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Bier statt Wein – Frankreichs Nationalgetränk gerät aus der Mode

Krise im Land der Weintrinker: Statt zum Korkenzieher greifen gerade Jüngere in Frankreich eher zum Flaschenöffner und machen sich ein Bier auf. Wegen Absatzproblemen werden jetzt um Bordeaux herum Weinberge gerodet. Weshalb wandeln sich die Trinkgewohnheiten?

Nach der Weinlese steht für etliche Winzer in Frankreichs bekannter Anbauregion um Bordeaux im Herbst ein Einsatz mit schwerem Gerät an: Auf rund 9500 Hektar Fläche werden die Reben mit staatlicher Millionenhilfe herausgerissen, denn es gibt eine Überproduktion und wirtschaftliche Probleme. Seit längerem ist der Weinkonsum in Frankreich rückläufig. Statt zum traditionellen Nationalgetränk greifen vor allem jüngere Leute lieber zu einem Bier oder verzichten ganz auf Alkohol. Geänderte Lebensgewohnheiten sind der Grund. Neben diesem Trend stellt außerdem der Klimawandel das Weinland Frankreich vor eine Herausforderung.

Bier hat inzwischen Wein – wenn auch mit hauchdünnem Vorsprung – bei der jährlichen Umfrage der Marketinggesellschaft Sowine den Rang als beliebtestes Getränk in Frankreich abgelaufen. Die Vorliebe für Bier ist demnach bei Männern stärker ausgeprägt als bei Frauen, und Weißwein ist nach der Befragung gefragter als Rotwein. Bei der Umfrage gaben 15 Prozent der Menschen in Frankreich an, keinen Alkohol zu trinken. Unter den 18- bis 25-Jährigen sind es 23 Prozent, in der Altersspanne der 50- bis 65-Jährigen nur zehn Prozent.

Der Weinkonsum sinkt in Frankreich seit längerem, wobei in den letzten Jahren gerade jüngere Leute dem Nationalgetränk den Rücken kehren, wie der Branchenverband Vin & Société zur Jahreswende mitteilte. Innerhalb von 60 Jahren sank der Weinkonsum der Franzosen um rund 70 Prozent von über 120 Litern pro Jahr und Einwohner 1960 auf weniger als 40 Liter im Jahr 2020. Bei den 18- bis 35-Jährigen verlor Wein von 2014 bis 2021 neun Prozentpunkte Marktanteil. 2021 entfielen 39 Prozent der Einkäufe alkoholischer Getränke der unter 35-Jährigen auf Bier, Wein machte 27 Prozent aus.

Veränderungen in der Gesellschaft sieht der Branchenverband als Ursache. Die traditionellen Mahlzeiten, bei denen Wein auf den Tisch kommt, verlieren an Bedeutung, die Kultur des Weintrinkens werde in Familien nicht mehr automatisch weitergegeben. Auch gibt es mehr Single-Haushalte, Wein aber wird eher in Gesellschaft getrunken. Das Image des Weines müsse in Frankreich aufpoliert werden, fordert der Verband. Es gehe nicht darum, die Franzosen zum Exzess aufzurufen, sagte Vin & Société-Präsident Samuel Montgermont. «Die Frage ist eine ganz andere: Wollen wir in den kommenden Jahren Wein auf unseren Tischen sehen oder in unseren Museen?»

Vor den Folgen des Abwärtstrends warnt der Präsident des Nationalen Komitees der Weinberufe, Bernard Farges. «Viele Weinfachleute spüren die Auswirkungen der Schrumpfung des Marktes, die durch den Konsumrückgang angetrieben wird, und wozu noch der harte internationale Wettbewerb und die jüngsten klimatischen Unwägbarkeiten kommen.» Erzeuger gäben den Beruf auf und für etliche Weinbaubetriebe werde sich kein Nachfolger finden, fürchtet er.

Einer der Winzer im Raum Bordeaux, die einen Rodungsantrag eingereicht haben, ist André Faugère (65). 1800 Hektoliter Rotwein erzeugt er im Schnitt pro Jahr. «Ich arbeite seit zwanzig Jahren mit Weinhändlern zusammen, um meine Weine nach Afrika und England zu exportieren, aber der Absatz sinkt», sagte Faugère kürzlich dem Sender France 3. Der sinkende Konsum treffe Rotwein stärker als Weiß- oder Roséwein. «Ich hatte keine kurz- und mittelfristige Perspektive, also entschied ich mich für die Rodung. Es war wirklich die Feststellung, dass sich die Essgewohnheiten geändert haben und die Leute weniger Rotwein trinken. Und das Bier gewinnt Marktanteile.»

Bis zu 67 Millionen Euro wollen Staat, Region und der Branchenverband für eine Restrukturierung des Weinanbaus rund um Bordeaux zahlen, kündigte Agrarminister Marc Fesneau an. Aufgegebene Anbauflächen sollen aufgeforstet werden. Insgesamt gibt es derzeit rund 110 000 Hektar Anbaufläche in der Region in Westfrankreich.

Neben einem sinkenden Konsum machen den Winzern in Frankreich auch zunehmende Trockenperioden zu schaffen. Langfristig müsse Frankreichs Weinsektor sich auf die nötigen Anpassungen an den Klimawandel einstellen, hieß es kürzlich aus dem Agrarministerium. Die Regierung wolle beim Erstellen einer Strategie helfen. Das französische Weinbau-Institut riet Winzern zum Anbau klimaresistenterer Reben sowie zu Schritten, den Weinbau möglichst klimaneutral zu gestalten.

Und führt all dies zu einem boomenden Biermarkt in Frankreich? Nach Daten des französischen Brauereiverbands «Brasseurs de France» sind die Franzosen trotz steigenden Bierdurstes mit einem Pro-Kopf-Konsum von 33 Litern im Jahr Schlusslicht in der EU. 70 Prozent des in Frankreich getrunkenen Biers wird im Land selbst gebraut, stark im Kommen sind dabei handwerkliche Brauereien und Mikrobrauereien. Und das Gastronomieland Frankreich kann dabei mit regionalen Spezialitäten aufwarten: Rosen- und Heidelbeerbiere führt der Verband an, sowie Chicoréebiere im Norden, Buchweizenbiere in der Bretagne und Kastanienbiere in der Ardèche.

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