Explosion der Kosten
10.03.2012
Dr. Wolfgang Rechl kommentiert den Bericht des Wissenschaftlich-Technischen Beirats der Bayerischen Staatsregierung
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Die Gesundheitssysteme sind laut Bericht des Wissenschaftlich-Technischen Beirats der Bayerischen Staatsregierung (WTB) wegen gestiegener Lebenserwartung und des medizinisch-technischen Fortschritts weltweit Wachstumsmärkte. Sollen wir uns über diese Feststellung freuen oder befürchten, dass auf Sicht das System nicht mehr bezahlbar sein wird?
Wolfgang Rechl: Ein Wachstumsmarkt ist immer positiv, insbesondere für Deutschland. Andererseits stoßen wir beim solidarisch finanzierten Gesundheitssystem an die Grenzen. Wir haben immer mehr Alte und Kranke, immer weniger Junge, die einzahlen.
Nach der Flucht in private Krankenkassen, hört man gerade aus dieser Ecke immer häufiger von drastischen Beitragserhöhungen.
Wolfgang Rechl: Die Privatversicherungen sind unter Druck, weil sie Einnahme abhängig sind. Die müssen als AG kalkulieren. Wir werden eine Altersarmut bekommen, wenn kleine Handwerker im Alter nicht mehr bezahlen können. Andererseits decken sie auch verschiedene Risiken ab, fördern Eigenverantwortung, und können unterschiedliche Lebenslagen abbilden. Gleichzeitig erzielen die gesetzlichen Krankenkassen sogar Überschüsse. Die Frage ist nur, wie lange, denn das ist eine Folge der momentanen Vollbeschäftigung.
Mit 250 Milliarden Euro Umsatz ist das Gesundheitswesen die größte Branche in Deutschland und mit 4,3 Millionen Beschäftigten der größte Arbeitgeber. Ist es profitabler krank oder gesund zu sein?
Wolfgang Rechl: Es ist definitiv so, dass dieser Sektor bei extremer Veränderung der Lebensweise schrumpfen würde. Die Zuckerkrankheit etwa gäbe es nicht mehr in diesem Ausmaße. Andererseits stimmt diese These nur bedingt. Wenn Sie sich überlegen, die Leute lebten gesünder, hätten weniger Krankheiten, würden noch älter, dann gäbe es noch mehr Hochbetagte mit neuen Krankheiten. Im Moment haben wir Ärzte eine gute Beschäftigungssituation, wir müssen die Patienten nicht krank machen.
Wissenschaftsjournalist Jörg Blech kritisiert die Erfindung von Krankheiten seitens der Pharmaindustrie. So belegen Studien, dass die Einnahme von Vitaminpräparaten sogar schädlich sein kann. Warum gibt es dennoch jede Menge dieser Präparate am Markt?
Wolfgang Rechl: Nischenärzte wie jener berühmte Vitamindoktor in München sind sicher kritisch zu sehen, auch wenn es Einzelnen helfen mag. Die Erklärung ist gar nicht so schwer: Der Placebo-Effekt führt oft zu erstaunlichen Ergebnissen und dann hilft einigen Patienten bereits die Zuwendung, die gerade in der apparativen Medizin zu kurz kommt.
Der WTB fordert eine Effizienzsteigerung im Gesundheitswesen mit Verbesserung der Versorgungsforschung, Anwendung privatwirtschaftlicher Methoden im Betrieb öffentlicher Kliniken und die Bildung von Ärzteverbünden? Was halten Sie davon?
Wolfgang Rechl: Ich bin der Meinung, dass eine Effizienzsteigerung notwendig ist, weil wir im Rahmen der begrenzten Ressourcen einen optimalen Einsatz der Mittel brauchen. Diese Ökonomisierung darf am Patienten nicht vorbeigehen. Im niedergelassenen ländlichen Bereich wird oft effizienter gearbeitet, weil die Zahl der Ärzte niedriger ist, mehr Patienten behandelt werden müssen. Die Weidener Ärzte versorgen übrigens viele Patienten aus dem Landkreis mit.
Sie kennen das Klischee vom Arzt, dessen Praxis von der Pharmaindustrie eingerichtet wurde. Ein Schelm, der vermutet, dass sich dieser etwas weniger objektiv von der Wirksamkeit teurerer Medikamente überzeugen lässt?
Wolfgang Rechl: Es gibt einen extremen Ehrenkodex in den Kliniken. Selbst bei niedergelassenen Ärzten ist es nicht mehr erlaubt, dass der Pharmavertreter auch nur einen Kugelschreiber dalässt. Die Frage ist, ob dies die Ärzte beeinflusst hat. Was wir heute eher erleben, ist, dass die Pharmaindustrie versucht, Patienten über die Werbung zu beeinflussen und diese mit Wunschvorstellungen zum Arzt kommen, wonach das teure Neue immer besser sei.
Gibt man dem Patienten dann das gute Gefühl?
Wolfgang Rechl: Das liegt in der Einzelentscheidung. Wir machen es nur, wenn das Medikament tatsächlich Vorteile bietet.
Wolfgang Rechl: Ein Wachstumsmarkt ist immer positiv, insbesondere für Deutschland. Andererseits stoßen wir beim solidarisch finanzierten Gesundheitssystem an die Grenzen. Wir haben immer mehr Alte und Kranke, immer weniger Junge, die einzahlen.
Nach der Flucht in private Krankenkassen, hört man gerade aus dieser Ecke immer häufiger von drastischen Beitragserhöhungen.
Wolfgang Rechl: Die Privatversicherungen sind unter Druck, weil sie Einnahme abhängig sind. Die müssen als AG kalkulieren. Wir werden eine Altersarmut bekommen, wenn kleine Handwerker im Alter nicht mehr bezahlen können. Andererseits decken sie auch verschiedene Risiken ab, fördern Eigenverantwortung, und können unterschiedliche Lebenslagen abbilden. Gleichzeitig erzielen die gesetzlichen Krankenkassen sogar Überschüsse. Die Frage ist nur, wie lange, denn das ist eine Folge der momentanen Vollbeschäftigung.
Mit 250 Milliarden Euro Umsatz ist das Gesundheitswesen die größte Branche in Deutschland und mit 4,3 Millionen Beschäftigten der größte Arbeitgeber. Ist es profitabler krank oder gesund zu sein?
Wolfgang Rechl: Es ist definitiv so, dass dieser Sektor bei extremer Veränderung der Lebensweise schrumpfen würde. Die Zuckerkrankheit etwa gäbe es nicht mehr in diesem Ausmaße. Andererseits stimmt diese These nur bedingt. Wenn Sie sich überlegen, die Leute lebten gesünder, hätten weniger Krankheiten, würden noch älter, dann gäbe es noch mehr Hochbetagte mit neuen Krankheiten. Im Moment haben wir Ärzte eine gute Beschäftigungssituation, wir müssen die Patienten nicht krank machen.
Wissenschaftsjournalist Jörg Blech kritisiert die Erfindung von Krankheiten seitens der Pharmaindustrie. So belegen Studien, dass die Einnahme von Vitaminpräparaten sogar schädlich sein kann. Warum gibt es dennoch jede Menge dieser Präparate am Markt?
Wolfgang Rechl: Nischenärzte wie jener berühmte Vitamindoktor in München sind sicher kritisch zu sehen, auch wenn es Einzelnen helfen mag. Die Erklärung ist gar nicht so schwer: Der Placebo-Effekt führt oft zu erstaunlichen Ergebnissen und dann hilft einigen Patienten bereits die Zuwendung, die gerade in der apparativen Medizin zu kurz kommt.
Ich bin der Meinung, dass eine Effizienzsteigerung notwendig ist, weil wir im Rahmen der begrenzten Ressourcen einen optimalen Einsatz der Mittel brauchen. Diese Ökonomisierung darf am Patienten nicht vorbeigehen.
Dr. Wolfgang Rechl
Der WTB fordert eine Effizienzsteigerung im Gesundheitswesen mit Verbesserung der Versorgungsforschung, Anwendung privatwirtschaftlicher Methoden im Betrieb öffentlicher Kliniken und die Bildung von Ärzteverbünden? Was halten Sie davon?
Wolfgang Rechl: Ich bin der Meinung, dass eine Effizienzsteigerung notwendig ist, weil wir im Rahmen der begrenzten Ressourcen einen optimalen Einsatz der Mittel brauchen. Diese Ökonomisierung darf am Patienten nicht vorbeigehen. Im niedergelassenen ländlichen Bereich wird oft effizienter gearbeitet, weil die Zahl der Ärzte niedriger ist, mehr Patienten behandelt werden müssen. Die Weidener Ärzte versorgen übrigens viele Patienten aus dem Landkreis mit.
Sie kennen das Klischee vom Arzt, dessen Praxis von der Pharmaindustrie eingerichtet wurde. Ein Schelm, der vermutet, dass sich dieser etwas weniger objektiv von der Wirksamkeit teurerer Medikamente überzeugen lässt?
Wolfgang Rechl: Es gibt einen extremen Ehrenkodex in den Kliniken. Selbst bei niedergelassenen Ärzten ist es nicht mehr erlaubt, dass der Pharmavertreter auch nur einen Kugelschreiber dalässt. Die Frage ist, ob dies die Ärzte beeinflusst hat. Was wir heute eher erleben, ist, dass die Pharmaindustrie versucht, Patienten über die Werbung zu beeinflussen und diese mit Wunschvorstellungen zum Arzt kommen, wonach das teure Neue immer besser sei.
Gibt man dem Patienten dann das gute Gefühl?
Wolfgang Rechl: Das liegt in der Einzelentscheidung. Wir machen es nur, wenn das Medikament tatsächlich Vorteile bietet.
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