Eberswalde (dpa/bb) – Vor den Bürofenstern von Zoodirektor Bernd Hensch in Eberswalde (Landkreis Barnim) ertönt ohrenbetäubendes Gekreische: Zunächst klingt es, als wäre eine Alarmanlage losgegangen, später ähneln die Geräusche den Tönen eines Flipperautomaten. Während der Besucher erschrickt, schmunzelt der 67-Jährige wissend. «Das sind unser Schopfgibbons, deren Gehege hier angrenzt. Die schlagen Alarm, sobald dort jemand vorbei kommt.»
Diese tierische Alarmanlage begleitet Hensch seit Jahren. Vermissen wird der gebürtige Eberswalder sie wohl nicht, wenn er zum Jahresende in den Ruhestand geht. «Dann sitze ich mit Hund Benno in meinem Kahn auf dem See in Brodowin (Barnim), wo ich wohne. Ich habe endlich mehr Zeit für meine kleine Alpakaherde und meine drei Enkel», sagt der Zoodirektor, der die 15 Hektar große Anlage 33 Jahre lang leitete.
Wer Hensch kennt, kann kaum glauben, dass der promovierte Biologe «seinem» Zoo, in den er 1981 nach dem Studium kam, den Rücken kehren kann. Denn er hat ihn mit vielen Ideen geprägt: Ein Urwaldhaus, eine begehbare Löwenanlage, ein Erlebnispfad über dem Wolfs- sowie dem Damwildgehege und ein Pinguin-Domizil mit Blick unter Wasser ermöglichen Besuchern ungewöhnliche Perspektiven auf die Zoobewohner.
Hensch ist im Artenschutz engagiert und mit seinem Zoo an 21 europäischen Erhaltungsprogrammen beteiligt – für Affen, Leoparden, Humboldt-Pinguine oder sibirische Tiger. Die größte auf der Erde lebende Katzenart, von der es in freier Wildbahn nur noch wenige Hundert Exemplare gibt, liegt ihm besonders am Herzen. «Immerhin 45 sibirische Tiger haben wir bei uns bereits nachgezogen. Unsere Anlage ist eine der schönsten in Europa und mein Lieblingsort im Zoo.»
Hensch ist nach Angaben des Verbandes der Zoologischen Gärten (VdZ) in Deutschland der dienstälteste Zoodirektor. «In seinen 33 Dienstjahren hat er mit viel privater Unterstützung den Zoo Eberswalde enorm entwickelt. Er ist tief verwurzelt in seiner Heimatregion und hat immer auch auf die Nähe des Menschen zum Tier gesetzt und somit schöne begehbare Tieranlagen geschaffen», lobt VdZ-Präsident Jörg Junhold, Chef des Leipziger Zoos (Sachsen).
Hensch geht mit einem guten Gefühl, wie er sagt: «Weil ich weiß, dass meine Nachfolgerin den Laden schmeißen wird», meint der Zoodirektor und nickt Paulina Ostrowska zu. Die 36-jährige gebürtige Polin ist seit vier Jahren seine Stellvertreterin. Bei einer europaweiten Ausschreibung des Eberswalder Zoodirektor-Postens hat sie sich gegen zehn andere Bewerber durchgesetzt. Für Hensch kam das nicht überraschend. «Paulina brauchte ich nicht zu schubsen, sie wollte sich weiterentwickeln und hat das souverän getan.»
Dabei ist der berufliche Werdegang der Wahl-Barnimerin doch recht ungewöhnlich. Nach dem Abitur in Polen hatte sie einen Deutschen geheiratet und war jung Mutter geworden. Über eine EU-geförderte Stelle wurde sie Mitarbeiterin im pädagogischen Bereich des Zoos in Eberswalde. Parallel dazu machte sie eine Ausbildung zur Erzieherin und übernahm später die Leitung der Zooschule. Vor vier Jahren studierte Ostrowska neben der Arbeit im Zoo an der Universität Koblenz (Rheinland-Pfalz) angewandte Umweltwissenschaften.
«So ein Uni-Abschluss ist Voraussetzung für den Chefposten. Sie hat mit 1,0 abgeschlossen und spätestens da war ich überzeugt, sie packt das», lobt ihr 67-jähriger Mentor. Sie habe viel von ihm gelernt und deshalb sei es ihr wichtig, viele von Hensch angeschobene Projekte fortzuführen, sagt Ostrowska. «Aber ich habe natürlich auch eigene Ideen, die ich bald umsetzen will», versichert die Vize-Zoochefin.
Hensch ist überzeugt, dass seine Nachfolgerin ihn nun nicht mehr brauchen wird, aber auch stolz, was er ihr nach 41 Jahren im Zoo übergeben kann: 130 Arten, 1200 Tiere und mehr als 300 000 Besucher im Jahr in der größten touristischen Einrichtung des Landkreises.
Eine Herausforderung, denn Berlin ist mit Zoo und Tierpark nicht weit entfernt. «Ich wusste, bei den Tierarten können wir die beiden Hauptstadteinrichtungen niemals toppen. Deswegen musste ich Nischen finden, um Besucher zu gewinnen», erklärt er. Drei Affenarten leben in der wärmeren Jahreszeit frei in den hohen Bäumen der Anlage, zehn kreativ gestaltete Spielplätze animieren Kinder, sich zu bewegen und die Zooschule bereichert den Unterricht von Grundschülern.
«Bernd Hensch hatte stets nicht nur den Zoo im Blick, er dachte den Tourismus in Brandenburg mit», sagt Dieter Hütte, Geschäftsführer der TMB Tourismus-Marketing Brandenburg GmbH. Die Anlage eines naturnah gestalteten Tiergartens sei auch dadurch ein Aushängeschild für Brandenburg geworden.
Hensch habe den Zoo weit über die Region hinaus bekannt gemacht und davon habe auch die Stadt stets profitiert, sagt Eberswaldes Bürgermeister Götz Herrmann (SPD). «Wir sind glücklich, mit Frau Ostrowska eine Nachfolgerin gefunden zu haben, die die Geschicke des Zoos mit gleichem Herzblut in die Hand nimmt. Dieser Generationswechsel gibt auch Raum für neue Ideen und Akzente.»
Hensch hat nie bereut, dem Zoo Eberswalde 41 Jahre lang treu geblieben zu sein. «Klar hätte ich auch andere Tierparks führen können, die Angebote gab es. Doch ich war glücklich hier, auch, weil mir nie jemand ‘reingeredet hat», sagt der 67-Jährige, der sieben Bürgermeister in Eberswalde erlebt hat und weiterhin im Zoo-Förderverein aktiv sein wird.