Jermaine Jones zwischen Frust und Freude: “Eigentlich waren wir durch, hätten das nur noch zu Ende spielen müssen.” Dann kam doch einmal ein Pass von Ronaldo auf einen portugiesischen Kopf – und Silvestre Varela versenkt den Ball in der 95. Minute zum 2:2. “Gegen Deutschland ist das für alle, die deutsche Wurzeln haben jetzt was ganz Besonderes – es reicht ein Unentschieden für beide … aber natürlich wollen wir beide weiter”, vermeidet Jones den demonstrativen Siegeswillen.
Klinsmann: “… und Deutschland schlagen!”
“Wir müssen nun den härteren Weg gehen”, räumt dann US-Teamchef Jürgen Klinsmann letzte Zweiel aus, dass sich die beiden Mannschaften möglicherweise auf ein Friedensabkommen verständigen könnten. “Und Deutschland schlagen. Das ist unsere nächste Aufgabe.” Deutschlands letzter Vorrunden-Gegner holte am Sonntag (Ortszeit) in Manaus ein 2:2 (0:1) gegen Portugal und hat nach zwei Spielen ebenso vier Punkte auf dem Konto wie die DFB-Auswahl. Damit genügt sowohl den USA wie auch der deutschen Fußball-Nationalmannschaft am Donnerstag in Recife ein Remis zum Einzug in die K.o.-Runde. Der frühere Bundesliga-Profi Jermaine Jones (64. Minute) und Clint Dempsey (81.) trafen vor 40 123 Zuschauern für die Amerikaner. Nani (5.) hatte Portugal in Führung gebracht, Silvestre Varela rettete in der Nachspielzeit das Remis.
Durch eine Verkettung unglücklicher Umstände waren die Portugiesen früh in Führung gegangen: Eine verunglückte Flanke von Veloso kullert in den Strafraum, Jeff Cameron schlägt ein Luftloch, Keeper Howard landet am Hosenboden und Nani hievt den Ball über den sitzenden Torwart hinweg unter die Latte – 1:0 (5.). Die US-Boys erholen sich schnell von dem Rückschlag. Portugal verwaltet die Führung pomadig und gerät immer öfter in Schwierigkeiten:
- Dempsey schießt aus spitzem Winkel, aber Portugals Torwart Beto hält (17.).
- Ex-Gladbacher Michael Bradley mit wuchtigem Linksknaller aus gut 20 Metern knapp drüber (20.).
- Wieder Bradley aus der Distanz – links vorbei (29.).
- Rechtsverteidiger Fabian Johnson zieht nach innen, legt sich den Ball auf den linken Fuß, der Kracher aus gut 20 Metern geht knapp rechts vorbei (31.).
- Jermaine Jones scheitert aus 20 Metern mit links an Torwart Beto (35.).
Außer schlecht geschossener Freistöße von Portugal Fehlanzeige – bis zur 44. Minute, als der schwächelnde Bradley erst den Ball verliert und dann stehen bleibt. Zunächst kann Torwart Tim Howard Nanis Schuss an den Pfosten lenken – dann faustet er im Fallen den Nachschuss von Eder genial über die Latte.
Bradley: Das ist fast schon Sabotage
In der zweiten Halbzeit knüpfen die Amerikaner da an, wo sie aufgehört hatten: Und nach zehn Minuten schien endlich der Ausgleich zu gelingen: Nach einem Tempovorstoß bekommt wieder Michael Bradley den Abpraller am Elfmeterpunkt, der Torwart liegt am Pfosten, im leeren Tor nur noch Ricardo Costa, der kahle Michael hat alle Zeit und schießt den kleinen Portugiesen an – Mann oh Mann, das ist fast schon Sabotage (54.)!
Jetzt scheint dem Außenseiter das Herz doch etwas in die Hose zu sinken. Fehler im Mittelfeld führen zu Konterchancen, die aber Eder & Co. regelmäßig vergeigen. Dann muss es eben der erfahrene Jones richten: Nach einer Ecke kommt Jermaine am 16er an den Ball, zirkelt das Spielgerät passgenau auf den Spann und knallt die Kugel wuchtig zum 1: ins rechte Toreck – Keeper Beto ist chancenlos (64.).
Nani, die Meisterschwalbe
Immerhin, Portugal lebt noch: Nani zappelt sich rechts durch, flankt, Howard mit Faustabwehr zu Meireles, der mit dem Mut der Verzweiflung abzieht, wieder Klasse Reaktion von Howard (66.). Dann eine lächerliche Aktion von Nani: Der Zappelphilipp drängt sich in den Strafraum, und fällt wie Brasiliens Meisterschwalbe Fred – Schiri Pitana hätte hier Gelb zeigen müssen (73.)!
Als dann Ronaldo einmal mehr mit Ballverlust und genervter Geste glänzt, reicht es den geduldigen Portugal-Fans: Sie pfeifen die Diva mit der neuen schicken Frisur aus (81.). Der rasierte Blitz auf der linken Schädelseite ist tatsächlich das Rasanteste, das der 100-Millionen-Euro-Mann zu bieten hat. Es ist sicher etwas böse, schließlich weiß man nie, ob der Real-Star nun fit ist oder nicht. Aber dann hätte er eben passen müssen – nicht den Ball, sondern sich aus dem Spiel.
Kombination im Strafraum wie im Training
Und die Strafe folgt mit dem Fuß: Angriff über rechts mit dem schnellen neuen Mann Yedlin, die USA kombinieren sich in aller Ruhe in den Strafraum, spielen sich die Kugel wie im Training zu, Graham Zusi zu Dempsey, und der vollendet mit der Brust zur Führung – 2:1, Portugal vor dem Aus! Klinsmann weiß kaum wohin mit der Freude, er hüpft, er ballt die Faust, er sucht ein Umarmungsopfer (83.).
Und dann kam, was kommen musste: Fünf Minuten on top, wofür weiß man nicht – die US-Boys versuchen´s mit Zeitschinden oder auch echten Krämpfen. aber es hilft alles nichts: Wie Messi am Tag zuvor gelingt auch dem portugiesischen Weltfußballer eine torwerte Aktion – Ronaldo flankt von rechts, Varela hält die Birne hin – 2:2 (95.), Feierabend!
Deutsche Reaktionen
Jetzt gibt es doch ein Finale, das beide nicht haben wollten: Joachim Löw kontra Jürgen Klinsmann, Bundestrainer gegen Vorgänger. Zu aller Brisanz kamen am Tag nach dem zwiespältigen 2:2 gegen Ghana für den DFB-Chefcoach auch noch personelle Sorgen. Leitwolf Sami Khedira hat sich beim Schlagabtausch im zweiten WM-Gruppenspiel eine Innenbandzerrung im linken Knie zugezogen. Jérome Boateng leidet an einer neurogenen Muskelverhärtung. Der Einsatz der Stammkräfte am Donnerstag in Recife gegen die USA mit Coach Klinsmann ist noch nicht gesichert, obwohl Nationalmannschaftsmanager Oliver Bierhoff in beiden Fällen vorsichtigen Optimismus verbreitete.
Auch wenn nach dem 2:2 der USA gegen Portugal beiden Teams ein Remis zum Weiterkommen reicht, wird der Wahl-Amerikaner Klinsmann seine US-Boys garantiert richtig heißmachen auf das Gruppenfinale gegen Deutschland. «Davon gehen wir aus. Aber wir sind auch richtig heiß darauf, ins Achtelfinale einzuziehen», erklärte Philipp Lahm kämpferisch. Verbandschef Wolfgang Niersbach hatte dem Team schon auf dem Rückflug nach Porto Seguro Zuversicht mitgegeben. «Es war ein tolles WM-Spiel, es war alles drin. Vor allem war es ein echter Härtetest für den Willen», sagte der DFB-Präsident beim Landeanflug über den Bordfunk.