Moskau (dpa) – Affenlaute, Bananenwürfe gegen dunkelhäutige Spieler und immer wieder Hakenkreuze: Rechtsradikale und Neonazis geben in Russland in vielen Fanszenen den Ton an. Als radikalste Gruppen gelten Hooligans der Hauptstadtvereine Spartak und ZSKA Moskau, zwischen denen es immer wieder zu organisierten Straßenschlachten mit Dutzenden oder sogar Hunderten Beteiligten kommt. Aber auch bei kleineren Clubs wie Ural Jekaterinburg oder Arsenal Tula gibt es viele gewaltbereite, rechtsextreme Anhänger.
Beispiel Spartak: Mehrmals veranstalteten die Anhänger des Rekordmeisters Choreographien zum Geburtstag von Adolf Hitler, immer wieder gibt es fremdenfeindliche Transparente mit Texten wie «Spartak ist nur für Weiße» oder «Affen, haut ab». Auch zu einem Todesfall kam es bereits bei Krawallen, etwa als Hooligans 2002 bei der Übertragung des WM-Spiels Russland-Japan randalierten. Damals wurden rund 130 Menschen festgenommen.
Viele Anhänger der russischen Hooliganszene sind durchtrainierte Kämpfer. Sie boxen oder sind geübt in Kampfsport, wie Experten sagen. Die russische Polizei schaut oft weg – solange die Krawalle außerhalb der Stadien ablaufen.
Kontakte zu den Behörden?
Moskauer Hooligans deuteten im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur einst an, dass die Szene gute Kontakte zu den Behörden unterhält. Zudem können die Gruppen in Windeseile Tausende Anhänger organisieren – wie etwa im Dezember 2010 zu sehen war. Damals randalierten Hooligans und Rechtsextreme unweit des Kremls im Moskauer Stadtzentrum und machten Jagd auf alle, die nicht wie Slawen aussahen. Anlass: Ein Spartak-Fan war im Streit um ein Taxi von einem Mann aus dem Nordkaukasus getötet worden.
Für rassistisches Verhalten ihrer Fans erhalten die oft mit einflussreichen Politikern verbandelten Vereine meist nur symbolische Strafen. Mit Blick auf die Heim-WM 2018 hatte der Verband zwar ein härteres Durchgreifen angekündigt. Allerdings bleibt es zumeist beim zeitweisen Ausschluss bestimmter Anhänger – die Fanblöcke in den Stadien sind also mal leer.
Kampfname «Kamantscha»
Als eine zentrale Figur der Fußballfanszene gilt Alexander Shprygin, der seit 2007 den von ihm gegründeten Allrussischen Fanverband (WOB) leitet. Die Dachorganisation erhält Kartenkontingente für Spiele der Nationalelf und organisiert auch die Reisen zu Auswärtspartien – so wie jetzt nach Frankreich.
Shprygin – Kampfname «Kamantscha» – gilt als Rädelsführer ultrarechter Fangruppen. Zugleich rühmt er sich bester Kontakte in die Politik bis in die höchste Ebene. Fotos von 2010 zeigen den kräftig gebauten Mann zusammen mit Kremlchef Wladimir Putin.
Der 38-jährige Shprygin ist Mitarbeiter von Parlamentsvize Igor Lebedew, Sohn des Ultranationalisten Wladimir Schirinowski. Lebedew hatte nach den Attacken russischer Hooligans auf englische Fans in Marseille die Anhänger via Twitter aufgestachelt: «Weiter so!»
Unsere russische Erde
2015 erregte Shprygin Aufsehen mit rassistischen Äußerungen. Wenn die russische Nationalelf zur Eröffnung der Heim-WM 2018 die Nationalhymne singe, «dann möchte ich, dass die Spieler slawische Gesichter haben», sagte er in einem Interview. «Das ist unsere russische Erde, unsere Mannschaft sollte aus russischen Spielern bestehen» – nicht etwa aus eingebürgerten Brasilianern.
Am Dienstag war Shprygin einer von etwa 40 russischen Fans, die von der französischen Polizei wegen des Verdachts, sie seien an den Ausschreitungen von Marseille beteiligt gewesen, festgehalten wurde.
Experten werfen vor allem Sportminister Witali Mutko vor, das Problem – gerade mit Blick auf die Weltmeisterschaft 2018 – kleinzureden. Kritisiert wird auch, dass Mutko vor der Fankurve über den späten Ausgleich im Gruppenspiel gegen England jubelte, während russische Hooligans den englischen Block stürmten. Mutko verteidigte die Anhänger: Sie würden immer wieder provoziert.