsident Gerald Ford mit Familie.

Ernest Hemingway posierte mal mit Schrotflinte, mal mit Schreibmaschine. Als Dauergast in Suite 206 schrieb er hier 1939 «Wem die Stunde schlägt» zu Ende. Im Silver Creek Preserve ging er Enten jagen, im Trail Creek Forellen angeln. Unweit des Flüsschens steht heute sein Bronze-Denkmal unter Bäumen.

1959 kaufte sich Hemingway ein eigenes Haus in Ketchum, verbrachte die letzten Jahre dort und ruht nun auf dem kleinen Dorffriedhof.

Das Gebiet als Filmkulisse

Sun Valley war nicht nur Urlaubsort der Filmstars, sondern immer wieder selbst Kulisse: Als falsche Schweiz musste das Skigebiet schon 1937 für die Liebeskomödie «I met him in Paris» («Pariser Bekanntschaft») mit Claudette Colbert herhalten.

Vier Jahre später spielte es seine eigene Titelrolle im Musikfilm «Sun Valley Serenade» («Adoptiertes Glück») mit der Eiskunstläuferin Sonja Henie und Glenn Millers Orchester. Die Ode ans Resort läuft noch heute rund um die Uhr in einem Kinoraum der Luxus-Lodge.

Über 50 Filme wurden hier gedreht, darunter die Komödie «Wie angelt man sich einen Millionär?» (1953), der Western «Drei Rivalen» (1955) und Clint Eastwoods «Pale Rider» (1985).

Der Terminator in Idaho

Nach Actionheld Arnold Schwarzenegger ist eine schwarze Piste benannt. Erst war der «Terminator» Stammgast, dann kaufte er sich hier ein Zweithaus – ebenso wie Jamie Lee Curtis, Tom Hanks, Demi Moore und Justin Timberlake.

Was vor mehr als 85 Jahren mit einer Hotelanlage anfing, ist inzwischen ein Mini-Städtchen mit 1800 ganzjährigen Einwohnern, 500 Urlaubsunterkünften verschiedenster Art, drei Schwimmbädern, zwei Eislaufbahnen, Post und Polizei.

Wie ein Stückchen alte Welt im wilden Westen sieht das Ferienparadies aus. Es gibt einen Uhrenturm, ein Glockenspiel, Holzbalkone, bronzene Hirschkühe auf Mauerpfeilern und das holzvertäfelte Opera House, das 1937 gebaut und längst zu einem Kino umfunktioniert wurde. Bei dem alljährlichen Sun Valley Filmfestival laufen hier Weltpremieren. Jedes Jahr im Frühjahr, während der Festivaltage, ist die Prominentendichte im Skigebiet besonders hoch.

Abgelegen, aber per Flieger gut erreichbar

Zufällig kommt keiner in Sun Valley vorbei. Die Eisenbahn hat den Überlebenskampf gegen das Auto lange verloren. 1987 buddelte Union Pacific Railroad die letzten Gleise aus. Anderthalb Stunden Autofahrt sind es bis zum nächsten Interstate-Highway, zweieinhalb Stunden in die nächste Großstadt Boise. Immerhin hat das Resort einen Airport ganz in der Nähe, der von mehreren US-Städten angeflogen wird.

Liftschlangen gibt es in Sun Valley nicht. Damit die werten Gäste bloß nicht die Hänge hinaufschnaufen mussten, lie? Averell Harriman seine Ingenieure schon 1936 den ersten Sessellift der Welt aus einer umfunktionierten Frachtanlage für Bananen bauen. Inzwischen surren 14 weitere Sessellifte plus drei Schlepplifte und eine Gondel durch ein zehn Quadratkilometer gro?es Skigebiet mit 121 Abfahrten.

Wer die Lifte nutzen will, sollte auch auf den Brettern stehen können, das hatte Harriman mitbedacht: Die erste Riege der Skilehrer, von Graf Schaffgotsch handverlesen und aus Österreich importiert, war eine der ältesten und besten im Lande.

An die Skischulgründer Sigi Engl und Sepp Fröhlich erinnert eine Skulptur gleich neben dem örtlichen Museum mit Hollywood-Artefakten und noch mehr Fotos: Marilyn Monroe ist darauf zu sehen, wie sie auf Stöckelschuhen durch den dicken Schnee balanciert.

Fliegenfischen am winterlichen Fluss

Für alle, die es nicht so mit Abfahrtsski haben, gibt es noch Langlauf, Hockey, Curling, Schneeschuh- und Skiwandern durch den stillen Sawtooth-Wald als Alternativbeschäftigungen.

Oder man geht Fliegenfischen. Mit dem richtigen Köder klappt das sogar im Winter, wenn Schneekissen auf den Ufersteinen des Big Wood Rivers ruhen. Guide Stoddard Rowley weiß, was die Fische anzieht, und rät zu einer Steinfliegennymphe. Beheizte Socken und Thermowäsche unter der gummierten Wathose sind jetzt unverzichtbar, auch zum Eisangeln im erstarrten Sun Valley Lake.

Das absolute Kontrastprogramm ist ein Bad in den hei?en Naturquellen bei Frenchman‘s Bend oder Easley. Für Kinder gibt es rasante Rodelbahnen den Penny Hill herunter, für Erwachsene Motorschlitten-Touren durchs Backcountry.

Das Zentrum Ketchums lockt mit exklusivem Shopping. Im The Goldmine Thrift Shop, wo betuchte Einheimische und Besucher unter anderem ihre Designer-Garderobe für wohltätige Zwecke zum Wiederverkauf spenden, gibt es Luxusartikel zu Second-Hand-Preisen.

Abends im Hotel findet man Zeit zum Durchatmen. Und wer flimmert da über den Bildschirm? Timothée Chalamet. Aber nicht im Schlabberpulli in der Konditorei bei der Apfelstrudel-Bestellung, sondern barbrüstig unterm Jacket auf dem roten Teppich bei den Oscars – in Hollywood.

Info-Kasten: Sun Valley

Reiseziel: Sun Valley liegt in Idaho im Nordwesten der USA.

Anreise: Direktflüge aus Europa zum nahe des Skigebiets gelegenen Flughafen in Hailey gibt es nicht, während der Saison aber täglich Flüge aus Denver oder Chicago. Oder man nimmt einen Flug zum Boise Airport. Von dort per Mietwagen oder Shuttle nach Sun Valley.

Formalitäten: Deutsche Urlauber und Urlauberinnen benötigen einen gültigen Reisepass und müssen sich im Internet eine Einreiseerlaubnis (Esta) besorgen. Weiterhin muss in aller Regel eine vollständige Covid-19-Impfung nachgewiesen werden. (Stand: 19.12.2022)

Klima: Ein trockenes Halbwüstenklima sorgt für lange milde Wintertage bei Temperaturen von durchschnittlich minus fünf Grad. Mitte Januar bis Ende Februar ist die beste Reisezeit für Wintersportler.

Filmfestival: Seit 2012 findet das Sun Valley Film Festival jeweils ums erste April-Wochenende herum statt. (sunvalleyfilmfestival.org)

Regional History Museum: Längst vergangene Ranching-Tage, die Anfänge des Skispringens in Sun Valley und Hemingways Lokalgeschichte samt Schreibmaschine werden hier ausgestellt.

Währung: 1 Euro = 1,06 US-Dollar (Stand: 19.12.2022)

Informationen: Sun Valley Resort, 2 Sun Valley Road, Sun Valley, Idaho 83353, USA (Internet: www.sunvalley.com); Visit Idaho/ The Great American West c/o Lieb Management, Bavariaring 38, 80336 München (Tel.: 089/6890 638 41, Internet: https://greatamericanwest.de/idaho/)

Ähnliche Artikel

Schaltfläche "Zurück zum Anfang"